Bioverfügbarkeit von Eisen und Zink aus pflanzlichen Lebensmitteln

Ob und inwieweit ein Lebensmittel nahrhaft ist, hängt ganz wesentlich davon ab, ob die darin enthaltenen Stoffe vom menschlichen Darm aufgenommen werden können. Ein bekanntes Beispiel ist das Provitamin A aus der Karotte. Wird die Karotte roh verzehrt, so ist die Aufnahme des Beta-Karotin sehr gering, da es in der Karotte in kleinen von Zellulose ummantelten Kügelchen verpackt ist. Erst nach Erhitzen oder Entsaften wird es bioverfügbar.

Ähnliches gilt für eine Reihe anderer Mikronährstoffe, insbesondere solcher, bei denen die Versorgung kritisch ist. Die Konzentration von Eisen und Zink ist in verschiedenen Getreideformen sowie in Bohnen im Vergleich zu anderen pflanzlichen Lebensmitteln recht hoch. Untersuchungen haben aber ergeben, dass die Resorption von Eisen aus Sojabohnen, schwarzen Bohnen und Erbsen sehr niedrig ist. Insgesamt werden 0,5 bis maximal 4 % der darin enthaltenen Menge vom Menschen aufgenommen. Für Zink sind die Zahlen etwas günstiger. Hier liegt die Aufnahme aus Getreideprodukten zwischen 10 und 20 % (Gibson 1994). Das bedeutet aber insbesondere für Eisen, aber auch für Zink, dass das eigentliche Grundnahrungsmittel von Kindern vor allem armer Familien in Entwicklungsländern diese beiden lebenswichtigen Verbindungen kaum zur Verfügung stellt.

Besonders Eisen wird aus pflanzlichen Lebensmitteln sehr schlecht aufgenommen. Eisen liegt hier als sogenanntes Non-Häm-Eisen vor (also nicht an Hämoglobin gebunden), das anders und dadurch zehnbis 20-mal schlechter aufgenommen wird als das Eisen aus tierischen Lebensmitteln, das HämEisen.

Eine wichtige Ursache für die schlechte Aufnahme der beiden Elemente ist die in den Getreideprodukten in unterschiedlicher Menge enthaltene Phytinsäure, die diese Minerale im Darm bindet und damit der Resorption entzieht. Untersuchungen mit einem Enzym (Phytase) oder anderen Verfahren, die die Phytinsäure zerstören oder ihre Aktivität senken, haben ergeben, dass sich dadurch die Bioverfügbarkeit in der Tat deutlich steigern lässt (Ael-M et al. 2011; Sandberg 1991). Auch eisenbindende phenolische Verbindungen in Hirse hemmen die Aufnahme des pflanzlichen Eisens. Untersuchungen an verschiedenen Modellen haben ergeben, dass die Bioverfügbarkeit von Eisen aus Hirse und Getreide zwischen 3 % bis maximal 15 % liegt (Lestienne et al. 2005).

Untersuchungen zum Eisengehalt in Lebensmitteln afrikanischer Schulkinder (Uganda) zeigen, dass Fisch und Fleisch durchaus gute Quellen sein können (Tidemann-Andersen & Acham 2011). Die Gehalte schwanken hier zwischen 1 und 12 mg/100 g für Eisen und 0,5–2 mg/100 g für Zink. In Sorghum, einer Hirseart, die zur Herstellung von Brot Verwendung findet, können je nach Art bis zu 70 mg Eisen/100 g vorkommen. Trotz der hohen Nährstoffdichte an Zink kommen die Autoren der Studie zu dem Ergebnis, dass bei der in Uganda typischen primär veganen Kost die Empfehlung für Zink keinesfalls, die für Eisen nur sehr schwer erreicht wird.

