Gesamtbewertung und Schlussfolgerungen
Die Studie beschäftigte sich theoretisch und empirisch mit der Frage, inwieweit sich die zwischen Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts und der Einführung des SGB II im deutschen Fürsorgesystem herauskristallisierende und verankerte aktivierend ausgerichtete Vorstellung der personenbezogenen Unterstützung dazu beiträgt, dass arbeitsfähige Bedürftige ihre Eigenkräfte und ihre Selbstorganisation zur Bearbeitung und Überwindung ihrer erwerbsfokussierten Problemsituation einsetzen. Es zeigte sich, dass in dieser Vorstellung eine zentrale Differenz in den wechselseitigen Erwartungen von Sozialstaat einerseits und arbeitsfähigen Bedürftigen andererseits eingeschmolzen ist, die ein spezifisches Spannungsverhältnis begründet. Dieses Spannungsverhältnis drückt sich sowohl im späten BSHG als auch im SGB II aus, wobei es im SGB II pointierter und vor allem rigider gefasst ist.
Insgesamt ist zu erkennen, dass für die Ermöglichung des Gebrauchs der Selbsthilfekräfte und der Wahrnehmung der Selbstorganisation durch die arbeitsfähigen Bedürftigen, die Unterstützung der Case Manager an bestimmte strukturelle Vorgaben gebunden ist. Diese Vorgaben begrenzen und eröffnen den Case Managern Spielräume in der Ausgestaltung der Unterstützung. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen werden im Folgenden zentrale Ergebnisse des theoretischen und empirischen Teils der Untersuchung zusammengesehen (Abschnitt 8.1) und auf dieser Grundlage zunächst Schlussfolgerungen für die aktivierende Unterstützung der Fallmanager in der Grundsicherung gezogen und abschließend daraus sich ableitender Forschungsbedarf benannt (Abschnitt 8.2).
Zentrale Ergebnisse der Untersuchung
Vor dem Hintergrund der sich zwischen den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts und dem Inkrafttreten von SGB II und SGB XII herausbildenden, spezifisch deutschen Variante eines aktivierenden Sozialstaatskonzeptes ist im Rahmen dieser Studie die personenbezogene Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger in der Sozialhilfe untersucht worden. Zentrales Ziel der Studie war es, zum einen die Reichweite der Ermöglichung selbstorganisierter Problembearbeitung für arbeitsfähige Bedürftige auszuloten und zum anderen explorativ zu untersuchen, ob und wie dies von Fachkräften der personenbezogenen Unterstützung in der Anwendung der Methode ‚Case Management' umgesetzt worden ist. Darauf bezogen hat die Studie in mehrfacher Hinsicht Neuland betreten,
• indem sie die aktivierend ausgerichtete personenbezogene Unterstützungsvorstellung von BSHG und SGB II beschrieben, charakterisiert und sozialpolitisch eingeordnet hat,
• einen neuen methodischen Vorschlag zur Beobachtung der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger von Case Managern im Längsschnitt entwickelt und erprobt hat,
• einen Beitrag zur Beschreibung des Prozesses aktivierenden Handelns von Case Managern in der Sozialhilfe geleistet hat und
• in statu nascendi Möglichkeiten und Grenzen selbstbestimmter Problembearbeitung für arbeitsfähige Bedürftige im Kontext des heraufziehenden aktivierend betonten Sozialstaatsarrangements spezifisch deutscher Prägung eingegrenzt hat.
Im Folgenden wird zunächst in Bezug zum gesetzlichen Rahmen des deutschen Fürsorgesystems, der Wahl des Case Management-Konzeptes und weiterer organisatorischer Grundbedingungen von Einrichtungen der Sozialhilfe und mittelbar auch der Grundsicherung, die Ausrichtung der Erbringung der personenbezogenen Unterstützung für arbeitsfähige Bedürftige bestimmt und der damit für die Fachkräfte verbundene Spielraum zur Ermöglichung des Gebrauchs der Eigenkräfte der Ratsuchenden und der Wahrnehmung ihrer Selbstorganisation abgesteckt. Vor diesem Hintergrund wird anschließend im Horizont des Übergangs vom späten BSHG zum SGB II anhand der Befunde der beiden Fallstudien dieser Untersuchung erhellt, ob und wie die Case Manager der Sozialagenturen bestrebt gewesen sind, arbeitsfähigen Bedürftigen Möglichkeiten zur Selbststeuerung der Problembearbeitung zu eröffnen und zu erschließen. Hierzu werden ergänzend Befunde und Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen im Zeitraum der Entstehung und Verankerung des aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützungsverständnisses in der Sozialhilfe vergleichend herangezogen.
