Der Hamburger„Staatsvertrag“ mit islamischen Verbänden als Beitrag zur Inclusive City? Eine ethnographische Annäherung
Laura Haddad
Im Sommer 2012 gab der Hamburger Senat die vertragliche Einigung mit drei großen islamischen Verbänden und der Alevitischen Gemeinde bekannt. Dieser Grundlagenvertrag wurde von allen Beteiligten als Schritt hin zu institutioneller Anerkennung des Islam in Hamburg bezeichnet. Wie hier ausgeführt werden soll, dient der Vertrag nicht nur der Anerkennung sondern vor allem der Vereinheitlichung und Bürokratisierung des Islam in Hamburg. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern er als Beitrag zur Inclusive City bewertet werden kann.
Als Hafen- und Handelsstadt ist Hamburg bereits seit Jahrhunderten ein Ort, an dem Waren und Menschen ein- und ausgehen. Diese Tradition der Mobilität und Vielfalt wird von Hamburgerinnen gern zum Anlass genommen, ihre Stadt als kosmopolitisch, weltoffen und tolerant zu beschreiben (Vgl. Scholz 2012). Aber werden Fluidität und Diversität hier tatsächlich politisch anerkannt oder skizzieren diese Schlagworte nur den Idealtypus der Inclusive City, den sich Politik und Stadtmarketing zu Eigen machen wollen?
Im Zentrum dieses Aufsatzes stehen die Ergebnisse meiner empirischen Studie, in der ich den Entstehungsprozess des „Staatsvertrags“[1] und die Diskurspositionen der Beteiligten erforsche. Untersucht wird, wie Politiker und Verwaltungsbeamte sowie Vertreter der Religionsverbände für die Schaffung einer vertraglichen Regelung argumentieren und welche soziale Wirkung sie ihr zuschreiben. [2] Dabei orientiere ich mich an der „kulturalistischen Diskursforschung“ (Keller 2011, S. 35), die sich in Anschluss an die „Theorie der Praxis“ von Pierre Bourdieu (1976) entwickelt hat und den Beitrag von Akteuren in der Produktion von sozialer Ordnung betont. Diese vollzieht sich u.A. über den Rückbezug auf bestehende Paradigmen und die Neuausrichtung von Problemdefintionen. Die Möglichkeiten der Akteure, Wirklichkeit diskursiv herzustellen, werden durch ihre Positionen im sozialen Raum bedingt. Dabei spielt die gesellschaftliche Legitimierung der Akteure eine zentrale Rolle, die hier kritisch beleuchtet werden soll.
- [1] Der Begriff „Staatsvertrag“ ist in diesem Zusammenhang juristisch umstritten. Um dies zu betonen, setze ich den Begriff im Folgenden in Anführungszeichen.
- [2] Ausgerichtet an der Methodologie der Grounded Theory und damit in einen zirkulären Forschungsprozess eingebunden (vgl. Przyborski und Wohlrab-Sahr 2010, S. 189), habe ich leitfadengestützte, offene Experteninterviews mit den beteiligten Akteuren aus Politik und Verbänden geführt. Des Weiteren dienen mir die Verträge, Protokolle der Bürgerschaftssitzungen, des Verfassungsausschusses und Mitteilungen des Senats an die Bürgerschaft als empirische Quellen.