Zusammenfassung und Fazit
Im Mittelpunkt dieses Beitrags stand die Frage, von welchen Faktoren das Vertrauen der EU-Bevölkerung in die Europäische Union abhängt. Insbesondere haben wir untersucht, inwiefern direkte Leistungszuschreibungen einerseits und indirekte „Hinweise“ aus dem nationalen politischen System andererseits das EU-Vertrauen beeinflussen. Für die Ableitung unserer theoretischen Annahmen haben wir zum einen den institutionalistischen bzw. utilitaristischen Erklärungsansatz und zum anderen den Cueing-Ansatz herangezogen.
Empirisch erweisen sich sowohl die Extrapolation von nationalem Vertrauen auf die EU als auch die Zuschreibung von Performanzen als je eigenständige und bedeutsame Quelle von EU-Vertrauen. Die Frage, welche von beiden den stärkeren Einfluss auf das EU-Vertrauen ausübt, konnte hier jedoch nicht eindeutig beantwortet werden. Zwar deuten die Analysen auf eine leichte Dominanz der Performanzzuschreibung hin. Allerdings darf man diese so nah beieinander liegenden Effekte in ihrem relativen Gewicht nicht überbewerten, handelt es sich doch um eine Momentaufnahme. Auch konnte letztlich empirisch nicht gezeigt werden, dass es sich hierbei tatsächlich um kausale Effekte handelt, da die Ergebnisse auf Querschnittsanalysen beruhen. Die Annahme, dass Leistungsbewertungen und nationales Vertrauen eine Auswirkung auf das EU-Vertrauen der Bürger haben und nicht umgekehrt, kann an dieser Stelle zwar nur theoretisch begründet bleiben, erscheint angesichts der oben ausgeführten Überlegungen jedoch als die plausibelste Interpretation der identifizierten Zusammenhänge. Der Befund, dass Leistungszuschreibungen und nationale Cues einen vergleichbaren Einfluss auf EU-Vertrauen ausüben, widerspricht bisherigen Studien, die übereinstimmend nationales Vertrauen als dominierenden Faktor herausstellen. Dieses Resultat hat erstens Konsequenzen für die Einschätzung der Handlungsfähigkeit der EU, zum Beispiel hinsichtlich der Rückgewinnung von im Zuge der „Eurokrise“ verlorenem Vertrauen. Anders als Armingeon und Ceka (2013) annehmen, kann die EU offenbar durchaus durch eigenes Agieren dazu beitragen, dass die Menschen sie als vertrauenswürdigen politischen Akteur wahrnehmen und muss dies nicht ausschließlich den nationalen Regierungen überlassen. Zweitens ist das Ergebnis für die Frage nach der Legitimität der Union bedeutsam. Wenn die Bürger die Union vor allem indirekt über die Unterstützung der nationalen politischen Systeme legitimieren und somit die Entwicklung der EU von einem intergouvernementalen zu einem zunehmend supranationalen System nicht nachvollziehen, spiegelt diese indirekte Legitimation die politische Realität nicht mehr angemessen wider. Dies kann letztlich sowohl die empirische Legitimität der EU als auch die nationaler Demokratien untergraben, da beiden Ebenen ihre jeweiligen politischen Verantwortlichkeiten und die Ergebnisse ihres Handelns nicht angemessen zugeschrieben werden (Hurrelmann 2007). Demgegenüber deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass in der Bevölkerung neben einer indirekten auch eine direkte Legitimationsbasis für die Union besteht, was dafür spricht, dass die angesprochenen Probleme zumindest nicht so gravierend sind, wie die Befunde früherer Studien mit ihrem starken Fokus auf nationale Cueing-Effekte nahelegen.
Ob der deutliche Einfluss von Performanzbeurteilungen auf die verstärkte öffentliche Diskussion über die EU und deren politisches Agieren im Zuge der gegenwärtigen europäischen Staatsschuldenkrise zurückgeht, kann an dieser Stelle nicht entschieden werden. Zukünftige Forschung sollte diese Entwicklung daher verfolgen und insbesondere hinsichtlich der möglichen (veränderten) Zusammenhänge zwischen EUVertrauen und subjektivem und objektivem politischen Wissen, Cueing-Effekten und zugeschriebenen Performanzen analysieren. Nur so kann die Verflechtung der verschiedenen Unterstützungs- und Legitimationsformen im Mehrebenensystem der EU adäquat erfasst und erklärt werden.