Das aktivierende Handeln der Case Manager in der Sozialagentur Duisburg

In diesem und im folgenden Kapitel wird anhand zweier unterschiedlich situierter Fallstudien die Praxis des aktivierenden Handelns von Case Managern in den Sozialagenturen Duisburg und Mülheim auf der Grundlage des im letzten Kapitel entwickelten Forschungsdesigns beschrieben und charakterisiert. Im Folgenden wird die Anwendung der Methode ‚Case Management' in der Sozialagentur Duisburg untersucht. Hierzu wird zunächst das lokale Setting verdeutlicht, in dem die Case Manager aktivierend gehandelt haben (Abschnitt 6.1). Im Anschluss werden die beobachteten Unterstützungsverläufe vorgestellt (Abschnitt 6.2). Vor diesem Hintergrund wird die Praxis des aktivierenden Handelns der Case Manager analysiert (Abschnitt 6.3). Abschließend werden zentrale Befunde und Ergebnisse der Fallstudie zusammengeführt und bewertet (Abschnitt 6.4).

Das lokale Setting des aktivierenden Handelns

Das aktivierende Handeln der Case Manager der Sozialagentur Duisburg hat in einem bestimmten lokalen Setting stattgefunden, das im Folgenden näher beschrieben wird: dazu zählen in erster Linie das Konzept der Sozialagentur und seine Implementierung (Abschnitt 6.1.1), die Qualifikation und Motivation der Case Manager (Abschnitt 6.1.2) und ihre Einstellung zu den Zielen und der Methode ‚Case Management' der Sozialagentur (Abschnitt 6.1.3).

6.1.1 Das Konzept der Sozialagentur Duisburg und seine Implementierung

Die Case Manager hatten die aktivierende Unterstützung auf der Grundlage des Konzeptes der Sozialagentur durchzuführen. Im Folgenden werden die Ziele und Zielgruppen der Sozialagentur (Abschnitt 6.1.1.1), ihre Aufbauund Ablauforganisation, incl. der Zusammensetzung des Personals, (Abschnitt 6.1.1.2) und, mit besonderer Aufmerksamkeit, das von den Case Managern der Sozialagentur einzusetzende Konzept der Methode ‚Case Management' (Abschnitt 6.1.1.3) beschrieben. Parallel dazu wird die Umsetzung des Sozialagenturkonzeptes in der Laufzeit des Modellprojektes skizziert.

6.1.1.1 Die Ziele und Zielgruppen

Bereits vor der Teilnahme der Stadt Duisburg am Modellprojekt ‚Sozialagenturen – Hilfe aus einer Hand' hatte die Stadt damit begonnen, ihre Sozialhilfeverwaltung in Richtung einer die persönliche Hilfe aufwertende Unterstützung der Bedürftigen zu verändern. Es wurde angestrebt, Sozialhilfebedürftigkeit zu vermeiden, zu verkürzen und zu überwinden. Dabei spielten Überlegungen zur Reduzierung der Sozialhilfeausgaben eine wichtige Rolle. Diese Vorarbeiten, die u.a. in Zusammenarbeit mit der für Qualifizierung und Vermittlung von Sozialhilfeempfängern in Beschäftigung zuständigen kommunalen ‚Gesellschaft für Beschäftigungsförderung' (GfB) erfolgten und die Intensivierung der Kooperation zwischen Sozialamt und Arbeitsamt und die Entwicklung eines als „Soziales-Aktivierungs-Management“ bezeichneten Beratungskonzeptes umfassten, flossen in die Entwicklung des Sozialagenturkonzeptes der Stadt Duisburg ein. Die am 30. April 2002 eröffnete Sozialagentur Duisburg strebte folgende zentralen organisatorischen, fachlichen und wirtschaftlichen Ziele an:

• Schrittweiser Umbau des Sozialamtes in eine Sozialagentur,

• Vernetzung und Koordinierung der Unterstützungsangebote kommunaler Stellen und Dienste, des Arbeitsamtes und freier Träger,

• Intensivierung der vermeidungs und ausstiegsorientierten persönlichen Hilfe auf der Grundlage der Methode ‚Case Management' sowie die

• Senkung der Kosten der Sozialhilfeverwaltung und die Reduzierung der Sozialhilfeausgaben.

