Zusammenfassung

Table of Contents:

Im Folgenden werden zentrale Befunde und Ergebnisse der Fallstudie vor dem Hintergrund der in Abschnitt 1.2 entwickelten Fragestellung der Untersuchung und den in Abschnitt 5.1 genannten Forschungsfragen zusammengeführt. Dabei wird zunächst die Ausrichtung des aktivierenden Handelns der Case Manager des Fallsamples im Spiegel ihrer Anwendung der Methode ‚Case Management' bestimmt und im Anschluss Einflüsse auf dieses Handeln benannt. Abschließend wird eine Einschätzung zur Förderung der Entwicklung der Selbsthilfekräfte und der Selbstorganisation der Ratsuchenden durch das aktivierende Handeln der Case Manager des Fallsamples der Sozialagentur Mülheim an der Ruhr vorgenommen.

Expertenorientierte Ausrichtung des aktivierenden Handelns der Case Manager

Die beobachteten Case Manager haben auf der Grundlage des Case ManagementKonzeptes der Sozialagentur aktivierend gehandelt. Dabei ist es ihnen wichtig gewesen, die Lebensund Problemsituation der Ratsuchenden breit und facettenreich zu erfassen. Daneben haben die Case Manager Wert darauf gelegt, die Ziele der Unterstützung und den Hilfeplan aus den Befunden der Anamnese abzuleiten und entlang des zentralen fachlichen Ziels der Sozialagentur, das den schrittweisen Abbau von Barrieren und parallel dazu den Aufbau einer stabilen und nachhaltigen Erwerbsperspektive mit Ausblick auf den ersten Arbeitsmarkt vorsieht, zu entwickeln und umzusetzen. Hierbei haben die Case Manager die Transparenz des Verfahrens der Aktivierung und besonders seine formal korrekte Anwendung betont. Letzteres hat zu einer tendenziell starren, regelgeleiteten Handhabung der Methode ‚Case Management' geführt, die die Mitarbeit der Ratsuchenden gebremst und zum Teil behindert hat.

Im Prozess des Case Managements nahmen die Case Manager überwiegend eine ‚befähigende Rolle' ein, die anwaltlich konturiert war. Allerdings zeigen die Befunde auch eine ausgeprägte Heterogenität und Ambivalenz zwischen ‚befähigenden' und ‚direktiven' Rollenanteilen. Die Analyse zum aktivierenden Handeln der Case Manager im exemplarischen Fall lässt erkennen, dass sie sowohl in entscheidungsrelevanten Phasen des Case Managements, wie der Festlegung der Unterstützungsziele und

des Hilfeplans, als auch in der Umsetzung des Hilfeplans direktive Rollenanteile betonten. Diese Ambivalenz bildete sich auch in der Zusammenarbeit der Case Manager mit den Ratsuchenden ab: zwar war das Case Management insgesamt von einer partizipativen Grundstimmung geprägt, doch zeigten sich insbesondere in weichenstellenden Phasen der Unterstützung und bei konflikthaften Beratungssituationen eine eher hierarchische Ausrichtung des Verhaltens und Handelns der Case Manager gegenüber den Ratsuchenden. Die Befunde zur Rolle der Case Manager und ihrer Zusammenarbeit mit den Ratsuchenden lassen keine systematischen Unterschiede zwischen Sachbearbeitern der Sozialhilfe und Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagogen der Jugendhilfe erkennen. Obwohl dieses unerwartete Ergebnis mit dem Tandem-Modell der Unterstützung in Zusammenhang stehen könnte, die das wechelseitige Lernen von Sachbearbeitern und Fachkräften der Sozialen Arbeit begünstigt haben dürfte, legt der Befund auf Grund der sehr schmalen Datengrundlage nicht nahe, dass es zwischen diesen Gruppen von Case Managern keine systematischen Unterschiede in ihrem aktivierenden Handeln gab. Allerdings weist der Befund doch darauf hin, dass der professionelle Hintergrund der Case Manager nicht notwendig einen bestimmten Zusammenhang zu ihrer Praxis der Förderung der Eigenkräfte arbeitsfähiger Bedürftiger zulässt.

