Analyse: Government und Governance in acht europäischen Metropolregionen
Im Folgenden wird die Entwicklung der acht Regionen zunächst qualitativ beschrieben, um zu prüfen, ob ein einheitlicher Trend zu beobachten ist. Zweitens wird die quantitativ
1 APES ist ein von Uwe Serdült und Chantal Vögeli entwickeltes Programm, das eine systematische Erfassung von Entscheidungsprozessen ermöglicht. Durch die Eingabe von relevanten Ereignissen und den beteiligten Akteuren erstellt es Tabellen, aus denen sich die Beteiligung der verschiedenen Akteure optisch ablesen, aber auch quantitative berechnen lässt. Es handelt sich um ein Freeware Produkt, das unter apes-tool.ch heruntergeladen werden kann.
Tab. 2: Fallauswahl
Metropolregion Metropolitan-institution Lokales Regierungssytsem Nationaler Kontext Bern Nein Nord- und Mitteleuropäisch Föderalismus Zürich Nein
Berlin Nein
Stuttgart Ja
Paris Nein Franco Zentralismus Lyon Ja
London Ja Anglo Birmingham Nein
gemessene Akteursbeteiligung zwischen den acht Fällen verglichen, um die aktuellen Entscheidungsstrukturen darzustellen.
Metropolitaninstitution, traditionelle Politikstrukturen sowie alte und neue Netzwerke
Die Fallauswahl in Tab. 2 hat bereits aufgezeigt, dass drei der betrachteten Metropolregionen eine neue Institution auf Metropolebene aufgebaut haben, während die übrigen fünf Fälle andere Wege gewählt haben, mit den neuen Herausforderungen an regionale Steuerung umzugehen.
Dementsprechend ist als erstes ein Vergleich der Fälle London, Stuttgart und Lyon, wie ihn auch Kübler (2012) vorgenommen hat, naheliegend. Die Entstehung der Greater London Authority (GLA) im Jahr 2000 wird sehr ausführlich von Travers (2004) beschrieben. Traditionell sind lokale Regierungseinheiten, die Boroughs, in Großbritannien politisch wenig bedeutsam. Kaum vorstellbar erscheint, dass eine Metropole wie London, nachdem ein erster Versuch eines Greater London Councils (GLC) in den achtziger Jahren aufgrund ideologischer Kämpfe zwischen Labour und Thatcher gescheitert war, lange über keine eigene Regierung auf Stadtebene verfügte. 33 eigenständige London Boroughs waren für die lokale Verwaltung und Politiksteuerung zuständig (Röber und Schröter 2007, S. 39). Erst die Labour Regierung in den 90er Jahren führte mit der GLA wieder eine Metropolinstitution ein, die mit einem direkt gewählten Bürgermeister und einem eigenen, ebenfalls direkt gewählten Parlament für Großbritannien einmalig starke lokale Institutionen bekam. Die Labour Regierung bezog sich dabei vor allem auf (weniger radikale) Beispiele aus anderen britischen Städten, in denen institutionelle Konsolidierung zu verbesserten Dienstleistungen geführt hatte (Travers 2004, S. 44). In London lässt sich somit eine neue Metropolitaninstitution beobachten, die eine zusätzliche politische Ebene im britischen Regierungssystem darstellt. Die direkte Wahl der relevanten Akteure spricht für die Bedeutung der Region. Einschränkend ist hervorzuheben, dass die GLA lediglich den Kernbereich der Londoner Metropolregion einschließt. Trotz intensiver Pendlerströme über den grünen Gürtel, der London umschließt, hinaus, profitiert nur der Kernbereich von den zu erwartenden Service- und Demokratieverbesserungen in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt der GLA (Thornley 2003, S. 55).