Im Rahmen des Konzeptes der Sozialagentur wurde die persönliche Hilfe als aktivierende Unterstützung im Sinne der Vorstellung des „Forderns und Förderns“ begriffen, wobei die sichernde Hilfe die persönliche Hilfe flankieren sollte. Gleichzeitig war vorgesehen, dass die Case Manager das Verhalten der Bedürftigen bei mangelnder Mitwirkung sanktionieren konnten.

Die Sozialagentur sollte alle Sozialhilfeempfänger, vor allem jene mit Aussicht auf ein Verlassen der Sozialhilfe, intensiver als bisher betreuen. Zur Hauptzielgruppe gehörten arbeitsfähige Bedürftige, die von der GfB entweder nicht zügig oder auf Grund bestimmter qualifikatorischer bzw. sozialer Defizite nicht absehbar auf den kommunalen Arbeitsmarkt zu vermitteln waren, Leistungsbezieher des Arbeitsamtes mit aufstockender Sozialhilfe und arbeitsfähige Bedürftige mit psychosozialen Problemlagen. Zu Letzteren wurden insbesondere alleinerziehende Frauen und Personen mit Sucht-, Schuldenund Wohnproblemen gezählt. Im ersten Jahr der Sozialagentur sollten die Case Manager alle arbeitsfähigen Bedürftigen, die zum 1. April 2002 erstmals einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hatten und jene arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger unterstützen, die über keinen existenzsichernden Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe verfügten.

Die im Zuge der gesetzlichen Neujustierung der Aufgaben der Arbeitsverwaltung einsetzende Veränderung der Kooperationsbeziehung zwischen der Sozialagentur und dem Arbeitsamt Duisburg führte ab dem Jahre 2003 zu einer Veränderung des zu unterstützenden Personenkreises. Vom Sommer 2003 bis zur Schließung der Sozialagentur am 30. April 2004 konzentrierte sich das Angebot der aktivierenden Unterstützung auf arbeitsfähige Bedürftige mit erheblichen qualifikatorischen und psychosozialen Vermittlungshemmnissen und wenig Aussicht auf eine Beschäftigung auf dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt.

6.1.1.2 Die Organisation

Obwohl die Sozialagentur Duisburg in der gemeinsamen Trägerschaft der Stadt Duisburg, dem Arbeitsamt Duisburg, der Gesellschaft für Beschäftigungsförderung Duisburg und der Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in Duisburg umgesetzt wurde, war die Kommune für den Betrieb der Sozialagentur federführend zuständig. Das Projekt ‚Sozialagentur – Hilfe aus einer Hand' war im Dezernat für Organisation und Personal, Bildung und Kultur der Stadt Duisburg angesiedelt. Projektverantwortlich waren neben dem Leiter des Dezernates, je ein leitender Mitarbeiter des Amtes für Soziales und Wohnen und des Jugendamtes, der Leiter des Arbeitsamtes und der Geschäftsführer der GfB. Der besondere Stellenwert des Sozialagenturprojektes kam darin zum Ausdruck, dass die Stadt, vertreten durch das Amt für Soziales und Wohnen, mit dem Arbeitsamt und der GfB eine förmliche Kooperationsvereinbarung schloss.

