Die Mehrkomponentengeschäfte

Definitorische, wirtschaftliche und rechtliche Grundlagen

Ein Mehrkomponentengeschäft liegt vor, wenn „…in einem einzigen Vertrag mehrere unterschiedliche Leistungen geregelt sind oder mehrere Einzelverträge aufgrund ihres engen wirtschaftlichen Zusammenhangs als ein Geschäft gelten.“. Somit ist dem Mehrkomponentengeschäft immanent, dass es aus mehreren Leistungskomponenten besteht, deren Vergütung entweder als Gesamtpaket oder für die Einzelleistungen vereinbart worden ist. Dadurch ergeben sich die folgenden zwei zentralen Anwendungsfälle:

Mehrere zivilrechtlich selbstständige Verträge sind bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als ein einziger Geschäftsvorfall zu beurteilen bzw.

Mehrere Einzelleistungen werden gleichzeitig bzw. zeitnah an den gleichen Abnehmer erbracht, wobei diese in einem engen Zusammenhang zueinander stehen, weshalb häufig nur ein einziger Vertrag mit Gesamtpreis existiert.

Hierbei wird wiederum deutlich, dass für Bilanzierungszwecke die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Vordergrund steht und nicht unnachgiebig den zivilrechtlichen Vereinbarungen gefolgt wird.

Wirtschaftlicher Hintergrund eines Mehrkomponentengeschäfts ist es, dass Unternehmensleistungen als Leistungsbündel angeboten werden. Regelmäßig liegen marketingbzw. geschäftspolitische Maßnahmen zugrunde. Somit wird ein nicht gewinnbringendes Produkt nur i. V. m. einem einen positiven Erfolgsbeitrag generierenden weiteren Produkt oder einer zusätzlichen Dienstleistung angeboten, wodurch für das Unternehmen insgesamt ein Gewinn verbleibt. Demnach lassen sich die folgenden ausgewählten Beispiele aufzeigen:

„Der Verkauf von Software wird mit Installations- und Wartungsleistungen sowie Optionen auf Upgrades kombiniert.

Im Zusammenhang mit dem Verkauf von Vermögensgegenständen werden Kredite gewährt.“

Verkauf mit erweiterter Garantie: Mit dem Verkauf gewährt der Verkäufer Garantieleistungen, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen.

Kombination von mehreren Verkäufen: Die Lieferung von mehr als einem Gut wurde vereinbart.

Die Beispiele zeigen, dass Kombinationen von zivilrechtlichen Geschäftstypen möglich sind, die einen unterschiedlichen Realisationszeitpunkt aufweisen.

Die bilanzielle Abbildung ist im HGB nicht kodifiziert, sodass die allgemeinen Kriterien zur Umsatzrealisation gelten. Bei der Bilanzierung von Mehrkomponentengeschäften helfen zurzeit auch die IFRS nicht weiter, da dieser Sachverhalt in IAS 18 nur rudimentär geregelt ist, wodurch sich die Praxis – über IAS 8.12 – mit einem Rückgriff in die US-GAAP behilft. Ein Problemkreis bezüglich der bilanziellen Abbildung eines Mehrkomponentengeschäfts ist immer nur dann gegeben, wenn dieses Geschäft über den Bilanzstichtag hinausgeht und die Teilleistungen unterschiedliche Realisationszeitpunkte aufweisen. Aufgrund der einzelnen Leistungskomponenten ist es dann fraglich, ob eine einheitliche oder – in Abhängigkeit der Einzelkomponenten – getrennte Umsatzrealisation vorgenommen wird. Bei einer einheitlichen Betrachtung ist die Realisation erst möglich, wenn alle Leistungen des Mehrkomponentenvertrags vollständig erbracht worden sind. Demgegenüber erlaubt die getrennte Umsatzrealisation, dass die identifizierten Teilleistungen des Mehrkomponentengeschäfts unter Berücksichtigung ihrer Realisationszeitpunkte realisiert werden. Eine eigenständige Umsatzrealisation der Teilleistung wird – in Anlehnung an E-DRS

17.41 f. – an die folgenden zwei Voraussetzungen geknüpft:

Trennbarkeit dem Grunde nach (sachliche Trennung)

Trennbarkeit der Höhe nach (wertmäßige Trennung).

Für die Trennbarkeit dem Grunde nach ist es erforderlich, dass der Kunde jeder festgestellten Einzelkomponente einen Wert beimessen kann (stand alone) oder der Kunde muss in der Lage sein, die identifizierte Teilleistung alleine und damit unabhängig von den restlichen Teilleistungen und des betrachtetem Mehrkomponentengeschäfts von verschiedenen Lieferanten beziehen und nutzen zu können. Dieser Teilbarkeit steht regelmäßig das Gesamtfunktionsrisiko entgegen, durch welches sich der Unternehmer verpflichtet, nicht nur die Funktionalität der Einzelleistungen, sondern der Gesamtleistung zu garantieren. Infolgedessen ist der Anspruch auf Gegenleistung aus den Teilleistungen nicht mehr quasi-sicher, wodurch die Teilgewinnrealisation zu versagen ist. An dieser Stelle treffen die zwei Rechnungslegungszwecke grundsätzlich konfligierend aufeinander. Die Ausschüttungsbemessungsfunktion verlangt für die Umsatzrealisation einen quasi-sicheren Anspruch, an welchem es beim Vorliegen eines Gesamtfunktionsrisikos mangelt. Den Adressaten wird bei Unzulässigkeit der Teilgewinnrealisation während der Durchführung des Mehrkomponentengeschäfts der zuzurechnende Gewinnausweis nicht angezeigt, wodurch der Periodenvergleich beeinträchtigt und der Einblick in die tatsächliche Ertragslage verhindert wird.

Ferner setzt die Trennbarkeit der Höhe nach voraus, dass das Gesamtentgelt des Mehrkomponentengeschäfts objektiv bestimmbar ist und verlässlich den Einzelkomponenten zugeordnet werden kann.

Können diese zwei Voraussetzungen kumulativ nicht erfüllt werden, ist eine separate Realisation ausgeschlossen und erst zulässig, wenn die letzte Leistung des Mehrkomponentengeschäfts vollständig erbracht worden ist. Folglich liegt bei Einhaltung der aufgezeigten Kriterien eine echte Gewinnrealisation der Einzelkomponenten vor, sodass dieses Vorgehen die Ausschüttungsbemessungsfunktion nicht konterkariert und die Informationsfunktion weitgehend erfüllt. Falls eine Teilgewinnrealisation unzulässig ist, wird die Entscheidungsunterstützungsfunktion beeinträchtigt.

 
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