Gibt es besonders häufige eigene gefährdende Verhaltensmuster oder typische berufliche Konstellationen bei arbeitsbezogenen psychischen Störungen?

Verhaltensmuster/Charakterzüge

Gerade Menschen, die an sich selbst hohe Ansprüche stellen und beruflich viel erreichen wollen und dafür auch bereit sind, bis an ihre persönlichen Grenzen zu gehen und/oder alle Aufgaben 100%ig zu erledigen, sind besonders gefährdet, das Burnout-Syndrom zu entwickeln. Es sind nicht selten Menschen mit solchen überhöhten Ansprüchen an sich selbst, die es ab einem gewissen Punkt nicht mehr schaffen, eine absolute Grenze ihrer Arbeitsbelastung zu ziehen, und sich für längere Zeit überfordern. Für nahezu jeden Menschen sind berufliche Anerkennung und eine damit verbundene auskömmliche finanzielle Situation wichtig für ein als gelungen empfundenes Leben. Nicht selten spielen bei Menschen mit Burnout-Gefährdung jedoch auch die Grundzüge einer im Kern selbstunsicheren Persönlichkeit eine Rolle, die schon immer zu besonderem Ehrgeiz und besonderem Engagement im Beruf motiviert haben. Der berufliche Erfolg hat dabei dann neben dem unmittelbaren Nutzen auch noch die Funktion, ein eventuell nicht ganz so stabiles Selbstwertgefühl quasi „von außen zu stützen“. Aber auch „schon immer“ für eine bestimmte Sache besonders motivierte und begeisterungsfähige Menschen können sich schrittweise überfordern, die eigenen Belastungsgrenzen dauerhaft übergehen und dann unter ungünstigen weiteren Umständen in einen Burnout-Prozess geraten. Frei nach dem bekannten Motto: „Das Hamsterrad sieht von innen aus wie eine Karriereleiter“.

Häufig betroffen sind auch alleinerziehende oder -pflegende Menschen, die sich von den kombinierten Anforderungen aus Privatleben und Beruf, zumal mit der Notwendigkeit der finanziellen Existenzsicherung, immer mehr überfordert fühlen, aber keinen Ausweg und keine Hilfe sehen. Sie arbeiten nicht selten so lange über die physiologische Grenze der persönlichen Belastbarkeit, „bis es nicht mehr geht“, d. h. eine seelische oder körperliche Erkrankung auftritt, z. B. chronische Rückenoder Nackenschmerzen, aber auch z. B. ein Herzinfarkt.

Aber dies sind nur einige mögliche und vereinfachte Muster von vielen möglichen individuellen und organisationalen Bedingungen und Situationen, die eine arbeitsplatzbezogene seelische Krise auslösen können. Betroffene Menschen profitieren nicht selten sehr von vor allem kurzpsychotherapeutischen Beratungen, in denen sie lernen können, eigene Grenzen eher und adäquat wahrzunehmen und darauf so früh wie möglich zu reagieren. Manchmal wird in solchen kurzpsychotherapeutischen Beratungen auch deutlich, dass komplexere und bislang eher verdrängte, ungelöste innerseelische Konflikte oder auch Konflikte innerhalb der Kernfamilie bestehen. Hier kann dann eine längerfristige, meist ambulante psychotherapeutische Behandlung wesentlich helfen. An dieser Stelle sei auf einen kritischen Aspekt zum sogenannten Coaching hingewiesen: Da dies ein nichtgeschützter Begriff ist, kann Coaching auch von Menschen angeboten werden, die keine eigene klinische Erfahrung mit der Diagnose und Behandlung von krankheitswertigen seelischen und psychosomatischen Störungen haben, auch das diesbezüglich verfügbare, evidenzbasierte Behandlungsspektrum eventuell nicht kennen oder einleiten/anwenden können. Dies ist bei der Beratung von Menschen mit nichtklinischen Befindlichkeitsstörungen oder Fragen zur eigenen Arbeitsorganisation kein Problem. Allerdings kann so die rechtzeitige Behandlung einer klinisch krankheitswertigen seelischen Beeinträchtigung übersehen werden.

Wurde in Ihrer Firma bei Arbeitsüberlastung schon einmal Coaching angeboten?

 
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