Die beobachteten Verläufe der aktivierenden Unterstützung

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Die Untersuchung des Handelns der Case Manager der Sozialagentur Mülheim wird auf der Grundlage beobachteter Verläufe der aktivierenden Unterstützung vorgenommen. In diesem Abschnitt werden zunächst zentrale Merkmale des Fallsamples und demographische Merkmale der Ratsuchenden zum Beginn der Unterstützung beschrieben (Abschnitt 7.2.1). Anschließend wird der exemplarische Fall des Samples bestimmt, zentrale Merkmale seines Verlaufs dargestellt und der unterstützte Ratsuchende nach demographischen Merkmalen und nach seiner Lebenssituation beschrieben (Abschnitt 7.2.2).

7.2.1 Das Fallsample

Im Rahmen der Sozialagentur Mülheim wurden sieben Verläufe aktivierender Unterstützung beobachtet. Die Fälle wurden auf Vorschlag der Case Manager ausgewählt. An der Unterstützung nahmen acht Case Manager der Sozialagentur in unterschiedlicher Funktion und Häufigkeit teil. Der durchschnittliche Zeitraum der Unterstützung lag bei 137,8 Tagen. Die Dauer der einzelnen Unterstützungen schwankte zwischen 52 und 203 Tagen. Im Rahmen der Verläufe vereinbarten die Case Manager mit den Ratsuchenden insgesamt 51 Unterstützungsgespräche. Davon haben 34 Gespräche stattgefunden. Der Beobachter nahm an 25 Gesprächen teil. Die Gespräche dauerten durchschnittlich 44,2 Minuten. Ihr zeitlicher Umfang schwankte zwischen 12 und 92 Minuten. Die Case Manager schlossen vier der sieben Fälle ab: in drei Fällen wurde auf Grund der Wiedererlangung existenzsichernden Einkommens der Ratsuchenden durch Transferleistungen, durch Transferzahlungen und einem Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung sowie durch die Aufnahme einer befristeten Beschäftigung und in einem Fall auf Grund einer Haftstrafe des Ratsuchenden der Sozialhilfebezug beendet.

In den beobachteten Fällen unterstützten die Case Manager acht Ratsuchende. Zu Beginn des Case Managements standen fünf Ratsuchende einem Haushalt vor drei Alleinstehendenhaushalte, ein Paarund ein Alleinerziehendenhaushalt -, ein Ratsuchender lebte im Haushalt von Freunden, ein weiterer in einem Wohnheim.

Unmittelbar und mittelbar waren zwölf Personen, acht Erwachsene und vier Kinder und Jugendliche, von der Unterstützung betroffen. Von den Haushaltsvorständen und den Ratsuchenden ohne eigenen Haushalt waren drei männlichen und vier weiblichen Geschlechts. Alle Ratsuchende hatten die deutsche Staatsbürgerschaft. Das Durchschnittsalter der Haushaltsvorstände und der Ratsuchenden ohne eigenen Haushalt lag bei 25 Jahren. Ihr Alter streute zwischen 18 und 38 Jahren. Fünf Ratsuchende waren ledig, einer war geschieden und einer lebte von seinem Partner getrennt.

7.2.2 Der exemplarische Fall

Zur detaillierten Beschreibung der Gestaltung des Musters der Anwendung der Methode ‚Case Management' im Fallsample der Sozialagentur Mülheim wird ihr exemplarischer Fall bestimmt. Dies geschieht analog zu der in der Fallstudie ‚Sozialagentur Duisburg' beschriebenen Vorgehensweise:

Tabelle 31: Bestimmung des exemplarischen Falls des Fallsamples der Sozialagentur Mülheim

Beobachtungskategorie

Ausprägung

Fallsample

Fall

7

8

9

10

11

12

13

Thematisierung der Prozessschritte

Die Case Manager thematisieren eine Mehrzahl der Prozessschritte der Methode ‚Case Management'.

X

-

X

X

X

X

X

Bearbeitungstiefe

Die Case Manager unterstützen die Ratsuchenden überwiegend lebenslagenbezogen.

X

X

X

-

-

-

X

Einbezug des Ratsuchenden

Die Case Manager beteiligen die Ratsuchenden überwiegend ‚sehr stark' und ‚stark' an der Unterstützung.

