Vorstellungen (beliefs)

Beliefs might be thought of as lenses through which one looks when interpreting the world

[…] (Philipp 2007, S. 257f.).

Vorstellungen sind individuelle mentale Konstrukte, die die Gedanken von Individuen zu ganz verschiedenen Bereichen des Lebens und der Welt umfassen. Vorstellungen können an das Bild Philipps anknüpfend als „Objektive (lenses)“ bezeichnet werden, die die Sichtweise von Menschen beeinflussen. Sie nehmen hiernach Einfluss auf die Art und Weise, wie Menschen die Welt als Ganzes und einzelne Ausschnitte hiervon betrachten.

In der Literatur sind verschiedene Bezeichnungen für das Konstrukt „Vorstellung“ geläufig, weshalb im Folgenden zunächst eine Beschreibung der Terminologie und eine begriffliche Klärung erfolgt (vgl. Kapitel 3.1). In der Lehrervorstellungsforschung wird über die begriffliche Unschärfe hinaus kritisiert, dass das Konstrukt „Vorstellung“ (oder wie diese Kognition [1] im jeweiligen Kontext bezeichnet wird) zum einen unzureichend definiert und zum anderen nicht von ähnlichen Konstrukten abgegrenzt wird (vgl. u. a. Voss et al. 2013, S. 249; Wischmeier 2012, S. 168). Um den Begriff „Vorstellung“ für die Verwendung im Rahmen der vorliegenden Arbeit definieren zu können, werden im Kapitel 3.2 deshalb zunächst die formalen Merkmale von Vorstellungen erläutert. Anhand dieser kann auch eine Systematisierung der Vorstellungsforschung in Felder vorgenommen werden. In Kapitel 3.3 werden daran anknüpfend Eigenschaften und Funktionen von Vorstellungen auf Basis bestehender Forschunsgergebnisse erläutert. Dies ist wesentliche Grundlage der in Kapitel 3.5 aufgestellten allgemeinen Vorstellungsdefinition. Im Rahmen der Erläuterung der Eigenschaften und Funktionen von Vorstellungen ist ein kurzer Exkurs zum Thema conceptual change erforderlich (vgl. 3.4), um die Eigenschaft „Stabilität und erfahrungsbasierte Veränderung von Vorstellungen“ verstehen zu können.

Die ausführliche Darstellung von Eigenschaften und Funktionen von Vorstellungen und die Definition des Begriffs im Rahmen dieser Arbeit sind einerseits zur theoretischen Fundierung notwendig. Andererseits ist die Auseinandersetzung mit Eigenschaften und Funktionen von Vorstellungen auch für die Auswertung des Interviewmaterials mittels der qualitativen Inhaltsanalyse voraussetzungsvoll. Nur wenn intersubjektiv nachprüfbar dargelegt ist, was unter einer Vorstellung verstanden wird, kann eine regelgeleitete und systematische, induktive Kategorienbildung erfolgen.

Im Hinblick auf die Abgrenzung des Konstrukts „Vorstellung“

von anderen Kognitionen ist vor allem die Unterscheidung zwischen „Vorstellung“ und „Wissen“ für die vorliegende Arbeit von Bedeutung. In Kapitel 3.6 werden deshalb zentrale Unterschiede, aber auch die Nähe beider Konstrukte zueinander, herausgearbeitet. Aufgrund ihrer prominenten Bedeutung innerhalb der Vorstellungsforschung und ihrer inhaltlichen und methodischen Relevanz für die vorliegende Arbeit wird im Rahmen eines Exkurses in Kapitel 3.7 auf das Konstrukt „epistemologische Überzeugung“, seine Forschungsgeschichte sowie wesentliche Implikationen für die Erhebung von Vorstellungen eingegangen.

  • [1] Als kognitive Merkmale werden in der psychologisch-pädagogischen Literatur all jene Merkmale verstanden, die eng mit dem Denken verknüpft sind, vorrangig Wissen und Vorstellungen, aber auch die Bereiche Selbstregulation und Motivation (vgl. Kunter/Pohlmann 2009, S. 264).
 
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