Ausgleich von Marktungleichgewichten mit Regelenergie
Aufgrund der Vielzahl an Bilanzkreisen, die in einer Regelzone bewirtschaftet werden, gleichen sich die Abweichungen der verschiedenen Bilanzkreise teilweise aus. Dennoch ist der Saldo aller Bilanzkreise nie exakt null und somit Angebot und Nachfrage zunächst nicht im Gleichgewicht. Die Nichtlagerbarkeit von Strom führt jedoch dazu, dass sich Angebot und Nachfrage stets entsprechen müssen. Für den Ausgleich von Differenzen zwischen Angebot und Nachfrage setzt ein ÜNB deswegen Regelenergie ein. Die benötigte Menge an Regelenergie in einer Viertelstunde entspricht exakt dem Saldo der Ausgleichsenergie aller Bilanzkreise. Ist die Summe der Erzeugung kleiner als der Verbrauch, wird positive Regelenergie eingesetzt. Im umgekehrten Fall, wenn die Erzeugung größer ist als der Verbrauch, wird negative Regelenergie eingesetzt[1]. Positive Regelenergie wird dabei meist durch eine Erhöhung der Erzeugung eines Kraftwerks erbracht, negative Regelenergie durch eine Verringerung der Erzeugung. Damit jederzeit ausreichend positive oder negative Regelenergie zur Verfügung steht, müssen stets Kraftwerke einsatzbereit sein, welche die für die Bereitstellung von Regelenergie notwendige Flexibilität zur Verringerung oder Erhöhung der Erzeugung besitzen. Diese Kraftwerke werden als Regelenergiekraftwerke bezeichnet, die von ihnen vorgehaltene flexible Leistung als Regelleistung. Die Höhe der vorzuhaltenden Regelleistung in einer Regelzone ist so dimensioniert, dass ein Marktgleichgewicht für mindestens 99,975 % aller Viertelstunden gewährleistet ist.
Technisch gesehen hängt das Marktgleichgewicht mit der Frequenz im Stromnetz zusammen. Ein Ungleichgewicht am Markt lässt sich daher an einer Abweichung der Frequenz gegenüber der Zielgröße von 50 Hz erkennen[2]. Dabei steigt die Frequenz bei einem Überangebot über 50 Hz und sinkt bei einem Unterangebot unter 50 Hz. Bei einer Abweichung der Frequenz erfolgt in der Regel unverzüglich ein Abruf von Regelleistung. Dazu muss zumindest ein Teil der Regelleistung ent-
sprechend schnell abrufbar sein. Wie in Abb. 2.4 dargestellt, wird dies durch die Primärregelleistung gewährleistet. Diese wird in großen thermischen Kraftwerken
Abb. 2.4 Zeitlicher Ablauf des Regelleistungsabruf (eigene Darstellung nach Swider 2006, S. 10)
über das gesamte europäische Verbundnetz verteilt vorgehalten und in Abhängigkeit der Netzfrequenz dezentral und vollautomatisch eingesetzt. Die Primärregelleistung ist mit einem Umfang von drei GW so dimensioniert, dass sie jederzeit den Ausfall von zwei bis drei großen Kraftwerksblöcken gleichzeitig ersetzen kann. Innerhalb von zwei Minuten wird die Primärregelleistung durch die Sekundärregelleistung ersetzt. Der Einsatz erfolgt im Gegensatz zur Primärregelleistung zentral durch den ÜNB, in dessen Regelzone das Ungleichgewicht besteht[3]. Hierzu verwendet der ÜNB ebenfalls automatisierte Systeme. Die Tertiärregelleistung wird wie die Sekundärregelleistung durch den von einem Ungleichgewicht betroffenen ÜNB eingesetzt. Allerdings erfolgt der Einsatz manuell und nur wenn eine Störung längere Zeit besteht. In Deutschland setzen die vier ÜNB die Sekundärregelleistung und Tertiärregelleistung koordiniert ein. Dies bedeutet, dass die Abweichungen der vier Regelzonen zunächst saldiert werden und nur der Saldo ausgeglichen wird[4].
Die Vorhaltung von Regelleistung schränkt Kraftwerksbetreiber bei der Kraftwerkseinsatzplanung ein. Daher erhalten diese hierfür eine Vergütung. Die auch als Leistungspreis bezeichnete Vergütung wird über einen Marktmechanismus ermittelt. Hierzu führen die deutschen ÜNB regelmäßig gemeinsame Ausschreibungen durch, bei denen die Anbieter mit dem günstigsten Leistungspreis den Zuschlag erhalten. Die von einem Regelenergiekraftwerk erbrachte Regelenergie wird über den sogenannten Arbeitspreis abgerechnet. Der Arbeitspreis kann vom Anbieter vor der Ausschreibung beliebig festgelegt werden. Der Einsatz der Regelenergiekraftwerke erfolgt beim ÜNB nach der Reihenfolge dieser Arbeitspreise[5]. Bei positiver Regelenergie werden die Kraftwerke mit dem niedrigsten Arbeitspreis zuerst eingesetzt. Je größer die auszugleichende Abweichung ist, desto höher ist folglich
Abb. 2.5 Preis für Regelenergie und Regelzonensaldo für alle Viertelstunden des Monats März 2011 im Vergleich (eigene Darstellung mit Daten von TransnetBW 2013)
der vom ÜNB zu zahlende durchschnittliche Arbeitspreis. Umgekehrt sinkt der durchschnittliche Arbeitspreis mit zunehmender Abweichung bei negativer Regelleistung. Da der Ausgleichsenergiepreis, der für die Abrechnung von Bilanzkreisabweichungen verwendet wird, stark von den durchschnittlichen Arbeitspreisen abhängt, gibt es auch einen Zusammenhang zwischen Ausgleichsenergiepreis und Höhe der Abweichung. In Abb. 2.5 ist dieser Zusammenhang deutlich erkennbar.
Für einen Marktteilnehmer hat der Ausgleichsenergiepreis folgende finanzielle Bedeutung: Weist sein Bilanzkreis eine Abweichung auf, die der Richtung der Abweichung des Saldos der Regelzone entspricht, entstehen gegenüber einer Transaktion auf dem Großhandelsmarkt in der Regel höhere, im umgekehrten Fall niedrigere Kosten. Höhere Kosten gegenüber Markttransaktionen entstehen durch Ausgleichsenergie folglich dann, wenn die Abweichung eines Bilanzkreises positiv mit der Abweichung des Saldos der Regelzone korreliert ist. Häufig ist dies bei großen individuellen Abweichungen eines Bilanzkreises der Fall, da durch eine große Abweichung auch der Saldo der Regelzone beeinflusst wird.