Paternalisitisch geprägtes und ‚workfare'-orientiertes Aktivierungsverständnis der personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger im späten BSHG und im SGB II
Die in Teil 1 dieser Untersuchung vorgenommenen Analysen zur Charakterisierung des Grundverständnisses und des Konzeptes der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger im späten BSHG und im SGB II und die wohlfahrtsstaatstypologische Einordnung der diesen Konzepten zu Grunde liegenden Aktivierungsvorstellungen zeigen, dass sich der Gesetzgeber als letztverantwortliche Erziehungsinstanz begreift, der anhand seiner Ziele und seiner favorisierten Wege der Problembearbeitung, das Verhalten und Handeln der arbeitsfähigen Bedürftigen in seinem Sinne zu steuern beabsichtigt und hierzu bei Bedarf den Bedürftigen die Hilfe zum Lebensunterhalt (BSHG) bzw. die Grundsicherung (SGB II) kürzen, aussetzen und sogar versagen kann. Die arbeitsfähigen Bedürftigen sind zum einen aufgefordert, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten systematisch arbeitsmarktbezogen einzusetzen und ggf. weiter zu entwickeln und zum anderen verpflichtet, jede Chance auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere auf dem ersten Arbeitsmarkt, zu ergreifen, um ihre sozialstaatliche Alimentierung verkürzen oder beenden zu können. Dadurch wird das zentrale Interesse der Reform des Sozialstaates, die arbeitsfähigen Bedürftigen zur Entdeckung, zum Gebrauch und zur Entwicklung ihrer Eigenkräfte, ihrer Ressourcen und ihres Engagements zu motivieren, um ihnen gemäße Wege der Bearbeitung der Problemsituation suchen und finden zu können, systemorientiert funktionalisiert. Ihre schlummernde Kreativität wird nur verkürzt und selektiv für den Prozess der Problembearbeitung genutzt. Dabei ist zu erkennen, dass diese Funktionalisierung im Rahmen des SGB II deutlich weiter und rigider als im Rahmen des BSHG gefasst und zudem zu erwarten ist, dass Grundsicherungsträger für eine partiell mögliche klientenbezogene Ausbuchstabierung der personenbezogenen Unterstützung weniger Spielraum als Sozialhilfeträger des BSHG eröffnen können. Insgesamt deutet das Ergebnis der Analysen zu den gesetzlichen Grundlagen des Konzeptes der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger des deutschen Fürsorgesystems im Übergang vom BSHG zum SGB II darauf hin, dass diese Grundlagen, vor allem jene des SGB II, die Mobilisierung von Eigenkräften der arbeitsfähigen Bedürftigen einengen, ihre Möglichkeiten zur Selbststeuerung bremsen und den Bedürftigen bei der Erbringung der Unterstützung eine bloß mitwirkungsorientierte Rolle zuweisen. Diese Einschätzungen stützen Bedenken und Befürchtungen früher akademischer Kritiker des aktivierenden Umbaus des deutschen Fürsorgesystems.