Die Sozialagentur Duisburg wurde in den Stadtteilen Neumühl, Laar / Beeck, Hochfeld und Buchholz als „dezentrale Dienstleistungszentren“ eingerichtet. Die einzelnen Zentren wurden an die Sozialämter der Bezirke Hamborn, Meiderich / Beeck, Mitte und Süd organisatorisch angebunden. Ihr Personal bestand zum einen aus einem festen Stamm von Mitarbeitern des Sozialamtes, wozu je ein oder zwei als Fallmanager bezeichnete Case Manager, je ein Sachgebietsleiter, ein oder zwei Arbeitsgruppenleiter und zwischen fünf und elf Sachbearbeiter zählten. Zum anderen bestand das Personal aus nach Bedarf tätig werdendem Fachpersonal verschiedener Ämter und Dienste der Stadtverwaltung und der übrigen Träger des Sozialagenturprojektes. Dazu gehörten jeweils ein Mitarbeiter für Wohnungsvermittlung, Familienhilfe, Kinderbetreuung, Suchtprophylaxe, Suchtberatung, Drogenberatung und amtsärztlichem Dienst, jeweils zwei Mitarbeiter der GfB und des Arbeitsamtes, sowie Mitarbeiter der freien Wohlfahrtspflege. In den Räumlichkeiten der Dienstleistungszentren der Sozialagentur waren zunächst fast ausschließlich Mitarbeiter des Sozialamtes untergebracht. Das übrige Fachpersonal sollte schrittweise mit ihnen unter einem Dach zusammengeführt werden.

Die Case Manager standen im Zentrum der Ablauforganisation der Sozialagentur. Ihre Tätigkeit war auf die Vermeidungsund Ausstiegsberatung von Ratsuchenden fokussiert. Auch waren sie für die soziale Sicherung der von ihnen betreuten Ratsuchenden zuständig und konnten bei Bedarf, insbesondere als Urlaubsund Krankheitsvertreter, in die normale Sozialhilfesachbearbeitung einbezogen werden. Darüber hinaus waren die Case Manager auch für die Effizienz der von ihnen bewilligten Maßnahmen zuständig. Die Arbeitsgruppenleiter der Sachbearbeiter waren gegenüber den Case Managern weisungsbefugt.

Im Unterschied zu den Sachbearbeitern wurden die Case Manager höher entlohnt. Sie hatten mit bis zu 70 Sozialhilfeempfängerhaushalten deutlich weniger Fälle zu bearbeiten und konnten ihre Tätigkeit sehr viel eigenverantwortlicher gestalten. In Bezug zu den in die Fallbearbeitung einbezogenen externen Beratern hatten die Case Manager eine hervorgehobene Stellung: Sie koordinierten die Fallarbeit und hatten die Gesamtverantwortung für den Fall inne. Die starke Stellung der Case Manager drückte sich auch darin aus, dass sie über Sitz und Stimme im Facharbeitskreis, dem zentralen geschäftsführenden Gremium der Sozialagentur, verfügten. Darüber hinaus nahmen sie über den von ihnen eingerichteten Qualitätszirkel auf die Sicherung und Entwicklung der Qualität ihrer Tätigkeit Einfluss.

Mit der im Zuge der Diskussion und den Beschlüssen der damaligen Bundesregierung zu den Reformen am Arbeitsmarkt auch in Duisburg einsetzenden Umstrukturierung der Arbeitsverwaltung zu einem ‚Job Profi Center' veränderte sich die Kooperationsbeziehung der Träger der Sozialagentur. Das Ausscheiden des Arbeitsamtes zum 30.4.2003 aus dem Trägerverbund führte zu einer erheblichen Verunsicherung der verbliebenen Träger und der Mitarbeiter der Sozialagentur. Im Sommer 2003 zeichnete sich für die Sozialagentur ab, dass sie ihre hervorgehobene koordinierende Stellung im lokalen Hilfesystem verlieren und sich zu einem spezifischen Anbieter für „Betreuungskunden des Job Centers“ wandeln würde. Parallel dazu zogen sich die GfB und die freien Träger schrittweise aus der Zusammenarbeit mit der Sozialagentur zurück. In der Folge büßten die Case Manager ihre koordinierende Funktion und ihre herausgehobene Stellung weitgehend ein. Fallkonferenzen fanden nun kaum noch statt. Das Arbeitsamt und auch die Sozialhilfesachbearbeiter der Sozialagentur betrachteten die Case Manager jetzt vor allem als Berater für schwierige Fälle.