Der Stuttgarter Fall ist mit London vergleichbar, auch hier wurde 1994 mit dem Verband Region Stuttgart (VRS ) eine Metropolitaninstitution mit einem direkt gewählten Parlament, der Regionalversammlung, gegründet. Geopolitisch ist die Situation in der durch zahlreiche Verwaltungsebenen geprägten Bundesrepublik jedoch etwas anders, da die einzelnen Gemeinden inklusive der Stuttgarter Kernstadt selbst über direkt gewählte Bürgermeister und starke Gemeinderäte verfügen, weshalb für den Regionalverband keine direkt gewählte Exekutive eingeführt wurde. Dennoch wird Stuttgart innerhalb Deutschlands als best practice Modell angesehen (Fürst 2005, S. 162), da dem Parlament und dem, indirekt gewählten, Direktorium ausreichend Handlungsspielraum zugeschrieben werden, um eine regionale Strategie zu entwickeln und in Kooperation mit den Gemeinden umzusetzen. Damit entspricht die Regionalversammlung einer eigenständigen hierarchischen Regierungsebene, die als neue Ebene geschaffen wurde. Die Gründung des Regionalverbands erfolgte auf Initiative der Stadt Stuttgart, die die regionale Wirtschaft in Zeiten großer Umstrukturierungen stärken wollte (Fürst 2005, S. 162; Heeg 2003, S. 163). Heute ist der Regionalverband neben der Wirtschaftsförderung für Raum- und Verkehrsplanung, Tourismus, Kultur und Abfall zuständig[1].
London und Stuttgart stehen damit als paradigmatische Beispiele für eine Entwicklung von netzwerkorientierter Governance zu einer neuen Form der hierarchischen Regierung. Entsprechend des von Hooghe und Marks (2000) beschriebenen Typ I von Multi-Level Governance ist hier eine Restrukturierung politischer Ebenen entstanden. Die Metropolverbände stellen eine zusätzliche Ebene dar, die in ihren Kompetenzfeldern den zugehörigen Gemeinden beziehungsweise Boroughs hierarchisch übergeordnet sind. Sie sind dabei keine policy-spezifischen Polit-Agenturen, sondern verfügen über traditionelle politische Institutionen wie Parlament und Regierung, und haben einen umfassenden Anspruch auf die Steuerung regional relevanter Politikbereiche.
Lyon unterscheidet sich von London und Stuttgart, da die bereits 1966 gegründete Region Grand Lyon zwar ebenfalls über eine eigene Metropolitaninstitution verfügt, der Conseil de communauté aber von den Gemeinderegierungen gewählt wird und daher kein direkt gewähltes Parlament darstellt (Kübler 2012, S. 8). Zudem besteht ein starkes Übergewicht der Stadt Lyon, deren Bürgermeister qua Amt auch Präsident des Conseil de communauté ist. Die Stadt Lyon stellt 44 der 155 Abgeordneten, während 40 kleinere Gemeinden nur jeweils einen Sitz besetzen dürfen (Randles und Dicken 2004, S. 2019). Auf der anderen Seite existiert Grand Lyon bereits deutlich länger als die Londoner und Stuttgarter Varianten einer Metropolitaninstitution. In den 1960er Jahren wurden in Frankreich einige zentral gesteuerte regionale Umstrukturierungen vorgenommen (Négrier 2005, S. 29). Neben der Einführung der Regionalparlamente wurden 1966 auch Organismes d'Études d'Aménagement des Aires Métropolitaines geschaffen, bei denen regionale Ballungsräume, wie etwa Lyon und St.-Étienne zur Schaffung von Forschungszentren angehalten wurden, die unter anderem ökonomische Trends beobachten sollten. Allerdings fürchtete man, dass konkrete Herausforderungen im Zusammenhang mit dem urbanen Wachstum auf der Strecke bleiben würden, und schuf daher Metropolitaninstitutionen wie Grand Lyon (Randles und Dicken 2004, S. 2018). Heute ist die Metropolregion für Verkehrsplanung, Wirtschaftsförderung, strategische Planung, aber auch für konkrete Dienstleistungen wie Straßenbau, Müllabfuhr oder Friedhofsorganisation zuständig (Kübler 2012, S. 6).
Neben diesen drei Beispielen für Metropolitaninstitutionen lassen sich Berlin, Zürich und bedingt auch Paris aufgrund ihrer geopolitischen Lage zusammenfassen. Wie bei der Fallauswahl bereits angedeutet, liegen alle drei Städte innerhalb einer etablierten politischen Einheit, die einen beträchtlichen Anteil der Metropolregion abdeckt. Im Fall Zürich ist der Kanton nahezu identisch mit der durch Pendlerströme definierten Metropolregion. In Berlin deckt das Land Berlin die Stadtregion ab, Teile Brandenburgs sind hier allerdings nicht mit eingeschlossen, obwohl ebenfalls intensive Pendlerbeziehungen bestehen. Die Pariser Departements bilden die 1971 gegründete Region Ile-de-France.3 Über die Jahre hat sich die Metropolregion jedoch auch hier über die Grenzen der 8 Pariser Kerndepartemente ausgebreitet. Eine eigene Institution auf Metropolebene ist in keinem der drei Fälle entstanden. Was bedeutet dies für die Politiksteuerung in den Metropolregionen?