Rahmenkonzepte des Case Managements zwischen klientenund systemorientierter Ausrichtung als fachliche Grundlage für die Erbringung der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung in Sozialhilfe und Grundsicherung
Anhand der Analyse ausgewählter Rahmenkonzepte des Case Managements als fachlicher Grundlage für die Erbringung der personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger in der Sozialhilfe und in der Grundsicherung ist zu erkennen, dass Rahmenkonzepte mit einem hohen Stellenwert des Empowerment-Gedankens eine klientenorientierte Ausrichtung der Unterstützung und Rahmenkonzepte mit einem niedrigen Stellenwert des Empowerment-Gedankens eine systemorientierte Ausrichtung der Unterstützung begünstigen. Dabei zeigt sich, dass das von der Bundesagentur für Arbeit den Grundsicherungsträgern empfohlene Fachkonzept ‚Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement' eine personenbezogene Unterstützung favorisiert, die systemorientiert ausgerichtet ist. Insgesamt legen die Analysen zu ausgewählten Rahmenkonzepten des Case Managements mit Bezug zum deutschen Fürsorgesystem nahe, dass die Orientierung eines Fachkonzeptes an einem bestimmten Rahmenkonzept bzw. die Wahl eines bestimmten Fachkonzeptes für die Erbringung der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger für den ihnen zugestandenen Spielraum des Gebrauchs und der Entwicklung ihrer Eigenkräfte, ihrer Ressourcen und ihrer Selbstorganisation von erheblicher Bedeutung ist.
Zusammenhänge zwischen der Organisationsstruktur von Einrichtungen der Sozialhilfe und der Erbringung der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung für arbeitsfähige Bedürftige
Im Rahmen empirischer Untersuchungen zum Case Management in Einrichtungen der beschäftigungsorientierten Sozialhilfe haben Claus Reis und seine Mitarbeiter den Zusammenhang zwischen organisatorischen Rahmenbedingungen und der Erbringung der personenbezogenen Unterstützung näher beleuchtet. Dabei zeigte sich, dass insbesondere die Definition des Zielsystems der Einrichtung, die Wahl und Ausgestaltung des Case Management-Konzeptes und dessen Implementation in die Organisationsstruktur der Einrichtung auf die Wahrnehmung der Rolle der Case Manager und auf ihre Zusammenarbeit mit den Ratsuchenden in spezifischer Weise ausstrahlte und ihr Handeln prägte. Auch die vorliegende Untersuchung kann anhand von Indizien aus den Fallstudien den Einfluss organisatorischer Rahmenbedingungen auf die Erbringung der personenbezogenen Unterstützung für arbeitsfähige Bedürftige verdeutlichen.
Die Case Manager der Sozialagentur Duisburg hatten ihr Unterstützungshandeln an einer schnellen Vermittlung erwerbsfähiger Bedürftiger auf den (ersten) Arbeitsmarkt gekoppelt und an der kurzfristig zu realisierenden Einsparung von Sozialhilfeausgaben ausgerichtet. Fachliche Grundlage hierfür war ein am Rahmenkonzept von Claus Reis und seinen Mitarbeitern angelehntes, jedoch vom Sozialhilfeträger anhand der Grundvorstellung des ‚Förderns und Forderns' ausbuchstabiertes Case Management-Konzept. Dessen Aufbauund Ablauforganisation sah vor, dass die Case Manager sowohl für die sichernde Hilfe als auch für die personenbezogene Unterstützung der Ratsuchenden zuständig sind und in Bezug zu beiden Hilfearten Sanktionen verhängen konnten. Die Dauer der Unterstützung sollte in der Regel sechs Monate nicht überschreiten.
Die Vorgaben des Zielsystems der Sozialagentur, die darauf bezogene Wahl und Gestaltung des Case Management-Konzeptes und ihre organisatorische Umsetzung prägten die Rolle der Case Manager und ihre Zusammenarbeit mit den Ratsuchenden, insbesondere im Hinblick auf ihren Spielraum für Eigeninitiative und Eigensteuerung der Problembearbeitung: die beobachteten Case Manager handelten schwerpunktmäßig erwerbsfokussiert und vermittlungsbezogen, forcierten primär eine schnelle Arbeitsaufnahme, entweder als Einstieg in den Ausstieg der Sozialhilfebedürftigkeit oder als Erschließung vorwiegend prekärer existenzsichernder Tätigkeiten auf dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt, motivierten und drängten, falls erforderlich, die Ratsuchenden zur Mitwirkung an dem von der Sozialagentur und den Case Managern favorisierten Weg der Problemlösung, und praktizierten eine tendenziell asymmetrische, hoheitlich konturierte Zusammenarbeit mit den Ratsuchenden. Dies hatte zur Folge, dass der Gebrauch und die Entwicklung der Selbsthilfekräfte und der Selbstorganisation der Ratsuchenden weitgehend an die organisatorischen Vorgaben der Sozialagentur und ihrer Rezeption durch die Case Manager gekoppelt war und darüber gelenkt wurde.