6.1.1.3 Das Konzept der Methode ‚Case Management'

Die Sozialagentur Duisburg begriff das von ihr angewandte Konzept des ‚Sozialen Aktivierungsmanagements' (SAM) als „Casemanagement“-Konzept, welches im Sinne der von Claus Reis und seinen Mitarbeitern entwickelten Vorstellungen des „Unterstützungsmanagements“ für die Ratsuchenden und ihre sozialen Netzwerke mit dem „Systemmanagement“, das auf die Koordinierung, Steuerung und Entwicklung der Organisationen des lokalen Hilfesystems und ihrer Dienstleistungen zielt, verknüpft. Auf der Grundlage einer genauen Kenntnis der Lebenssituation der Ratsuchenden und ihres individuellen Hilfebedarfs sollte eine „angemessene und passgenaue Versorgung im Einzelfall“ hergestellt werden. Im Rahmen dieses Konzeptes, in dem sich die Case Manager in erster Linie als Vermittler zwischen dem Hilfebedarf der Ratsuchenden und dem Versorgungsangebot des lokalen Hilfesystems zu verstehen hatten, sollte die Beziehung zwischen den Case Managern und den Ratsuchenden auf dem Grundsatz des „Forderns und Förderns“ basieren. Während unter „Fordern“ zu verstehen war, von den Ratsuchenden ihre Mitwirkung an der Bearbeitung und Überwindung der Bedürftigkeit einzufordern, wurde unter „Fördern“ vor allem begriffen, die Ratsuchenden zum Gebrauch ihrer Potentiale und Ressourcen zu motivieren, ihnen Hilfe bei der Überwindung von Schwierigkeiten auf dem Weg der Problemlösung anzubieten und ihnen den Zugang zu den Ressourcen des lokalen Hilfesystems zu ermöglichen. Zur Durchsetzung der Mitwirkungspflicht der Ratsuchenden sollten die Case Manager auch die Möglichkeit haben, das Verhalten der Ratsuchenden zu sanktionieren. Deshalb war vorgesehen, „persönliche und wirtschaftliche Hilfen [...] stärker miteinander [zu koppeln; Hinweis: Einfügung B.H.] [...], d.h. die Art und Höhe der wirtschaftlichen Hilfen [...] auch an der Kooperationsbereitschaft des Hilfeempfängers [zu orientieren; Hinweis: Einfügung B.H.]". Aus diesem Grund sollten die Case Manager nicht nur persönliche Hilfe leisten, sondern als Sachbearbeiter auch die wirtschaftlichen Hilfen bewilligen.

In Anlehnung an das Konzept der Methode ‚Case Management' von Claus Reis und seinen Mitarbeitern sollte der Prozess der aktivierenden Unterstützung in der Sozialagentur Duisburg in vier hintereinander geschalteten Schritten ablaufen: „Erstkontakt (Schritt 1)“, „Assessment (Schritt 2)“, „Hilfeplanung (Schritt 3)“ und „Prozessbeobachtung und -steuerung (Schritt 4)“, wobei die Schritte 3 und 4 in enger Rückkoppelung zueinander stehen sollten. Als Instrumente der Unterstützung sollten die „Sozialanamnese“, in der u.a. beruflicher Werdegang, Potentiale, Ressourcen und Defizite der Ratsuchenden erhoben werden, die „Hilfeplanung“, in der die Ziele und Schritte der Hilfe ermittelt und in einer „Hilfevereinbarung“ festgelegt werden, sowie die „Evaluation“, in der die Wirksamkeit dieser Hilfen überprüft wird, eingesetzt werden. Zur Koordination und Steuerung von Hilfen verschiedener Akteure des lokalen Hilfesystems war das Instrument der „Fallkonferenz“ vorgesehen.

