Verbesserung der Lebensmittelqualität (Nahrhaftigkeit)
Die Schaffung neuer Quellen für Mikronährstoffe kann nur als mittelfristiger Ansatz verstanden werden, da sich hiermit nur einige wenige Mikronährstoffe ersetzen lassen. Langfristig kann eine ausreichende Nahrhaftigkeit nur durch Ernährung erreicht werden, bei der einzelne Komponenten auch angereichert sein können.
Die nachhaltigste Methode, um die Nahrhaftigkeit zu verbessern, besteht darin, das Spektrum an Lebensmitteln zu erweitern, also den Diet Diversity Score zu erhöhen. Dies setzt neben den notwendigen Mitteln auch eine Grundkenntnis in Bezug auf die Lebensmittel voraus. Hier gibt es keine Patentlösung. Es müssen die jeweils verfügbaren Lebensmittel daraufhin geprüft werden, inwieweit sie zur Versorgung mit Mikronährstoffen beitragen. Auf dieser Grundlage können dann Empfehlungen zur Kombination von Lebensmitteln erfolgen.
Nährstoffdefizite erkennen – Beispiel Indonesien
Gemäß einer kürzlich (2008) durchgeführten Befragung in 68 000 Haushalten Indonesiens werden dort pro Kopf 102 kg Reis im Jahr verzehrt. Der Anteil an der täglichen Energiezufuhr (2450 kcal) beträgt 60 %. Auf der Basis einer linearen Programmierung konnten wir daraus den Anteil der Mikronährstoffe ermitteln (Jati et al. 2012). Die typische Zusammenstellung der Ernährung für Kinder zwischen zwei und fünf Jahren ist in Tab. 7.2 dargestellt. Die Verteilung berücksichtigt dabei keine Unterschiede in den sozialen Klassen.
Daraus lässt sich der Anteil an Lebensmitteln bestimmen, die zur Versorgung mit Vitamin A, Zink und Eisen beitragen. Gleichzeitig lässt sich ermitteln, wie viel zur Erreichung der Empfehlung in der Altersgruppe fehlt (Abb. 7.2). Mittels speziellen Algorithmen kann auf der Grundlage der ver-
Abb. 7.2 Lebensmittelverzehr von Kindern und Beitrag zur Deckung des Bedarfs an Eisen (A), Zink (B) und Vitamin A (C). Die Darstellung der einzelnen Lebensmittelgruppen erlaubt die Schließung der durch dieses Verfahren aufgedeckten Versorgungslücken.
Tab. 7.3 Forderungen zur Ernährungssicherung (SUN 2009).
fügbaren nationalen Verzehrsstudien die Versorgung mit Mikronährstoffen in Bezug auf die dafür verantwortlichen Lebensmittelgruppen erfasst werden. Auf diese Weise lassen sich Muster aus lokal verfügbaren Lebensmitteln zusammenstellen und so eine bessere Versorgung mit Mikronährstoffen erreichen.
Auf der Basis solcher Analysen lässt sich nicht nur der Anteil des Mikronährstoffdefizits innerhalb einer Population analysieren, sondern es lassen sich auch gezielte Empfehlungen erarbeiten, wie diese Bedarfslücke geschlossen werden kann. Für den obigen Fall könnte bereits einiges erreicht werden, wenn ein Teil der Reisportion durch Süßkartoffeln oder andere (farbige) Reisvarietäten ersetzt würde. Auch Spinat und Obst sowie Palmöl können einen wichtigen Beitrag zur Optimierung der Ernährung leisten. Der große Vorteil solcher Analysen und Empfehlungen besteht darin, dass nicht nur traditionelle Lebensmittel und solche, die lediglich in bestimmten Regionen verfügbar sind, berücksichtigt werden, sondern auch die aufgrund des Preises möglichen Zusammenstellungen.
In einem Global Report haben UNICEF, Weltbank sowie die wichtigen Organisationen, die sich mit Ernährungssicherung befassen (USAID, GAIN, Micronutrient Forum, Flour Fortification Initative), die Interventionen mit einzelnen Mikronährstoffen in Beziehung zu den Millenniumszielen gesetzt (SUN 2009) (Tab. 7.3).
Die konsequente Anwendung einer Supplementierung in Ländern mit Hidden Hunger könnte demnach zu einer Beschleunigung des Erreichens der Millenniumsziele führen. Die Frage dabei ist, ob dieser Ansatz auch dazu führt, dass die Mütter das Hungerkarussell verlassen und somit sich und ihren Kindern eine Chance für die Zukunft geben können. Wie bereits erörtert, ist das Auftreten oder besser die Erfassung eines isolierten Defizits gleichzeitig auch ein Indikator für eine als Ganzes unzureichende Ernährung. Dies bedeutet aber, dass auch weitere Defizite – durch die Fokussierung auf ein Vitamin noch weiter verdeckt – im Hintergrund bestehen und Gesundheit sowie Arbeitsleistung der Betreffenden einschränken.
Die Supplementierung mit einzelnen Vitaminen oder Minerale birgt jedoch das Risiko, dass Teile des Hidden Hunger, also das Fehlen anderer Mikronährstoffe, übersehen werden. Daher wird zunehmend eine Multimikronährstoffsupplementierung gefordert (Semba et al. 2011). Solche Supplemente können in unterschiedlichen Formen als Mikronährstoffpulver für die Anreicherung der täglichen Mahlzeit sowie zur Ergänzung von sogenannten Ready-to-use-Food (RUF; Fertigmischungen, die mit Mikronährstoffen angereichert vor Ort hergestellt werden können) gegeben werden. Dabei ist allerdings mehr Mitarbeit und auch Sorgfalt der Betroffenen erforderlich als bei Programmen, die z. B. zweimal im Jahr hochdosiert Vitamin A verabreichen.
Die Regierungen von Japan und Kanada haben im Jahr 2010 gemeinsam mit Weltbank und USAID eine Initiative gestartet, um Ernährungsinterventionen, die wissenschaftlich gesichert sind, zu empfehlen. Unter diesen waren:
• periodische Vitamin-A-Supplementierung,
• Zinksupplementierung bei Diarrhö,
• Mikronährstoffpulver zur Anreicherung der eigenen Nahrung,
• Eisen-Folsäure-Supplemente für Schwangere,
• Salzoder alternativ Öljodierung,
• Eisenanreicherung von Grundnahrungsmitteln.
Die Initiatoren dieser Empfehlungen waren sich der Tatsache bewusst, dass sie alleine nicht ausreichen und haben daher weitere Maßnahmen empfohlen.