Im Unterschied zur Sozialagentur Duisburg lag der Schwerpunkt des Zielsystems der Sozialagentur Mülheim auf der Optimierung der Effektivität des Hilfesystems. Das Case Management-Konzept lehnte sich an das Rahmenkonzept von Claus Reis und seinen Mitarbeitern an und integrierte Elemente aus dem Rahmenkonzept von Achim Trube. Das Konzept war lebenslagenbezogen ausgerichtet. Es strebte eine ganzheitliche Bearbeitung der Problemlagen der Ratsuchenden an. In enger Abstimmung mit ihnen sollten gangbare Wege der Problembearbeitung entwickelt und umgesetzt werden. Auf dieser Grundlage sollte eine nachhaltige, vornehmlich erwerbsbezogen ausgerichtete Überwindung der Sozialhilfebedürftigkeit angestoßen und über eine lokale ‚Job Service Gesellschaft' unterstützt werden. Die organisatorische Umsetzung des Case Management-Konzeptes zeigte als Besonderheit, dass die personenbezogene Unterstützung im Tandem, von einem Sachbearbeiter der Sozialhilfe und einer Fachkraft der Sozialen Arbeit, zu erbringen war. Im Rahmen dieser Unterstützung sollten Sanktionen ausnahmsweise und nur unter ganz bestimmten Fallkonstellationen möglich sein. Als weitere Besonderheit zeigte sich, dass der Regelkreis des Case Managements auch ein Nachsorgemodul einschloss.
Das Zielsystem der Sozialagentur Mülheim, die Wahl und Ausgestaltung dрes Case Management-Konzeptes und ihre organisatorische Umsetzung haben die Rolle der Case Manager und ihre Zusammenarbeit mit den Ratsuchenden beeinflusst: Das Unterstützungshandeln der beobachteten Case Manager war schwerpunktmäßig befähigend ausgerichtet und trug anwaltliche Züge. Die Case Manager erhoben breit und detailliert die Problemsituation der Ratsuchenden, sammelten Informationen zu ihren Defiziten und zu ihren Ressourcen, registrierten ihren Unterstützungsbedarf und ermunterten sie zur Mitarbeit an der Problembearbeitung. In der Zusammenarbeit mit den Ratsuchenden zeigten die Case Manager, durchaus entgegen der konzeptuellen Ausrichtung, gerade in den entscheidungsrelevanten Phasen des Case Management-Prozesses einen tendenziell asymmetrischen, paternalistisch gefärbten Umgang mit den Ratsuchenden. Insgesamt ist zu erkennen, dass die Case Manager den ihnen für die Problembearbeitung konzeptuell eröffneten Spielraum zur Ermöglichung von Eigeninitiative und Selbsteuerung der Ratsuchenden nur teilweise ausschöpften, in Einzelfällen bremsten oder sogar verbauten.
Die Indizien zum Zusammenhang zwischen organisatorischen Rahmenbedingungen der betrachteten Sozialagenturen und der Erbringung der personenbezogenen Unterstützung für arbeitsfähige Bedürftige werfen ein Schlaglicht auf die Praxis der aktivierenden Unterstützung in Grundsicherungseinrichtungen des SGB II, da zum einen das Zielsystem und das Case Management-Konzept der Sozialagentur Duisburg einer Organisationsvariante der Arbeitsgemeinschaften ähnelt und zum anderen Zielsystem und Case Management-Konzept der Sozialagentur Mülheim auf alternative Möglichkeiten zur Gestaltung der personenbezogenen Unterstützung in Grundsicherungseinrichtungen optierender Kommunen hinweisen.