Die Sachbearbeiter der einzelnen Dienstleistungszentren wiesen den dort tätigen Case Managern die Ratsuchenden zu. Sie sollten bis zu sechs Monate unterstützt werden. Konnte in diesem Zeitraum eine Verselbständigung der Ratsuchenden aus der Sozialhilfe nicht erreicht werden, sollten sie in die sichernde Hilfe abgegeben werden. Bestand bei einem Ratsuchenden Aussicht auf Verselbständigung, konnte der Case Manager in Absprache mit dem Arbeitsgruppenleiter den Fall auch über diesen Zeitraum hinaus betreuen.

6.1.2 Die Qualifikation und Motivation der Case Manager

Die Case Manager waren bis zu ihrem Wechsel in die Sozialagentur viele Jahre als Sachbearbeiter der Sozialhilfe im Sozialamt der Stadt Duisburg tätig gewesen. Sie waren zwischen 30 und 50 Jahren alt und mehrheitlich Frauen. Die Case Manager hatten die für die kommunale Verwaltungslaufbahn in Nordrhein-Westfalen obligatorische Fachausbildung absolviert. Vier von ihnen hatten zudem an der Verwaltungsfachhochschule des Landes das Studium zum Diplom-Verwaltungswirt erfolgreich abgeschlossen. Zum Zeitpunkt ihrer Beschäftigung bei der Sozialagentur waren vier Case Manager als Beamte und einer als Angestellter in Vollzeit tätig.

Die Case Manager wurden in einem Assessmentverfahren für die Arbeit in der Sozialagentur ausgewählt. Im Rahmen des Modellprojektes „Sozialagenturen – Hilfe aus einer Hand“ absolvierten sie eine 17tägige Fortbildung in der Methode ‚Case Management', die von der Firma COM.CAT berufsbegleitend durchgeführt wurde. Ein Case Manager schloss diese Ausbildung im September 2001, drei im August 2002 und einer im März 2003 ab. Darüber hinaus nahmen alle Case Manager an Hospitationen bei den mit der Stadt Duisburg kooperierenden Partnern der Sozialagentur teil: zwei Tage bei der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes, drei Tage bei der GfB in den Bereichen Arbeitsvermittlung, Jobbörse, Arbeit statt Sozialhilfe und berufliche Qualifizierung und zwei Tage bei der Schuldnerberatung eines freien Trägers. Außerdem hospitierten die Case Manager zwei Tage bei der Ausstiegsberatung des Sozialamtes Köln. Eine Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen fand im Rahmen eines Qualitätszirkels der Case Manager, in der u.a. auch eine kollegiale Beratung durchgeführt wurde, über den kontinuierlichen Erfahrungsaustausch mit anderen Modellprojekten desselben Programms, vor allem mit der Sozialagentur Bielefeld und mit dem Sozialamt Köln statt.

Als Gründe für den Wechsel in die Sozialagentur gaben alle Case Manager an, dass sie eine „neue berufliche Herausforderung“ suchten und am Erwerb „zusätzlicher Qualifikationen“ interessiert waren. Darüber hinaus zeigten sich vier der fünf Case Manager davon überzeugt, mit ihrem Wechsel eher eine „wirksame[re]“ und „menschenwürdige[re]“ Hilfe leisten zu können. Der Anreiz eines „höheren Einkommens“ wurde nur von einem Case Manager als Grund für den Wechsel genannt. Das Ergebnis der Befragung verweist darauf, dass bei den Case Managern der Wunsch nach beruflicher Weiterentwicklung und fachliche Motive im Mittelpunkt ihrer Entscheidung gestanden haben, für die Sozialagentur tätig zu werden. Ein ähnliches Bild zeigte sich, als die Case Manager nach ihren Erwartungen an die Ausbildung in der Methode ‚Case Management' gefragt wurden: am höchsten priorisierten sie die Erwartung, zu„bedürfnisgenauer Hilfe“ angeleitet zu werden, dicht gefolgt von der Erwartung, eine „zusätzliche Qualifikation“ zu erwerben und „menschenwürdige Hilfe“ leisten zu können.

