Anwendungsbeispiel: Der Forecast eines Maschinenbauers
Die Auslastungsplanung der (fiktiven) Westfälische Rollenlagerunion ist unbefriedigend: Die Lieferzeit der vier verschiedenen Maschinentypen zur Bearbeitung von Rollen-, Kugel-, Kegeloder Wälzlägern ist länger als bei Wettbewerbern, denn die Produktion erfolgt erst nach Auftragseingang. Pro Jahr bearbeitet die Produktion zwischen 150 und 250 Aufträge für je eine bis zehn Maschinen. Die Rollenlagerunion möchte nun umstellen und schon mit der Produktion beginnen, sobald ein Auftrag mit einer noch von der Unternehmensleitung festzulegenden Wahrscheinlichkeit eingehen wird. Kommt der Auftrag nicht, ist es ohne größeren Aufwand möglich, die teilfertige Maschine einzulagern und dann für einen anderen Auftrag fertig zu stellen. Somit benötigt die Produktionsabteilung Prognosedaten. Doch auch die Einkaufsabteilung fragt nun den Forecast nach, denn sie muss die üblichen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe vorhalten bzw. rechtzeitig beschaffen, ohne durch einen zu hohen Lagerbestand überflüssige Lager- und Kapitalbindungskosten zu verursachen, aber sie muss auch Spezialteile für die jeweiligen Maschinentypen ordern, deren Beschaffung einen gewissen Vorlauf benötigt.
Die Geschäftsführung beauftragt den Vertriebsleiter, der sechs Account Manager führt, aber auch selbst akquiriert, einen rollierenden Forecast auf Monatsbasis zu erstellen. Der Vorlauf soll sechs Monate betragen. Ferner möchte die Geschäftsführung zu Beginn eines jeden Quartals eine Absatzprognose für die kommenden 12 Monate haben, also über die sechs Planungsmonate hinaus einen Ausblick für die darauffolgenden sechs Monate.
Der Vertriebsleiter der Rollenlagerunion entscheidet sich zu folgendem Vorge-
hen:
1. Die Grundlage seines Forecast-Prozesses soll ein rollierender Forecast sein.
2. Für das kommende Jahr soll die Qualität dieses rollierenden Forecasts durch die Einbeziehung mathematischer, vergangenheitsorientierter Modelle (Extrapolationen) abgesichert werden.
3. Den Jahresausblick wird am Ende eines jeden Quartals eine Estimation Group erstellen. Hierbei soll sie sowohl den rollierenden Forecast für die ersten sechs Monate berücksichtigen, als auch die diversen Extrapolationen.
Schritt 1: Rollierender Forecast
Der Einstieg ist einfach: Der Vertriebsleiter bittet die Verkäufer (und macht es natürlich auch selbst), ihre erwarteten Projektabschlüsse zu melden. Dabei soll nach Maschinentyp differenziert werden. Die Anforderung an die Verkäufer ist, hier anders als in Kap. 4.2 gezeigt, die Abschlusswahrscheinlichkeit ihrer Projekte selbst zu ermessen. Natürlich wäre auch ein Forecast möglich, in dem sämtliche Verkaufsprojekte erfasst und die jeweiligen Auftragswahrscheinlichkeiten geschätzt und deren Forecast-Werte wie in Tab. 4.5 gezeigt in die Berechnung einbezogen werden. Eine Benennung der konkreten Projekte, also auch der Kunden, soll hinterlegt sein, wird aber in der Forecast-Auswertung nicht angezeigt. Hierfür wird ein Excel-Sheet angelegt, in dem die Sekretärin die gemeldeten Daten einträgt. Es entsteht der in Tab. 6.1 dargestellte Forecast, der je Maschinentyp einen fixen Auftragswert unterstellt.
Aus dieser Tabelle ist grundsätzlich erkennbar, welche Maschinen des Typs A bis D die jeweiligen Verkäufer wann abzusetzen gedenken. Allerdings ist sie wenig übersichtlich. Es sollten also je nach Informationsbedarf weitere Auswertungen gemacht werden. Soll z. B. die individuelle Performance der Verkäufer betrachtet werden, wird eine Summenbildung, wie sie Tab. 6.2 wiedergibt, errechnet.
Natürlich ist auch eine grafische Auswertung möglich, wie es Abb. 6.1 und 6.2 zeigen. Tabellenkalkulationsprogramme bieten hierzu mächtige Hilfsmöglichkeiten.
Ebenso ist eine Auswertung aus Sicht der zu erwartenden Verkaufs- und damit Produktionsmengen der verschiedenen Maschinentypen möglich, wie Tab. 6.3 sie darstellt.
Mögliche Auswertungen in grafischer Form zeigen Abb. 6.3 und 6.4.
Auffällig sind die Schwankungen in der geplanten Absatzmenge, vor allem in den Perioden M + 5 und M + 6. In diesem Falle sind sie jedoch durch die Ferienzeit, die am Ende von M + 4 beginnt und Mitte M + 5 endet, leicht zu erklären, denn direkt im Anschluss an die Ferien sind nur wenige Aufträge zu erwarten. Erst in M + 6 werden wieder mehr Aufträge erwartet.
Der Forecast wird monatlich erstellt und ständig fortgeschrieben. Auch wird er jeweils gespeichert, um im Zeitverlauf die Qualität der ursprünglichen Prognose
Tab. 6.1 Basis-Forecast der Rollenlagerunion
messen und bewerten zu können. Er erfüllt die Erwartungen und befriedigt die Informationsbedürfnisse der Produktions- und der Einkaufsabteilung.