Bürokratielastige Erbringung der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger in der Sozialhilfe
Die Fallstudie zur Sozialagentur Mülheim lässt erkennen, dass die beobachteten Case Manager in einer bürokratisch geprägten Organisationsumwelt die personenbezogene Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger erbracht und dadurch ihr Handeln in spezifischer Weise beeinflusst worden ist. Die Case Manager hatten auf der Grundlage einer detaillierten, z. T. nach verschiedenen Fallkonstellationen differenzierten Beschreibung des organisatorischen Ablaufs des Case Managements in der Sozialagentur und unter Verwendung ausführlicher Frageund Einschätzungsbögen zu zentralen Phasen des Case Management-Prozesses, sowie den darauf bezogenen Checklisten zur Erfassung des Unterstützungsgeschehens, die personenbezogene Unterstützung durchzuführen und zu dokumentieren. Daneben hatten die Case Manager in Bezug zu ihren verschiedenen Verantwortlichkeiten zusätzliche Richtlinien und Handlungsanweisungen der Leitung der Sozialagentur zu beachten. Insgesamt erfüllten diese Durchführungsbestimmungen für die Case Manager eine doppelte Funktion: zum einen den Unterstützungsprozess zu klären und zu strukturieren und zum anderen darauf hin zu wirken, den Prozess in einer von der Sozialagentur vorbestimmten Form zu erbringen. Es liegt daher nahe, dass die mit großer Sorgfalt und Akribie erarbeiteten Materialien zur Durchführung und Dokumentation des Case Managements in erster Linie eine standardisierte, verfahrenskonforme, korrekte und nachprüfbare Anwendung der personenbezogenen Unterstützung sicherstellen sollten. Die Analysen zum exemplarischen Fall des Fallsamples der Sozialagentur Mülheim bestätigen diese Einschätzung: Die Case Manager achteten penibel auf eine mit den Vorgaben der Sozialagentur übereinstimmende, verfahrenskonforme Umsetzung des Case Managements, handhabten Instrumente, etwa Fragebögen oder Checklisten, häufig wie Formulare und ordneten das Unterstützungsgeschehen den formalen, zeitlichen und inhaltlichen Strukturvorgaben unter. Diese strikte und starre Orientierung an Durchführungsbestimmungen prägte das Beratungsgeschehen. Dadurch wurde der Vorrang der Ziele der Sozialagentur gegenüber den Zielen der arbeitsfähigen Bedürftigen bekräftigt, die Unterstützungsbeziehung hierarchisch betont und der Grad der individuellen Ausgestaltung der personenbezogenen Unterstützung funktional begrenzt. In der Folge zeigte sich bei den Case Managern eine auf die Erfüllung der Durchführungsbestimmungen ausgerichtete Handhabung der Methode
‚Case Management' und eine gebremste Bereitschaft der arbeitsfähigen Bedürftigen zur Mitarbeit an der Bearbeitung ihrer Problemsituation.
Expertenlastige Erbringung der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger in der Sozialhilfe
Die Beobachtungen zur Erbringung der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung in der Sozialagentur Mülheim machen auf ein Problem aufmerksam, das zum einen mit dem professionellen Selbstverständnis von Case Managern und zum anderen mit dem institutionellen und organisatorischen Kontext der Unterstützung in Zusammenhang steht: der expertenlastigen Erbringung der personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger in der Sozialhilfe. Anhand der Anwendung der Methode ‚Case Management' im exemplarischen Fall ist zu erkennen, dass Case Manager in der Gefahr schweben, ihren Einschätzungen zu den als tauglich angesehenen Zielen der Unterstützung und dem dazu als adäquat angesehenen Weg der Problembearbeitung eher zu vertrauen und zu folgen als den Überlegungen und Vorstellungen ihrer Ratsuchenden. Im vorliegenden Fall wird deutlich, dass der Case Manager aus seiner fachlichen Qualifikation und seiner einschlägigen Berufserfahrung heraus eine Vorrangstellung ableitet und sie gegenüber der Ratsuchenden zur Geltung bringt. Damit einher geht eine Abwertung von Vorstellungen der Ratsuchenden. Zusätzlich begründet der Case Manager sein paternalistisch gefärbtes Handeln damit, dass nur das von ihm favorisierte Vorgehen eine Chance bietet, die Unterstützung im Rahmen der von der Sozialagentur bereitgestellten zeitlichen, finanziellen und fachlichen Ressourcen erfolgreich abzuschließen. In der Folge verschließt sich die Ratsuchende vor den Unterstützungsimpulsen des Case Managers. Parallel dazu lähmt sein Verhalten die Bereitschaft der Ratsuchenden zu Eigeninitiative und schwächt ihr Vertrauen in die Fähigkeit zur Selbstorganisation.