Die Case Manager zeigten sich mit ihrer Ausbildung im Case Management überwiegend „zufrieden“. In der beruflichen Praxis schätzten sie vor allem den größeren Spielraum für eine eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Tätigkeit hoch ein. Allerdings beklagten sie sich über ihre zusätzliche Verpflichtung zur Krankheitsund Urlaubsvertretung in der Sachbearbeitung der Sozialagentur, die ihre eigentliche Tätigkeit zum Teil erheblich einschränken würde, sowie über Konflikte mit Arbeitsgruppenleitern, die ihnen gegenüber weisungsbefugt seien, obwohl sie nicht über eine Ausbildung in der Methode ‚Case Management' verfügten. Darüber hinaus lassen Äußerungen einzelner Case Manager gegenüber dem Beobachter darauf schließen, dass die seit Sommer 2003 in der Sozialagentur eingetretenen strukturellen Veränderungen und die damit einhergehenden Rückwirkungen auf ihre Tätigkeit, die Arbeitszufriedenheit der Case Manager negativ beeinflussten.

6.1.3 Die Zielpräferenzen der Case Manager

Es ist anzunehmen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der Ziele der Sozialagentur in der aktivierenden Unterstützung durch die Case Manager und dem von ihnen zugeschriebenen Stellenwert der Ziele besteht. Im Folgenden soll dieser Stellenwert auf der Grundlage einer Befragung der Case Manager bestimmt werden. Hierzu werden die Antworten der Case Manager auf die Fragen C9, E12 und E13 ausgewertet.

Im ersten Bearbeitungsschritt wird die von den Case Managern vorgenommene Priorisierung der drei für die aktivierende Unterstützung am wichtigsten angesehenen Ziele der Sozialagentur und die ihnen zuordenbaren Zielbereiche ‚Hilfesystem', ‚Überwindung der Sozialhilfebedürftigkeit', ‚Koproduktion', ‚Hilfequalität' und ‚Wirtschaftlichkeit der Hilfe' in den Blick genommen:

Tabelle 5: Wichtigkeit der Ziele und Zielbereiche der Sozialagentur Duisburg in der Wahrnehmung der Case Manager nach Rang

Wichtigkeit (nach Rang)

Ziel

Zielbereich

1

Verbesserung der Lebenssituation Wirksame Hilfe

Wirksame Hilfe

Hilfequalität (3)

Anbieten passgenauer Hilfen

Hilfesystem (1)

Förderung der Selbsthilfeprozesse

Koproduktion (1)

2

Verselbständigung Verselbständigung

Überwindung der Sozialhilfebedürftigkeit (2)

Stärkung der Eigenverantwortung der Hilfeempfänger

Eigenverantwortlichkeit der Ratsuchenden entwickeln

Koproduktion (2)

Individuelle Hilfestellung

Hilfesystem (1)

3

Leben ohne Sozialhilfe

Überwindung der Sozialhilfebedürftigkeit (1)

Gemeinsame Absprachen

Koproduktion (1)

Kostensenkung

Wirtschaftlichkeit der Hilfe (1)

Aus den Zielbereichen, der Zahl der Ziele pro Zielbereich und der Verteilung der Ziele und Zielbereiche nach Rang lassen sich folgende Einschätzungen zu den Zielpräferenzen der befragten Case Manager geben:

• Die Zielpräferenzen der Case Manager streuen über die Zielbereiche Hilfequalität, Hilfesystem, Koproduktion, Überwindung der Sozialhilfebedürftigkeit und Wirtschaftlichkeit der Hilfe.