Obwohl die Case Manager in ihrem aktivierenden Handeln weitgehend auf die Androhung oder sogar die Verhängung einer Kürzung der Sozialhilfe verzichtet haben, ist doch vereinzelt ein solcher Zusammenhang hergestellt worden. Im Rahmen des exemplarischen Falls haben die Case Manager jedoch weder direkt noch indirekt die materielle Unterstützung der Ratsuchenden in Frage gestellt. Daneben zeigte sich, dass über das Tandem-Modell der Unterstützung auch materielle Fragen der Ratsuchenden zum Gegenstand des Case Managements werden konnten.

Insgesamt ist zu erkennen, dass die Case Manager aus ihrem Selbstverständnis als Experten für Problemlösungen heraus die Ratsuchenden entlang ihres Bedarfs beraten und unterstützt haben. Dabei zeigte sich die Tendenz, wie insbesondere die Analyse des exemplarischen Falls nahe legt, dass die Case Manager, vor allem jene mit einer Ausbildung in Sozialer Arbeit, ihre eigenen Ansätze der Problemlösung gegenüber denen der Ratsuchenden favorisierten. Die Betonung der je spezifischen Professionalität, gepaart mit einer institutionell antizipierten Erfolgserwartung an die Unterstützung, führte bei den Case Managern zu einer mehr oder weniger ausgeprägten paternalistischen Haltung gegenüber den Ratsuchenden, die die Atmosphäre der Zusammenarbeit gefärbt, mitunter sogar geprägt hat.

Institutionelle, organisatorische und beraterbezogene Einflüsse auf das aktivierende Handeln der Case Manager

In Bezug zu den Zielen der Sozialagentur und der Gestaltung des Unterstützungssystems ist zu erkennen, dass die Case Manager primär den institutionellen Auftrag hatten, die aktivierende Unterstützung effektiv zu erbringen. Die Unterstützung sollte zum einen klientennah, orientiert an ihrem tatsächlichen Bedarf und den dazu passgenauen Unterstützungsangeboten, erbracht werden und zum anderen, wenigstens auf mittlere Sicht, auch zu Einsparungen führen. Die Befunde zu den Zielpräferenzen der Case Manager zeigen, dass die Case Manager des Samples den Teilauftrag der klientennahen Unterstützung aufgegriffen und angenommen haben. Dagegen haben sie den zweiten, auf die Wirtschaftlichkeit der Unterstützung zielenden Teilauftrag uneinheitlich bewertet. Inwieweit sich die Einschätzungen der Case Manager in ihrem aktivierenden Handeln niedergeschlagen haben, ist im Rahmen der Studie nicht explizit untersucht worden. Allerdings lassen die Befunde zum Rollenprofil der Case Manager vermuten, dass der Auftrag der klientennahen Unterstützung umgesetzt worden ist.

Organisatorische Rahmenbedingungen der Sozialagentur haben das aktivierende Handeln der Case Manager beeinflusst. So zielte das Case Management-Konzept auf eine individuelle Beratung und Begleitung der Ratsuchenden. Dazu zählten auch die Information über und der Verweis auf Einrichtungen des lokalen Hilfesystems, sowie das Angebot der Case Manager bei der Kontaktaufnahme behilflich zu sein. Dagegen gehörten die Akquise von Beschäftigungsangeboten und die Vermittlung der Ratsuchenden in Erwerbsarbeit nicht zu den Kernaufgaben der Case Manager. Diese Aufgaben nahm die eigens für diesen Zweck geschaffene städtische ‚Job Service Gesellschaft' (JSG) wahr. Die Befunde der Untersuchung zeigen, dass sich das aktivierende Handeln der Case Manager schwerpunktmäßig auf ihre Kernaufgaben bezogen hat. Allerdings ist auch zu erkennen, dass die Case Manager bei Bedarf eine Vermittlung in Erwerbsarbeit unterstützt haben. Dies stand mit der in der Aufbauphase von Sozialagentur und JSG noch nicht etablierten Zusammenarbeit in Zusammenhang.