Hirse stellt ein wesentliches Grundnahrungsmittel für viele afrikanische Länder dar, meist als Perlhirse, in Ost- und Südafrika auch als sogenannte Fingerhirse. Perlhirse hat hohe Eisengehalte (100 mg/100 g) und eine ausreichende Konzentration an Zink (2 mg/100 g). Im Vergleich dazu hat Weizen zwar mehr Zink (3,5 mg/100 g), aber sehr wenig Eisen (4 mg/100 g). Trotz der hohen Eisengehalte ist Hirse eine schlechte Quelle, was sich an Untersuchungen in afrikanischen Ländern zeigt. So trägt in Burkina Faso Hirse zu 20 % zur täglichen Energieversorgung bei (entsprechend 30 g/Tag), dennoch leiden fast 80 % der Kinder und 50 % der Frauen an Anämie (Micronutrient Initiative and UNICEF 2004).

Im Ergebnis heißt das, dass die Lebensmittel mit den höchsten Eisen- und Zinkgehalten für die Versorgung des Menschen mit diesen Mikronährstoffen wenig geeignet sind. Erst die Ergänzung der täglichen Kost mit Lebensmitteln, die vor allem Eisen und Zink in gut bioverfügbarer Form, aber auch präformiertes Vitamin A enthalten, verbessert die Versorgung. Es kommt also ganz wesentlich darauf an, dass Lebensmittel unterschiedlicher Gruppen kombiniert werden, um den Hidden Hunger und damit die chronische Mangelernährung zu vermeiden. Einige Beispiele mögen das Problem einer ausreichenden Ernährung im Hinblick auf eine adäquate Nahrhaftigkeit verdeutlichen. Sieht man sich die Zusammenstellung der täglichen Ernährung von Kindern in zwei afrikanischen Staaten an (Tab. 3.2), wird schnell deutlich, dass sie wenig geeignet sind, die drei wesentlichen Mikronährstoffe Vitamin A, Zink und Eisen auch nur annähernd bedarfsdeckend zu liefern.

Die Zusammenstellung in Tab. 3.2 entspricht der täglichen Ernährung eines Kindes im Alter zwischen zwei und fünf Jahren, die durch einen Fragebogen (24-Stunden-Recall, d. h. Abfrage aller Lebensmittel und Menge in den zurückliegenden 24 Stunden) erfasst wurde (Gegios et al. 2010). Im Mittel erhielten in Kenia 89 % aller Kinder 25 % der Nahrungsenergie aus Cassava, in Nigeria dagegen nur 31 %. Rein rechnerisch hatten in Kenia 59 % der Kinder ausreichend Vitamin A, 31 % genug Zink und 22 % ausreichend Eisen. In Nigeria war der Prozentsatz der ausreichend versorgten Kinder für Vitamin A 17 %, Zink 41 % und Eisen 57 %. Dass diese Zahlen das Problem unterschätzen, ergibt sich bereits aus der Tatsache der bereits erwähnten schlechten Bioverfügbarkeit der Minerale aus den Getreideprodukten, die

Tab. 3.2 Tägliche Ernährung von Kindern in Nigeria und Kenia.

Lebensmittel

Nigeria

% Energie

Kenia

% Energie

Vitamin A μg/kcal

Zink μg/kcal

Eisen μg/kcal

Cassava

15

59

0

0,2

1,6

Mais

22

7

0

0,2

3,3

Reis

14

1

0

3,3

11,4

Sorghum

1

10

0,1

0,2

30

Weizen

8

1

0,2

1,8

3,2

tierische Lebensmittel

3

7

1,1

6,8

7,7

Leguminosen

9

3

0

9,4

22,3

Früchte

4

3

1,4

1,8

2,7

grünes Blattgemüse

10

4

2,0

4,3

15,3

Yamswurzel

11

0

0

0,1

6,4

Bananen

2

1

0,2

1,7

3,3

Süßkartoffel

0

3

32,0

2,6

5,3

den Hauptteil der täglichen Nahrung ausmachen. Außer der Süßkartoffel und wenigen Früchten sind keine Lebensmittel dabei, die Provitamin A in nennenswerten Mengen enthalten. Tierische Lebensmittel machen nur einen geringen Prozentsatz aus. Von einer ausreichenden Vitamin-A-Versorgung kann bei der geringen Menge an Süßkartoffeln in Kenia kaum die Rede sein, ganz zu schweigen von der Versorgung in Nigeria.