In Zürich hat ein Upscaling stattgefunden. Aufgaben, die ursprünglich von den Gemeinden übernommen wurden, sind heute auf Kantonsebene angesiedelt. Insbesondere im Bereich der Verkehrspolitik hat sich mit dem Zürcher Verkehrsverbund eine Agentur auf Kantonsebene etabliert, die gemeinsam mit dem Kanton den regionalen Verkehr plant und umsetzt (Koch 2011). Im Bereich der Wirtschaftsförderung wurde 1998 eine eigene Agentur, die Greater Zurich Area (GZA) ins Leben gerufen. Hier ist eine Interpretation über die Grenzen des Kantons Zürich hinaus zu erkennen, da an der Public-Private-Partnership neben Zürich weitere angrenzende Kantone beteiligt sind. Der Vorsitzende des Stiftungsrats wird allerdings grundsätzlich vom Kanton Zürich gestellt.4 In der Gesamtschau bleibt die Wirtschaftsförderung damit eher die Ausnahme, generell bedeutet Urban Governance in der Schweiz laut Kübler und Kollegen (2005) eher eine zunehmende horizontale und vertikale Zusammenarbeit zwischen bestehenden Institutionen, während neue Regierungsformen bisher kaum relevant sind.
In Berlin kann nicht von einem Upscaling gesprochen werden, da der besondere Status des Stadtstaats seit Gründung des Bundesrepublik 1949 bereits zahlreiche Aufgaben auf Landesbzw. Stadtebene definiert, die aufgrund der fehlenden Gemeindeebene nie auf einer unteren Stufe geregelt waren. Im Gegenteil ist es daher mit einer Gebiets- und Funktionalreform 1998 zu einem Downscaling gekommen (Röber und Schröter 2002). Die Berliner Bezirke wurden von 23 auf zwölf reduziert und erhielten in der gleichen Reform mehr Zuständigkeiten zugesprochen. Die Stadt Berlin, die sogenannte Einheitsgemeinde, ist dabei nach wie vor für alle Angelegenheiten zuständig, die „von gesamtstädtischer Bedeutung sind“ (Röber und Schröter 2002, S. 163), wie etwa Verkehrs- und Stadtplanung (Kuprath 2002, S. 215). Stockend verlaufen hingegen alle Versuche, eine Metropolregion Berlin-Brandenburg zu etablieren. 1996 wurde zwar im Zuge der geplanten Fusion der Länder Berlin und Brandenburg eine gemeinsame Landesplanungsabteilung gegründet. Nach dem Scheitern des Referendums im gleichen Jahr blieb es aber die einzige formale Zusammenarbeit der beiden Staaten (Häussermann 2003, S. 115). Heute gibt es zwar die sogenannte Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg, diese beschränkt sich aber im Wesentlichen auf das Label. Institutionalisierte Zusammenarbeit gibt es nur punktuell, wie etwa durch den gemeinsamen Vertrag mit der Berliner S-Bahn oder im Abfallwesen. In der Wirtschaftsförderung gibt es einen gemeinsamen Webauftritt als Capital Region, dahinter stehen aber die Wirtschaftsförderungen der beiden Länder, nicht etwa eine gemeinsame Institution. In Berlin-Brandenburg sind somit die klassischen Institutionen der beiden Länder nach wie vor maßgebend in den regionalen politischen Entscheidungsprozessen, eine Institutionalisierung auf regionaler Ebene findet nicht statt.
