Station 3: Das Hungern geht weiter
Schauen wir uns um auf unserem Karussell. Einige Neugeborene sind verschwunden, einige Mütter auch, neben uns fährt eine Gruppe von Kindern – alle unter fünf und alle, ohne dass sie es wissen, in großer Gefahr, das Karussell auch bald unfreiwillig verlassen zu müssen. Und da sind die Mütter dieser Kinder, die wissen, was auf ihre Kinder zukommt, die sie lieben und zusehen müssen, wie sie verkümmern werden im täglichen Kampf um das Überleben. Die Folgen der chronischen Mangelernährung im Kindesalter müssen in
Bezug zum Alter des Kindes gesetzt werden:
• Beginn der Schwangerschaft bis Ende des zweiten Lebensjahres, das sogenannte 1000-Tage-Fenster,
• Entwicklung vom sechsten Lebensmonat bis zum Ende des fünften Lebensjahres,
• Jugend (sechstes bis 16. Lebensjahr).
Der Zeitraum zwischen dem sechsten Lebensmonat bis zum Ende des fünften Lebensjahres ist derjenige, der für das Überleben der Kinder besonders kritisch ist und im MDG 4 („Senkung der Kindersterblichkeit unter fünf Jahren“) adressiert wird. Die Beurteilung der Sterblichkeit der Kinder beginnt für diesen Zeitraum erst im sechsten Lebensmonat, da die Zeit davor noch zur neonatalen Sterblichkeit gerechnet wird.
Das 1000-Tage-Fenster
Kinder, die während des sogenannten 1000-Tage-Fensters, also in den ersten 1000 Tagen ihres Lebens, mangelernährt sind, haben kaum noch eine Chance, den Mangel später aufzuholen. Schlechte Ernährung der Mütter führt zu Neugeborenen mit geringem Geburtsgewicht – der wesentliche Grund für Entwicklungsstörungen innerhalb der ersten 1000 Tage – und betrifft zwischen 16 und 32 % aller Neugeborenen in Entwicklungsländern (ACC/SCN 2000). Setzt eine Mangelernährung erst nach diesen 1000 Tagen ein, so wird es in den meisten Fällen zu keiner Wachstumsverzögerung kommen. Umgekehrt können durch die Behebung der Mangelernährung am Ende der 1000 Tage die Wachstumsverzögerung sowie die weiteren Folgen der Mangelernährung nicht mehr kompensiert werden. Das sichtbare Zeichen der Entwicklungsstörung in den ersten beiden Lebensjahren ist Stunting! Dass dies nicht nur ein Problem armer Länder, sondern eben ein Problem der Armut ist, zeigen Zahlen aus den USA. Landesweit haben 5 % der Kinder ein Stunting; werden jedoch die Einkommensverhältnisse betrachtet, so zeigt sich, dass in den untersten Einkommensklassen bis zu 13 % der Kinder Stunting aufweisen (Lewitt & Kerrebrock 1997). Die Besonderheit des 1000-Tage-Fensters besteht darin, dass die hier eintretenden Entwicklungsstörungen später nicht mehr aufgeholt werden können.