Exkurs: Bedeutung der Unternehmenskultur

Die Unternehmenskultur kann auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden, die auch in. Abb. 2.1 dargestellt sind. Nach Edgar H. Schein, einem Pionier der Forschung zur Unternehmenskultur, lassen sich beobachtbare Artefakte (z. B. Kleidung, Gebдude), Werte und zugrunde liegende Annahmen unterscheiden [5].

Die Verдnderung der Unternehmenskultur erfolgt dabei oftmals in einer gewissen Trдgheit. Die Trдgheit der Verдnderung von Unternehmenskultur hдngt vor allem damit zusammen, dass Kultur immer gelernt ist und Lernprozesse immer Zeit benцtigen.

Zusдtzlich gewinnen alle mit der Unternehmenskultur zusammenhдngenden Verдnderungsprozesse auch dadurch an Komplexitдt, dass die Unternehmenskultur auch mit der Landeskultur in einem Zusammenhang steht [6]. Somit wirkt sich die zunehmende Internationalisierung im geschдftlichen Umfeld auch insofern auf die Unternehmenskultur aus, als zusдtzlich landeskulturelle Fragestellungen berьcksichtigt werden mьssen. Eine vertiefte Perspektive zur Unternehmenskultur wird in Kap. 4 ausgefьhrt.

Folgende Leitfragen sind bei der Auseinandersetzung mit den mit dem individuellen Menschenbild verbundenen Werten hilfreich, da sie einen Selbstreflexionsprozess anregen, der dann auch im nächsten Schritt mit der Unternehmenskultur verknüpft werden kann:

Kennen Sie die Werte in Ihrem Unternehmen/in Ihrer Abteilung, die Ihr Handeln maßgeblich leiten?

Kennen Sie Ihre persönlichen Werte? W zen?

Welche Einstellungen zu Veränderungen existieren in Ihrem beruflichen Umfeld? Welche Einstellungen zu Veränderungen haben Sie?

Welche Spielregeln sind in Ihrem Unternehmen/in Ihrer Abteilung vorherrschend? Welche Spielregeln gelten für Sie generell in Bezug auf die Welt, Ihre Kollegen, die Mitarbeiter, Ihre Arbeit?

Anhand dieser Leitfragen erfolgt eine Annäherung an das eigene Menschenbild und seine Werte, an das Menschenbild des jeweiligen Unternehmens und an die damit zusammenhängende Unternehmenskultur. Daran wird schnell deutlich, dass eine Betrachtung von Menschenbildern immer auch mit einer Betrachtung der Unternehmenskultur einhergeht.

Für uns als Organisations- und Kulturentwickler bedeuten Veränderungsprozesse in Unternehmen also immer auch Veränderungsprozesse bezüglich der Werte, Rituale und Spielregeln

. Abb. 2.1 Darstellung der Kultur in Unternehmen

von Individuen. Folglich existieren – wenig überraschend – vielfältige Menschenbilder, die je nach wissenschaftlicher und historischer Tradition stark voneinander abweichen können. Nach Eckard König und Gerda Volmer können folgende grundsätzlichen Modelle zur Erklärung menschlichen Verhaltens unterschieden werden [3]:

- Eigenschaftsmodell,

- Verhaltensmodell,

- konstruktivistisches Modell,

- systemisches Modell.

Letztlich kann die Komplexität der Realität am treffendsten sicherlich durch eine Kombination unterschiedlicher Modelle abgebildet werden. Unserer Erfahrung nach ist es deshalb von großer Bedeutung, dass wir uns als Organisations- und Kulturentwickler nicht von vornherein einem Paradigma zuordnen, um alles durch diese „Brille“ zu sehen. Die Realität fragt nicht nach einem spezifischen Modell, denn sie kann nicht einmal mit einer Kombination aller bis zum aktuellen Zeitpunkt bekannten Modelle vollständig erklärt werden. Umso wichtiger ist es, dass wir die existierenden Modelle als gleichwertig betrachten, auch wenn sicherlich jeder von uns bei sich eine besondere Affinität zu dem einen oder anderen Modell feststellt. Die Zeitschrift für Organisationsentwicklung widmet aus diesem Grund 2014 eine gesamte Ausgabe dem Thema „Instrument Ich: Das Selbst im Change Management“, zum Beispiel im Artikel von Thomas Binder [7].

