Empirische Analyse: Die Messung der Wahrnehmung der EU-Legitimität mit Repertory Grid
Operationalisierung: Elemente, Triaden, vorgegebene Konstrukte
Die Analyse basiert auf einem Datensatz von N = 26. Es handelt sich bei der Befragung um ein Pilotprojekt, bei dem Studierende interviewt wurden. Befragt wurden Studierende verschiedener Studiengänge [1] und Promovierende[2] im Zeitraum Juni/ Juli 2013.16 Da es sich bei den Daten um eine studentische Population handelt, können die getroffenen Aussagen auch nur für diesen Ausschnitt der Gesellschaft gelten. Nun kann dieser Gruppe möglicherweise eine bestimmte soziopolitische Orientierung unterstellt werden. Gleichzeitig kann dieser Gruppe jedoch auch, auf Grund ihrer Bildung, Interessen, Informiertheit und internationalen Vernetztheit, eine weit ausgeprägtere europäische Identität als dem Rest der Gesellschaft unterstellt werden, so dass für die Gesellschaft insgesamt eine noch viel distanziertere und ablehnendere Haltung gegenüber europäischen Institutionen zu erwarten ist. Diese These mittels Repertory Grid-Interviews auch anderer Gesellschaftsgruppen zu prüfen, könnte Gegenstand weiterer Forschung sein, die im Sinne von nested-analyses (Lieberman 2005) Einzelaspekte von Large-N Analysen vertiefen könnten. Für das Interview wurden zehn Elemente aus den Bereichen nationale Institutionen, europäische Ins-
Tab. 1 Elemente der Untersuchung
Nationale Institutionen: • Bundesregierung (BReg)
• Bundestag (BT)
• Bundesrat (BR)
• Bundesverfassungsgericht (BVerG)
Europäische Institutionen: • Europäische Kommission (EK)
• Europäisches Parlament (EP)
• Europäische Zentralbank (EZB)
• Europäischer Gerichtshof (EuGH)
Nicht-gewählte politische Akteure: • Expertengremien (EG)
Idealvorstellung von Legitimität: • Legitimste Entscheidungsträger (Ideal)
titutionen und dem idealen Leitbild eines legitimen Entscheidungsträgers definiert, um die normativen Standards und deren Übereinstimmung mit der angenommenen Herrschaftsordnung zu analysieren (Tab. 1).
Das Interviewdesign wurde triadisch angelegt, das heißt jeweils drei Elemente wurden zum Vergleich nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden gegenüber gestellt. Folgende Triaden wurden im Vorfeld für die ersten Interviewdurchgänge pro Befragten festgelegt. 1. Legitimste Entscheidungsträger – Bundesregierung – Europäische Kommission, 2. Legitimste Entscheidungsträger – Bundestag – Europäisches Parlament, 3. Bundesregierung – Europäische Kommission – Expertengremien und 4. Bundesverfassungsgericht – Europäischer Gerichtshof – Europäische Zentralbank. Alle nachfolgenden Elemente-Kombinationen im weiteren Verlauf der Interviews waren zufällige Kombinationen. In den Interviews wurden von den Befragten insgesamt 502 Konstrukte entwickelt, das heißt ein Datensatz mit 251 Fällen mit je zwei Polen liegt der Untersuchung zu Grunde. Das Untersuchungsdesign war gemixt angelegt. Nach jeweils 5–7 offenen Interviewdurchgängen, in denen der jeweils Befragte seine eigenen Konstrukte zur Charakterisierung der Elemente entwickelt hat, wurde der Befragte mit standardisierten Konstrukten konfrontiert, in die alle Elemente des Interviews eingeordnet werden sollten: bürokratisch vs. charismatisch, rechtmäßig vs. willkürlich, gewählt vs. ernannt, Vertrauenswürdigkeit vs. Unvorhersagbarkeit, transparent vs. hinter verschlossenen Türen, effizient vs. langsam, Experte vs. Generalist. Die vorgegebenen Konstrukte basieren auf theoretischen Überlegungen zur Legitimität der EU. Ziel dieses Vorgehens war die Evaluierung des methodischen Designs für Studien mit einer größeren Fallzahl, um möglicherweise den Zeitaufwand und die Komplexität der Befragung zu reduzieren.
Das Alleinstellungsmerkmal der Repertory Grid-Methode liegt zum einen in der vollkommenen Offenheit während der Befragung und gleichzeitig in der Möglichkeit, die erhobenen Daten sowohl mit Hilfe qualitativer als auch quantitativer Auswertungsmethoden zu analysieren. Und Repertory Grid ermöglicht eine Bewertung von der Übereinstimmung zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand durch den Befragten selbst. Tabelle 2 macht transparent, welche Methodik zum Test welcher Hypothese angewandt wurde. Neben der qualitativen Inhaltanalyse sind die Hauptkomponentenanalyse und Faktoranalysen, die Berechnung der euklidischen Distanzen, Clusteranalysen und Korrelationsberechnungen die grundlegenden Analyseverfahren.
Tab. 2 Hypothesen, Operationalisierung und Auswertungsmethoden
Hypothesen/Fragestellungen |
Operationalisierung |
Methodik |
H0: Der Legitimitätsbegriff der Befragten ist nicht homogen |
Beschreibung des Elements „legitimster Entscheidungsträger“ |
Qualitativ: Inhaltsanalyse Quantitativ: Deskriptive Statistik |
H1: Sowohl die nationalen als auch die europäischen Institutionen entsprechen nicht den idealen Vorstellungen eines legitimen Entscheidungsträgers |
a) Gruppenbildung nationale und europäische Institutionen b) Unterschiede zw. nationalen Institutionen und Legitimisten Entscheidungsträger c) Unterschiede zwischen europäischen Institutionen und legitimsten Entscheidungsträger |
Quantitativ: Euklidische Distanzen (Hauptkomponentenanalyse) und Faktorenanalyse (Elemente) |
H2a: Erwartet werden im Konkreten vor allem Forderungen nach mehr Beteiligung (direkte Partizipation) an den politischen Prozessen H2b: Expertengremien hingegen wird keine Legitimität zugeschrieben H3: Stattdessen wird die Forderung nach mehr Transparenz der Entscheidungen erwartet |
d) Beschreibung der Elemente „legitimster Entscheidungsträger“ und „Expertengremien“ e) Abgrenzung zwischen legitimsten Entscheidungsträger und Expertengremien |
Quantitativ: Euklidische Distanzen (Hauptkomponentenanalyse) und Faktoranalyse (Elemente) Qualitativ: Inhaltsanalyse |
- [1] Politikwissenschaft, Wirtschaftspsychologie, Wirtschaftspädagogik, Kulturwissenschaften, Staatswissenschaften, Lehramtsstudierende Sozialpädagogik und Wirtschaftspädagogik, Betriebswirtschaftslehre und Umweltwissenschaften der Leuphana Universität Lüneburg.
- [2] Promovierende der Politikwissenschaft und Psychologie der Leuphana Universität Lüneburg.