X

X

-

-

X

X

X

Wahrnehmung anwaltlicher, informierender und vermittelnder Unterstützungsaufgaben

Die Case Manager nehmen am häufigsten informierende, am zweithäufigsten anwaltliche und am dritthäufigsten vermittelnde Unterstützungsaufgaben wahr.

X

X

X

-

X

-

-

Wahrnehmung der befähigenden Rolle

Die Case Manager nehmen Handlungsdimensionen der ‚befähigenden Rolle' häufiger als Handlungsdimensionen der ‚direktiven Rolle' wahr.

X

X

X

-

X

-

X

Thematisierung der Unterstützungsinstrumente

Die Case Manager teilen zentrale Regeln der Methode ‚Case Management' mit und setzen einen Anamnesefragebogen und einen Hilfeplan ein.

X

-

X

X

X

X

X

Alle

Muster der Anwendung der Methode ‚Case Management'.

6

4

5

2

5

3

5

Anhand von Tabelle 31 ist zu erkennen, dass Fall 7 die größte Übereinstimmung mit dem Muster der Anwendung der Methode ‚Case Management' im Fallsample zeigt. Er stellt deshalb den exemplarischen Fall des Samples dar.

Der Unterstützungsprozess des exemplarischen Falls begann am 7.12.2002 und endete am 31.5.2003 mit dem Ausscheiden der Ratsuchenden aus der Sozialhilfebedürftigkeit. Nach Rückkehr des Ehemanns in die gemeinsame Wohnung verfügte die Familie wieder über ein existenzsicherndes Einkommen. Das Case Management erstreckte sich über einen Zeitraum von 166 Tagen. Damit lag seine Dauer unter dem Durchschnitt der Unterstützungsdauer für alle Fälle des Samples und höher als der Durchschnitt der Unterstützungsdauer der abgeschlossenen Fälle. Die Case Manager vereinbarten insgesamt acht Unterstützungsgespräche mit der Ratsuchenden. Davon fanden fünf Gespräche statt. An vier Unterstützungsgesprächen nahm der Beobachter teil.

Zu Beginn der aktivierenden Unterstützung war die Ratsuchende 35 Jahre alt, deutsche Staatsangehörige und in zweiter Ehe verheiratet. Sie lebte zusammen mit ihren drei Kindern, von denen zwei im schulpflichtigen Alter waren, in einer Mietwohnung. Anfang Dezember 2002 trennte sich Frau Mader von ihrem Ehemann, reichte die Scheidung ein und beantragte laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Bereits gegen Ende der Jahre 2000 und 2001 war eine solche Entwicklung eingetreten. Im Frühjahr des jeweils folgenden Jahres hatte sie sich wieder mit ihrem Mann versöhnt und war nach seiner Rückkehr in die gemeinsame Wohnung nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen.

Frau Mader ist gesundheitlich stark beeinträchtigt. In den beiden zurückliegenden Jahren hatte sie sich psychiatrisch-psychologisch behandeln lassen. Ihre Neurodermitis hatte sich verschlimmert. Die abermalige Trennung von ihrem Ehemann, die Versorgung ihrer Kinder und die Betreuung ihrer pflegebedürftigen Mutter belasteten sie körperlich und psychisch schwer. Von Verwandten oder Freunden erfuhr sie wenig Unterstützung.

Die Ratsuchende hatte die Hauptschule mit einem qualifizierten Abschluss abgeschlossen. Eine Ausbildung absolvierte sie nicht. Bis zur ersten Trennung von ihrem Ehemann Ende 2000 war Frau Mader Hausfrau gewesen. Im März 2001 begann sie eine vom Arbeitsamt geförderte Ausbildung zur Altenpflegerin. Auf Grund der schwierigen häuslichen Situation – u.a. geprägt durch Konflikte mit ihrem Ehemann und der Straffälligkeit ihres ältesten Sohnes – brach sie die Ausbildung nach wenigen Monaten ab. Zu Beginn des Case Managements lebten Frau Mader und ihre Kinder von Sozialhilfe und Kindergeld. Zusammen mit ihrem getrennt lebenden Ehemann hatte sie über Privatkredite für Autos, Urlaubsreisen, den Kauf eines PCs und Geschenke für ihre Kinder ca. 30000 € Schulden angehäuft. Für ihre Zukunft wünschte sich Frau Mader ein selbstbestimmteres und von ihrem Mann unabhängiges Leben. Deshalb beabsichtigte sie, vormittags als Altenpflegerin zu arbeiten und sich von ihrem Mann scheiden zu lassen.

 
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