> Organisationsentwickler und Führungskräfte müssen sich der Subjektivität der eigenen Wahrnehmung bewusst sein und so reflektiert wie möglich damit umgehen. Das bedeutet – bezogen auf unterschiedliche Menschenbilder –, dass wir unterschiedlichen Verhaltensmustern und Denkweisen mit großer Offenheit begegnen müssen. Und gleichzeitig müssen wir in jedem Unternehmen individuell erarbeiten, welches Menschenbild Veränderungen überhaupt erst möglich macht. Das beginnt immer bei uns selbst, sofern wir erst reflektiert über andere Menschenbilder nachdenken können, wenn wir uns unserer eigenen Werte und unseres eigenen Menschenbildes bewusst sind (siehe Übung„Ihr geglückter Tag“).

Die unterschiedlichen Modelle können auch unterschiedlichen psychologischen Paradigmen zugeordnet werden. So orientiert sich das Eigenschaftsmodell stark an einem persönlichkeitspsychologischen Paradigma (Eigenschaften bestimmen das menschliche Verhalten), während das Verhaltensmodell eher auf einem behavioristischen Paradigma (externe Motivatoren bestimmen das menschliche Verhalten) aufbaut. Gleichzeitig zeigt beispielsweise die Führungsforschung, in der ähnliche Paradigmen vorherrschend sind, dass keines der bekannten Paradigmen die Realität vollständig abbilden kann [8]. Deshalb beschäftigen wir uns am Ende dieses Kapitels mit dem gegenwärtigen Wertewandel, der beispielsweise in Gestalt der jungen Generation Y an Aufmerksamkeit gewonnen hat und der für die Betrachtung von Menschenbildern nicht vernachlässigt werden darf [9]. Die Generation Y zeichnet sich beispielsweise dadurch aus, dass ihre Mitglieder flache Hierarchien bevorzugen und individuelle und flexibilisierte Karrierewege in den Mittelpunkt stellen. Insbesondere die Balance zwischen Freizeit und Arbeitszeit sowie der Sinn hinter der eigenen Arbeit stellen dabei zentrale Eckpfeiler dar. Dabei ist allerdings wichtig zu beachten, dass die Generation Y noch differenzierter betrachtet werden muss, da von unterschiedlichen Ausprägungen mit individuellen Merkmalen auszugehen ist.

Mit den Überlegungen zu Menschenbildern sind viele Implikationen verbunden, die auch im folgenden Kapitel zum Organisationsverständnis aufgegriffen werden und die für Organisations- und Kulturentwicklung sehr wichtig sind.

Zwischenfazit

Es existieren unterschiedliche Menschenbilder, die Individuen prägen: Diesen liegen verschiedene Modelle zur Erklärung menschlichen Verhaltens zugrunde, vom Eigenschaftsmodell über das Verhaltensmodell bis hin zum konstruktivistischen Modell und zu systemischen Modellen. Gleichzeitig muss im organisationalen Alltag aber berücksichtigt werden, dass diese für die Erklärung menschlichen Verhaltens nie ausreichend sind und dass in ihnen deshalb immer nur ein spezifi Menschenbild zum Ausdruck kommt, das in jeder Organisation individuell analysiert und erarbeitet werden muss. Am Anfang jedes Veränderungsprozesses ist es deshalb empfehlenswert, dass eine intensive Auseinandersetzung mit dem aktuell vorherrschenden Menschenbild im Unternehmen (IST) und mit dem gewünschten oder für den Veränderungsprozess sogar notwendigen Menschenbild (SOLL) erfolgt.

 
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