Unterschiede zwischen Sachbearbeitern und Fachkräften der Sozialen Arbeit bei der Erbringung der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger in der Sozialhilfe
Eine vergleichende Betrachtung der Erbringung der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger von Sachbearbeitern und Fachkräften der Sozialen Arbeit (Sozialarbeiter und Sozialpädagogen) in der Sozialhilfe wurde bislang nicht auf der Grundlage empirischer Befunde durchgeführt. Auch die im Rahmen der Fallstudien dieser Untersuchung gewonnen Befunde lassen keinen systematischen Vergleich der Erbringung der personenbezogenen Unterstützung zwischen diesen Gruppen von Case Managern zu. Dies zum einen deshalb, da für die Analyse des empirischen Materials der als bedeutsam angesehene Zusammenhang zwischen dem aktivierenden Handeln der Case Manager und den unterschiedlichen organisatorischen Settingbedingungen der betrachteten Sozialagenturen unberücksichtigt bleiben musste und zum anderen lediglich die Sozialagentur Mülheim Sachbearbeiter der Sozialhilfe und Fachkräfte der Sozialen Arbeit aus der Jugendhilfe als Case Manager einsetzte. Zusätzlich war die Trennschärfe von Befunden ur Spezifizität des aktivierenden Handelns von Case Managern mit unterschiedlicher beruflicher Grundqualifikation in der Sozialagentur Mülheim auf Grund der organisatorischen Vorgabe, dass Sachbearbeiter und Fachkräfte der Sozialen Arbeit die personenbezogene Unterstützung im Tandem zu erbringen hatten, eingeschränkt.
Dennoch liefert das empirische Material der Fallstudien erste Anhaltspunkte für Unterschiede im aktivierenden Handeln von Sachbearbeitern und Fachkräften der Sozialen Arbeit im Kontext der Sozialhilfe und mittelbar auch der Grundsicherung. Dabei ist zu vermuten, dass Sachbearbeiter eher eine systemorientierte, eng an gesetzlichen Vorgaben und an den Zielen der Einrichtungen angelehnte, hoheitlich akzentuierte Durchführung der personenbezogenen Unterstützung anstreben. Im Unterschied dazu lassen die Befunde zum aktivierenden Handeln von Fachkräften der Sozialen Arbeit der Sozialagentur Mülheim vermuten, dass sich die Unterstützung solcher Fachkräfte eher an den von den Ratsuchenden geäußerten Bedarfen anlehnt. Allerdings schweben Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen in der Gefahr, expertenlastig zu handeln und dabei besonders die Interessen des Trägers der Einrichtung zu beachten, sowie die Methode ‚Case Management' standardisiert anzuwenden. Die Überbetonung der Expertenrolle begünstigt eine paternalistisch gefärbte Erbringung der personenbezogenen Unterstützung. Insgesamt stützen die Befunde zur Erbringung der personenbezogenen Unterstützung die Einschätzung, dass eher Fachkräfte der Sozialen Arbeit als Sachbearbeiter mit einer Grundausbildung im allgemeinen Verwaltungshandeln geneigt sind, die Bedarfe der Ratsuchenden in den Mittelpunkt der personenbezogen Unterstützung zu rücken. Gleichwohl zeigt sich auch, dass Sachbearbeiter wie Fachkräfte der Sozialen Arbeit aus unterschiedlichen Hintergründen und Motivlagen heraus, die Entwicklung und den Gebrauch der Eigeninitiative, der Eigenkräfte und der Fähigkeit zur Selbstorganisation der arbeitsfähigen Bedürftigen für die Bearbeitung ihrer Problemsituation bremsen und systemorientiert funktionalisieren können.