Die Zahl der Kinder mit Stunting liegt in Kenia bei knapp 40 %, in Nigeria bei 50 %. Das bedeutet, dass die Hälfte der Kinder chronisch unterernährt ist, was bei der oben beschriebenen Ernährungsform – einer für die meisten Staaten Afrikas typischen – nicht wundert. Daten, die in fünf verschiedenen Ländern in Asien und Afrika gesammelt wurden, belegen, dass dies kein Einzelfall, sondern die Regel ist, wenn es um die Ernährungssicherheit der armen Bevölkerung geht (Arimond et al. 2010).

In einem sehr aufwendigen Design mit wiederholter Befragung (24-Stunden-Recall) wurden dazu die Ernährungsgewohnheiten von Frauen im reproduktionsfähigen Alter erfasst und die Mikronährstoffaufnahme berechnet. Tab. 3.3 stellt die prozentuale Aufnahme (in Prozent der – im Vergleich zu unseren Empfehlungen – niedrigen WHO-Empfehlung) dar. Die WHOEmpfehlung orientiert sich an einem erforderlichen Minimum zur Vermeidung eines Mangels, während die europäischen Empfehlungen die optimale Versorgung einer gesunden Allgemeinbevölkerung zum Ziel haben.

Tab. 3.3 Wohnort und tägliche Energiezufuhr sowie geschätztes Vorkommen einer adäquaten Versorgung (%) bei stillenden Frauen (L) und nicht schwangeren und nicht stillenden Frauen (N). Anzahl der Frauen in Klammern. A) Burkina Faso (N178), B) Mali (N102), C) Mozambique (L306/N103), D) Bangladesch (L113/N299), E) Philippinen (L247/N1798).

Aus Tab. 3.3 wird deutlich, dass vor allem stillende Frauen (L) zu einem großen Teil keine Bedarfsdeckung erreichen, wie sie für eine gute Versorgung von Mutter und Kind Voraussetzung ist. Bei nicht schwangeren, nicht stillenden Frauen (N) sind es vor allem Folsäure, Vitamin B2, Vitamin B12, Eisen und Niacin, die nicht ausreichend sind. Der MAP-Wert zeigt, dass zwischen 46 und 76 % der Frauen in diesen Ländern nicht ausreichend mit Mikronährstoffen versorgt sind. Dies gilt ganz besonders für solche Regionen, in denen die tägliche Energiezufuhr gering ist (E), aber auch für Länder wie Bangladesch (D), bei denen gemäß FAO die Energiezufuhr (2086 kcal/Kopf und Tag) als ausreichend betrachtet wird. Bei einer Schwangerschaft ist diese Ernährung eine schwerwiegende Hypothek für Mutter und Kind.

Gemessen an den Berechnungen der FAO und WHO wären die meisten Frauen allerdings adäquat versorgt. Ihre tägliche Energieaufnahme liegt über 1800 kcal, mit Ausnahme der Philippinen. Diese folgenschwere Fehleinschätzung erklärt sich vor allem dadurch, dass es – nachvollziehbar – erste Priorität hat, den Hunger zu stillen. Basis dafür sind preisgünstige, vor allem stärkehaltige Getreideprodukte. Würde man die Lebensmittel nicht nur nach Energiebetrag erfassen, sondern nach der Menge der darin enthaltenen Mikronähr-

Abb. 3.1 Jährliches Einkommen, Kosten einer energieadäquaten Ernährung und Kosten einer gesunden, qualitativ ausreichenden Ernährung (Save the Children 2010).

stoffe, also auch nach der Kombination verschiedener Lebensmittel, so ließe sich eine Unterversorgung relativ frühzeitig erkennen.

 
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