Paris ist aufgrund der zentralstaatlichen Organisation Frankreichs etwas anders gelagert. Als Hauptstadt war es zum einen weniger autonom in der Umstrukturierung lokaler Entscheidungsstrukturen. Im Vergleich zu anderen französischen Regionen nimmt die Zentralregierung stärkeren Einluss, gerade in Bereichen wie der Verkehrspolitik oder der Raumplanung (Lefèvre 2003, S. 291). Auf der anderen Seite konnte es bei der Bewältigung von ökonomischen und anderen Urbanisierungsherausforderungen stets auf die Unterstützung nationaler Behörden bauen (Röber und Schröter 2007, S. 38). Bestehende Institutionen auf Ebene des Nationalstaats, der einzelnen Departements und der Region Ile-de-France spielen nach wie vor eine große Rolle, kooperieren aber zunehmend (Nicholls 2005, S. 797). Unter Sarkozy wurde das Projekt Grand Paris angestoßen, das die Innenstadt und die Außenbezirke der Region näher zusammen bringen soll. Es werden Ideen gesucht, wie die trennende Barriere der Stadtautobahn um Paris herum aufgelöst werden kann und die Region verkehrspolitisch und architektonisch integriert werden kann. Das Projekt befindet sich allerdings noch in der Planungsphase. Wie erfolgreich die Pläne letztlich umgesetzt werden können, bleibt offen, zumal Sarkozy als zentraler Förderer seit 2012 nicht mehr im Amt ist.5 Insgesamt spielen Kooperationen zwischen den bestehenden Institutionen somit eine zunehmende Rolle in Paris. Es gibt noch kein Selbstverständnis als integrierte Metropolregion, aber immer mehr Verlechtungen zwischen Departements, der Region Ile-de-France und der nationalen Regierung, in die auch private und öffentliche Akteure verstärkt mit einbezogen werden.
Zuletzt können Birmingham und Bern als Beispiele für Metropolregionen genannt werden, die nicht in eine bestehende, höher gelegene politische Ebene eingebettet sind, und eine solche auch nicht geschaffen haben. Birmingham liegt in der Region West Midlands, die zwischen 1974 und 1986 von einem direkt gewählten metropolitan county council verwaltet wurde. Ebenso wie der Greater London Council wurde dieser jedoch 1986 aus politischen Gründen von der Thatcher Regierung wieder abgeschafft. Seitdem wird die Region von verschiedenen Agenturen und Partnerschaften verwaltet, politische Institution bestehen nur auf Ebene der sieben Distrikte, von denen die Stadt Birmingham der größte ist (van den Berg et al. 2004, S. 87). Die Aulösung der formalen Institutionen auf Metropolitanebene hat zu einer kooperativen Steuerung geführt, insbesondere Verkehr und Raumplanung werden gemeinsam von Akteuren aus den verschiedenen Teilen der Region organisiert (Murie et al. 2003, S. 62). Unter der Labour-Regierung wurden zudem 1997 regionale Wirtschaftsagenturen (Regional Development Agencies (RDA)) eingeführt, so auch die Agentur Advantage West Midlands. Die erneute Abschaffungunter Cameron 2012 zeigt jedoch, wie die Londoner Regierung es den Regionen schwer macht, eine eigenständige räumliche Integration zu erreichen. Birmingham ist es somit gewohnt, mit sich verändernden Institutionen umzugehen, was zu einer Entkopplung von diesen und einer Verteilung der Kompetenzen auf verschiedene Akteure geführt hat.
Bern ist die Bundesstadt der Schweiz und liegt im gleichnamigen Kanton Bern, der eine deutlich größere Fläche umfasst, als aufgrund der Pendlerströme zur Metropolregion Bern hinzuzuzählen sind. Es gibt daher keine höhere Ebene in Bern, die natürlicherweise für regionale Aufgaben heranzuziehen wäre, sondern es wird dem Leitbild der lokalen Autonomie gefolgt, die durch aufgabenspezifische Regionalisierung ergänzt wird (Koch 2013, S. 18). Ausgehend von der Stadt Bern wurden bereits seit den 60er Jahren interkommunale Kooperationen gesucht, die seit 2006 in Form der Regionalkonferenz Bern-Mittelland teilweise institutionalisiert wurde.6 Die Regionalkonferenz besteht aus 96 Gemeinden, deren Gemeindepräsidenten die Regionalversammlung bilden. Es handelt sich somit nach wie vor um eine interkommunale Kooperation, weniger um eine eigene Institution. Jedoch repräsentieren die Regionalkonferenzen auf diese Weise die gesamte von regionalen Verkehrs- und Wirtschaftsfragen betroffene Region und nicht nur die einzelnen Gemeinden. Aus den vorhandenen Institutionen auf den verschiedenen politischen Ebenen ist eine dauerhafte Kooperation zur Lösung bereichsspezifischer regionaler Aufgaben7 entstanden, die verbindliche Entscheidungen für die beteiligten Gemeinden trifft. Dies kann auf eine mittelfristige Konsolidierung hinweisen.