• Die Case Manager priorisieren die Ziele des Zielbereiches ‚Hilfequalität' am höchsten. Sie streben eine ‚wirksame Hilfe' für die Ratsuchenden an.

• Auch die Ziele des Zielbereiches ‚Koproduktion' sind für die Case Manager von großer Bedeutung. Einen mittleren Stellenwert nehmen für sie Ziele der Zielbereiche ‚Hilfesystem' und ‚Überwindung der Sozialhilfebedürftigkeit' ein.

• Die Case Manager schreiben dem Zielbereich ‚Wirtschaftlichkeit der Hilfe' eine geringe Bedeutung zu.

Im zweiten Bearbeitungsschritt werden die Antworten der Case Manager auf die Fragen ‚E 12' und ‚E 13' des Fragebogens ausgewertet. Zur Beantwortung dieser Fragen wurde den Case Managern eine Liste mit fünfzehn Unterstützungszielen (Ziele ‚a – o') vorgelegt, die die Zielbereiche ‚vorbeugende Hilfe' (Ziel ‚b'), ‚Hilfe für ein menschenwürdiges Leben' (Ziel ‚h'), ‚Überwindung der Sozialhilfebedürftigkeit' (Ziele ‚f, l'), ‚Koproduktion' (Ziele ‚a,c,e,g,j,n,o') und ‚Wirtschaftlichkeit der Hilfe' (Ziele ‚d,i,k,m') umfasste. Aus dieser Liste sollten die Case Manager jene Ziele ankreuzen, die auf ihre Tätigkeit in der Sozialagentur zutreffen, sie nach Wichtigkeit bewerten („sehr wichtig“, „wichtig“, „eher unwichtig“, „unwichtig“) und die nach ihrer Meinung wichtigsten fünf Ziele priorisieren.

Alle Case Manager stuften die Ziele der Zielbereiche ‚vorbeugende Hilfe' und ‚Überwindung der Sozialhilfebedürftigkeit' entweder als „sehr wichtig“ oder als „wichtig“ ein, wobei die Ziele des letzteren Zielbereiches von einer Mehrzahl der Case Manager als „sehr wichtig“ angesehen wurden. Das Ziel des Zielbereiches ‚Hilfe für ein menschenwürdiges Leben' wurde von den Case Managern überwiegend entweder als „sehr wichtig“ oder als „wichtig“ wahrgenommen. Die Ziele des Zielbereiches ‚Koproduktion' stuften sie entweder als „sehr wichtig“ oder als „wichtig“ ein, wobei die Case Manager alle Ziele dieses Zielbereiches mehrheitlich als „sehr wichtig“ bewerteten. Demgegenüber sahen sie die Ziele des Zielbereiches ‚Wirtschaftlichkeit der Hilfe' mehrheitlich als „eher unwichtig“ an.

Aus der Zuordnung der Ziele zu den fünf wichtigsten Zielen der aktivierenden Unterstützung und aus ihrer Verteilung nach Priorität ist zu erkennen, dass die Case Manager die Entwicklung der Selbsthilfekräfte der Ratsuchenden (Ziel ‚c'), die Entwicklung ihrer Eigenverantwortung (Ziel ‚n') und die Verselbständigung der Ratsuchenden durch die Aufnahme einer Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt (Ziel ‚l') hoch priorisierten.

In der Zusammenschau der Befunde ist zu erkennen, dass die Case Manager anstrebten, die Ratsuchenden wirksam zu unterstützen, ein Leben ohne Sozialhilfeleistungen zu führen. Hierzu sollten ihre Selbsthilfekräfte entwickelt und die Eigenverantwortung für die Bearbeitung ihrer Problemsituation gestärkt werden. In der Aufnahme einer Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt sahen die Case Manager den Schlüssel zur Überwindung der Sozialhilfebedürftigkeit der Ratsuchenden. Das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Unterstützung hatte für die Case Manager einen tendenziell niedrigen Stellenwert.

 
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