Auch das Tandem-Modell des Case Managements hat das aktivierende Handeln der Case Manager beeinflusst. Befunde hierzu aus dem exemplarischen Fall verweisen auf eine mit diesem Organisationsmodell der Unterstützung verbundene Ambivalenz des aktivierenden Handelns: abhängig vor allem von den unterschiedlichen professionellen Logiken der Sozialhilfesachbearbeiter einerseits und der Fachkräfte der Sozialen Arbeit andererseits und ihren Vorstellungen über die im Case Management zu bearbeitenden Themen, sowie abhängig von dem persönlichen Verhältnis der Case Manager zueinander, konnten etwa eine umfassende und integrative Bearbeitung der Problemsituation der Ratsuchenden begünstigt oder behindert werden, die Beratungsatmosphäre durch konflikthafte Tendenzen in der Zusammenarbeit der Case Manager gestört sein oder die Kräfteverhältnisse in der Beratung durch die obligatorische Teilnahme von zwei Case Managern zu Gunsten oder zu Ungunsten der Ratsuchenden verstärkt werden.

Die starre und regelbetonte Handhabung der Methode ‚Case Management' im exemplarischen Fall lässt erkennen, dass dies zum einen mit dem administrativen Kontext, in der die Methode zum Einsatz gekommen ist, und zum anderen mit mangelnder Erfahrung der Case Manager in der Anwendung des Case Managements, z.T. auch mit unzureichenden Grundkenntnissen der Methode, in Zusammenhang gestanden hat.

Partielle Förderung der Entwicklung der Selbsthilfekräfte und der Selbstorganisation der Ratsuchenden

Sowohl das Zielsystem der Sozialagentur als auch ihre Antizipation und Umsetzung im aktivierenden Handeln der Case Manager waren auf eine effektive Erbringung der Unterstützung der Ratsuchenden ausgerichtet. Dabei wurde ein klientennahes, aber kein im Sinne von David Moxley ‚klientenorientiertes Case Management' angestrebt und praktiziert. Im Mittelpunkt des aktivierenden Handelns der Case Manager stand weniger eine an den Lösungsansätzen der Ratsuchenden orientierte Bearbeitung der Problemsituation, als vielmehr ein von den Case Managern favorisierter und als gangbar angesehener Lösungsweg. Dahinter verbarg sich eine zur effektiven Erbringung der Unterstützung funktionale Haltung der Case Manager, in der sich eine Überlegenheit als Experte für Problemlösungen gegenüber der Lösungskompetenz von Ratsuchenden ausdrückte. Freilich bedeutete dies nicht notwendig, dass die Case Manager den Ratsuchenden keinen Raum bei der Suche, Festlegung und Umsetzung eigener Ansätze der Problemlösung eröffneten. Allerdings neigten die Case Manager dazu, in ihrem Sinne die Eigeninitiative der Ratsuchenden und ihre Wahrnehmung von Eigenverantwortung zu regulieren. Dies bedeutete, dass die Entwicklung und der Gebrauch von Ressourcen der Ratsuchenden für die Bearbeitung der Problemsituation unter einem paternalisitisch gefärbten Vorbehalt der Case Manager stand. Mit der Folge, dass die Ratsuchenden eher gebremst und zurückhaltend auf ihre Selbsthilfekräfte und ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation zurückgriffen. Dennoch konnte gezeigt werden, dass die Case Manager des Fallsamples, Sozialhilfesachbearbeiter wie Fachkräfte der Sozialen Arbeit, zumindest phasenweise in der Rolle des Mentors gehandelt haben, insbesondere indem sie den Ratsuchenden bei der Entdeckung ihrer Ressourcen behilflich waren und deren Vorstellungen zur Problemlösung auf ihre Umsetzbarkeit prüften.

 
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