Der Überblick über die acht Metropolregionen stützt die Hypothese, dass es keinen eindeutigen Trend von Government zu Governance gibt. Regionen wie Birmingham und Paris haben sich zwar eher von Government zu Governance entwickelt, andere wie Stuttgart und London haben aber die entgegengesetzte Entwicklung von Governance zu Government vollzogen. Wieder andere sind bei bestehenden Institutionen (Zürich, Berlin) oder bereits etablierten Netzwerkstrukturen (Bern, Lyon) geblieben. Ein klarer Trend ist somit nicht feststellbar.
Hinsichtlich der Kontextfaktoren hat sich eine Bedeutung der geopolitischen Lage gezeigt. Zürich und Berlin liegen beide in einem föderalen Staat und können auf eine übergeordnete politische Ebene zurückgreifen, die den Grenzen der Metropolregion ähnlich ist. In Berlin sind diese allerdings deutlich zu eng gesteckt, durch die historische Trennung von Berlin und Brandenburg sind institutionalisierte Kooperationen mit dem Umland aber nach wie vor gering. Metropolregionen, die sich in einer deutlich größeren übergeordneten Einheit befinden, haben hingegen eher eine Umstrukturierung der regionalen Entscheidungsstrukturen vornehmen müssen. Stuttgart, London und Lyon haben eigene Institutionen gebildet, Bern ist auf dem Weg dorthin, auch wenn in Lyon und Bern die Entscheidungen derzeit noch stark von Netzwerken geprägt sind, wie im folgenden Abschnitt zu sehen sein wird.
Der nationale Kontext macht ebenfalls einen Unterschied. In Großbritannien sind die institutionellen Entwicklungen von London und Birmingham stark von der nationalen
Regierung abhängig und wurden in der Vergangenheit auch von dieser geprägt. Auch in Paris und Lyon wurden die Institutionen von der Zentralregierung gelenkt. In den Föderalstaaten Deutschland und Schweiz sind regionale Kooperationen hingegen von unten entstanden – oder nicht entstanden – dies gilt auch für die Hauptstädte Berlin und Bern. In welche Richtung sich regionale Systeme entwickeln, wenn sie zentral gelenkt werden, ist jedoch nicht ganz eindeutig. Im Fall Großbritannien handelt es sich um eine politische Frage, da Labour eher für Regionalisierung steht als konservative Regierungen. In Frankreich ist ein Unterschied zwischen Paris und anderen Metropolregionen wie Lyon festzustellen, da Paris als Nabel des Landes unter besonders starkem Einluss der nationalen Ebene steht.
Als letztes führt Hypothese K den Problemdruck und dessen regionale Interpretation als möglichen Kontextfaktor für verschiedene regionale Entwicklungen auf. In der Tat wurden in den Fällen neue Institutionen gegründet, in denen sich um die regionale Wirtschaft und Entwicklung gesorgt wurde. Stuttgart nahm dies zum Anlass für die Gründung des VRS, in London folgte man den guten Erfahrungen aus anderen Regionen. Grand Lyon war ebenfalls Ergebnis der nationalen Sorge, dass andernfalls das zunehmende urbane Wachstum nicht genügend gesteuert würde. Das Thema Verkehr war hingegen in keinem der Fälle ausschlaggebend für die Gründung einer eigenen Institution. In Zürich ist der Verkehr auf kantonaler Ebene zwar am weitesten institutionalisiert, eine neue regionale Institution ist aber nicht entstanden. Ebenso ist in Berlin die Verkehrsplanung weiterhin Sache der Länder Berlin und Brandenburg und Kooperationen bestehen nur in Form einzelner Verträge oder Transportagenturen wie den VBB (Verkehrsbetriebe BerlinBrandenburg). Bestehen die urbanen Herausforderungen vor allem im Bereich Verkehr, entschieden sich die meisten der Regionen offenbar für eine bereichsspezifische Regulierung. In der Diskussion um Grand Paris spielt der Verkehr allerdings eine bedeutende Rolle, bisher ist aber auch noch keine neue Institution entstanden.
- [1] Mehr Informationen über den Regionalverband finden sich auf der Homepage region-stuttgart.org (Zugegriffen 11.07.2012).