Kann ich zu lange schlafen?

Ein gesunder Mensch kann nicht wirklich zu lange schlafen. Unser Körper hat ein bestimmtes Schlafbedürfnis, und das ist nach einer bestimmten Schlafdauer erfüllt - und man wacht auf. Allerdings sollte man nicht unbedingt ewig im Bett weiter dösen, sondern dann auch wirklich aufstehen. Wenn sich aber Langschläfer mit ihrem langen Schlaf wohl fühlen und auch am Tage ausgeruht und fit sind, dann gibt es keinen Grund, das Schlafverhalten zu verändern.

Allerdings zeigen viele Studienergebnisse, dass ein regelmäßig sehr langer Schlaf (mehr als neun Stunden jede Nacht über viele Nächte hinweg) mit einer höheren Sterblichkeit und vielen verschiedenen Erkrankungen verbunden ist. Die Abbildung 1-2 zeigt das Sterblichkeitsrisiko in Bezug auf die Schlafstunden [9]. Die Daten basieren auf insgesamt 2,2 Millionen Menschen aus 40 wissenschaftlichen Studien. Das Sterblichkeitsrisiko war bereits bei einem regelmäßigen Schlaf von neun Stunden um das 1,13-Fache erhöht, während es bei elf Stunden schon fast 1,4-fach erhöht war (im Vergleich zu sieben Stunden Schlaf). Das bedeutet, dass Personen mit einer regelmäßigen Schlafdauer von elf Stunden ein 40 % erhöhtes Risiko haben, früher zu sterben, als Personen mit einer Schlafdauer von sieben Stunden. Dabei sind die tatsächlich geschlafenen Stunden gemeint, nicht die Stunden, die im Bett verbracht werden. Wer also neun Stunden im Bett bleibt, schläft wahrscheinlich nur acht Stunden oder weniger. Und es geht auch nicht um einzelne Nächte mit viel Schlaf, sondern um eine regelmäßige Schlafdauer über mehrere Wochen hinweg bei Erwachsenen. Insgesamt hat mich bei meiner Literatursuche zu diesem Buch selber überrascht, dass die Erhöhung des Sterblichkeitsrisikos für zu langen Schlaf viel höher ist als für zu kurzen Schlaf. Langer Schlaf ist auch mit einem Risiko für Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und einem höheren Risiko für Schlaganfall assoziiert [12].

Ist also zu langer Schlaf gesundheitsschädlicher als zu kurzer? Möglicherweise. Einige Wissenschaftler vermuten allerdings, dass der

Zusammenhang zwischen langem Schlaf und Erkrankungen eher von den Erkrankungen verursacht wird: Wenn Menschen z. B. an Depressionen, Schmerzen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, dann kann dies zu einer krankheitsbedingten Schlafverlängerung führen. Vielleicht ist die Schlafverlängerung auch ein frühes Symptom einer Erkrankung, die jedoch erst später wahrgenommen wird. Es gibt tatsächlich auch Erkrankungen, die direkt eine verlängerte, nicht erholsame Schlafdauer verursachen, wie z. B. die Narkolepsie. Patienten mit Narkolepsie schlafen am Tag immer wieder ungewollt ein, ohne dass sich dadurch der Nachtschlaf verkürzt (siehe Frage Was ist exzessive Tagesschläfrigkeit? in Kapitel 4). Andersherum können Atemaussetzer im Schlaf die Erhol-samkeit des Nachtschlafs stark verringern, ohne dass dies von den Patienten selbst bemerkt wird (siehe Frage Was sind schlafbezogene Atemstörungen? in Kapitel 4). Dies führt dann zu einer starken Tagesmüdigkeit und zusätzlichen Tagesschlafperioden. Zu langer Schlaf ist zusätzlich -wie auch der zu kurze Schlaf - mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status verbunden. Es könnte also auch eine ungesündere Lebensführung das Krankheitsrisiko erhöhen. Allerdings werden diese Gründe zwar häufig genannt, sie können aber nicht überzeugend den starken Zusammenhang zwischen zu langem Schlaf und der erhöhten Sterblichkeit erklären. Es bleibt also festzuhalten, dass eher ein deutlich zu langer Schlaf mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko zusammenhängt, ein zu kurzer Schlaf dagegen nur minimal.

 
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