Zwischen strategischer Infragestellung und Indifferenz der sichernden Hilfe in der aktivierend ausgerichteten personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger
Sowohl im BSHG als auch im SGB II wird ein Zusammenhang zwischen der sichernden Hilfe und der personenbezogenen Unterstützung hergestellt. Im Rahmen des BSHG wird die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, Ratsuchende aus pädagogischen Erwägungen heraus zur Teilnahme an der personenbezogenen Unterstützung zu verpflichten und, falls erforderlich, ihre Mitwirkung auch durch die Androhung der Kürzung der Hilfe zum Lebensunterhalt zu erzwingen. Im Unterschied dazu ist im Rahmen des SGB II die Mitwirkung der arbeitsfähigen Bedürftigen an der personenbezogenen Unterstützung nicht nur obligatorisch, sondern sie steht auch systematisch unter der Androhung der Kürzung der Grundsicherung.
Ob und in welcher Weise die Case Manager die aktivierend ausgerichtete personenbezogene Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger in einem Bezug zur sichernden Hilfe erbracht haben, war in den bislang erschienenen empirischen Arbeiten zum Case Management in der Sozialhilfe nicht explizit untersucht worden. In den Fallstudien der vorliegenden Studie ist dieser Zusammenhang erkundet worden. Die hierzu gesammelten Befunde lassen eine differenzierte Gestaltung und Ausprägung der Verknüpfung dieses Zusammenhangs auf der lokalen Ebene vermuten.
Für die Fallsamples beider Sozialagenturen zeigt sich, dass die Case Manager in der personenbezogenen Unterstützung arbeitsfähiger Bedürftiger weitgehend auf eine Kürzung der sichernden Hilfe verzichtet haben. Werden die exemplarischen Fälle der beiden Samples in Bezug zur Handhabung der sichernden Hilfe der Case Manager in der personenbezogenen Unterstützung miteinander verglichen, so lassen sich charakteristische Unterschiede erkennen: Im exemplarischen Fall der Sozialagentur Duisburg handelt die Case Managerin im Horizont der sozialhilferechtlichen estimmungen der Mitwirkung der Bedürftigen für die sichernde Hilfe. Damit erfüllt sie Vorgaben und Erwartungen der Sozialagentur, wie sie insbesondere im Case Management-Konzept vorgesehen sind. Im Verlauf der personenbezogenen Unterstützung setzt die Case Managerin die sichernde Hilfe strategisch ein, um das Verhalten und Handeln des Bedürftigen systemorientiert zu beeinflussen: so legt sie die Aushändigung des Sozialhilfeschecks an den Ratsuchenden auf das erste Gespräch der personenbezogenen Unterstützung, um dadurch seine Teilnahme sicherzustellen; sie fordert den Ratsuchenden zur Mitwirkung auf, in dem sie ihn über Sanktionsgründe und ihre Folgen aufklärt; sie droht dem Ratsuchenden mit der Kürzung seiner sichernden Hilfe und verhängt sie schließlich. Im Laufe des Unterstützungsprozesses verschlechtert sich die Zusammenarbeit zwischen der Case Managerin und dem Ratsuchenden zusehends und führt schließlich zum Scheitern des fragilen Arbeitsbündnisses.
Dagegen sind im exemplarischen Fall der Sozialagentur Mülheim die Case Manager bestrebt gewesen, die sichernde Hilfe weder direkt noch indirekt als Druckmittel gegen die Ratsuchende einzusetzen. Dies ist ihnen gelungen, obwohl es während der personenbezogenen Unterstützung zwischen dem federführenden Case Manager und der Ratsuchenden zu konflikthaften Auseinandersetzungen gekommen ist. Damit haben die Case Manager eine von ihnen selbst mitgestaltete Vorgabe der Sozialagentur erfüllt, die eine Kürzung der wirtschaftlichen Sozialhilfe nur als allerletztes Mittel vorsah und die Anwendung dieser Sanktion an hohe fachliche Hürden gekoppelt hat. Letztlich haben die Case Manager, wenn auch widerwillig und mit großen Bedenken, den von ihnen als nicht nachhaltig eingeschätzten Weg der Ratsuchenden für ihre Problembearbeitung respektiert.