Kam das Leben vom Mars?
DR. BRANDON CARTER
Labor des Universums und seiner Theorien, Observatorium Paris-Meudon, Frankreich
Wo und wann hat das Leben, so wie wir es kennen, angefangen?
Hat es auf der Erde begonnen?
Oder könnte es vom Mars gekommen sein?
Vor ein paar Hundert Jahren glaubten die meisten Leute, dass es
Menschen und andere Arten schon seit der Erschaffung der Welt gegeben habe. Man betrachtete die Erde im Wesentlichen als die Gesamtheit der diesseitigen Welt, und ihre Erschaffung stellte man sich als ein ziemlich plötzliches Ereignis vor, ähnlich dem Urknall, an den die Mehrheit der Wissenschaftler heutzutage glaubt. So wurde es in den Schöpfungsgeschichten wie etwa dem Buch Genesis, dem ersten Buch der Bibel, erzählt - und in anderen Kulturen rund um die Erde gibt es ähnliche Mythen von einem einmaligen Schöpfungsakt.

Obwohl sich einige Astronomen über die extrem große Ausdehnung des Weltraums Gedanken machten, begann dessen Erforschung eigentlich erst, nachdem Galileo (1564-1642) eines der allerersten Fernrohre gebaut hatte. Seine Entdeckungen machten deutlich, dass das Universum viele andere Welten umfasst, von denen einige unserem eigenen Planeten ähneln und möglicherweise bewohnt sein könnten. Die riesigen Ausmaße des Universums - und die Beweise dafür, dass es entstanden sein muss, lange bevor unsere eigene Spezies auf den Plan trat - wurden erst sehr viel später, im sogenannten Zeitalter der Aufklärung, erkannt. Dabei handelt es sich um jenen Zeitraum im 18. Jahrhundert, in dem viele bahnbrechende Dinge erfunden wurden, wie etwa der Gasballon und vor allem die Dampfmaschine. Diese Erfindungen lösten dann im 19. Jahrhundert technische Umwälzungen und in der Folge die industrielle Revolution aus. Während dieser Zeit der Neuerungen erforschten Geologen Gesteinsformationen, die durch Sedimentbildung in flachen Meeren entstanden waren, und gelangten zu der Erkenntnis, dass solche Prozesse offenbar nicht nur über Tausende oder gar Millionen von Jahren hinweg abgelaufen sind, sondern sich über Milliarden von Jahren hinzogen. Wissenschaftler sprechen heutzutage von Gigajahren.
Heutzutage vermuten Geophysiker, dass unser Sonnensystem und unser Planet Erde vor etwa 4,5 bis 4,6 Gigajahren entstanden sind, als das Universum, das jetzt etwa 14 Gigajahre alt ist, gute 9 Gigajahre alt war.
Menschen sind allem Anschein nach vor 50000 Jahren aus Afrika in den Rest der Welt gelangt, doch die moderne Archäologie hat ziemlich deutlich gezeigt, dass die frühen menschlichen Gesellschaften erst vor rund 6000 Jahren allmählich das entwickelten, was wir als Zivilisation bezeichnen - nämlich Wirtschaftssysteme, in denen unterschiedliche Waren ausgetauscht werden.
Ein äußerst wichtiger Faktor in jeder Zivilisation ist der Austausch nicht nur von Gütern, sondern auch von Information. Doch wie wurde diese Information aufbewahrt und verbreitet? Dazu benötigte man geeignete Aufzeichnungsverfahren.
In Stein geritzt
Eine der frühesten Methoden vor der Erfindung von Papier und Tinte bestand darin, Zeichen in Lehmtafeln zu ritzen; sie waren quasi die Vorfahren unserer heutigen Computer-Speicherchips. Dieses Sammeln und Mitteilen von Wissen, vor allem von jenem Wissen, das wir heute als wissenschaftlich bezeichnen, wurde zu einem eigenständigen Ziel.
Natürlich war die (relativ junge) Entwicklung von Zivilisationen davon abhängig, dass sich das herausbildete, was wir als »intelligentes Leben« bezeichnen: Lebewesen, die einen ausreichenden Grad an Bewusstsein von sich selbst besitzen, um sich in einem Spiegel zu erkennen. Dafür gibt es auf unserem Planeten mehrere bekannte Beispiele: Elefanten, Delfine und natürlich Primaten, jene Gruppe, die Schimpansen und andere Affen, Neandertaler und heutige Menschen wie uns umfasst. Bislang hat man noch nirgendwo sonst im Universum Anzeichen für intelligentes Leben entdeckt.
- 1000 000 000 Jahre =
- 1 Gigajahr
Wie ist es zu diesen intelligenten Lebensformen auf der Erde gekommen?
Fossilienfunde hatten schon lange den Schluss nahegelegt, dass unsere heutigen Pflanzen und Tiere möglicherweise aus anderen Lebensformen entstanden sind, die es in früheren Zeiten auf der Erde gab; aber die Menschen verstanden nicht, wie die verschiedenen Arten so gut angepasst sein konnten, ohne dass dies im Voraus so geplant war. Erst nachdem Darwin im Jahr 1859 das Prinzip der Anpassung durch natürliche Selektion erläuterte, setzte sich die Vorstellung von einer kontinuierlichen Evolution allgemein durch. Wie diese natürliche Selektion tatsächlich vor sich geht, hat man allerdings erst in jüngster Zeit (Ende der I95oer-Jahre) wirklich verstanden, als die Biochemiker James D. Watson und Francis Crick die Geheimnisse der DNA entschlüsselten.
Unser Sonnensystem bildete sich vor 4,6 Gigajahren.

Dieses heutige auf der DNA basierende Verständnis des Evolutionsprozesses wird durch Fossilienfunde gestützt - so weit diese in die Vergangenheit zurückreichen. Das Problem ist, dass sie nicht allzu weit zurückreichen: weniger als eine Milliarde Jahre, was nur einen Bruchteil des Gesamtalters der Erde ausmacht.
Frühe einfache Lebensformen haben sich vor dem sogenannten Kambrium entwickelt. Wir können ziemlich deutlich nachvollziehen, wie (allerdings nicht, warum) das, was wir als intelligente Lebensformen betrachten sollten, im Lauf der letzten 500 Millionen Jahre daraus hervorgegangen ist. Doch dafür, wie diese präkambrischen Lebensformen überhaupt entstanden sind, gibt es keine eindeutigen Belege.
Eine Schwierigkeit besteht darin, dass es erst seit dem Kambrium große Tiere mit Knochen gegeben hat, die sich leicht in Fossilien verwandeln. Ihre größten Vorgänger sind vermutlich Weichtiere (wie unsere heutigen Quallen); wenn wir weiter in der Zeit zurückgehen, waren die einzigen Lebensformen anscheinend mikroskopisch kleine Einzeller. Und diese hinterlassen keine deutlichen Fossilienspuren.

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Die Erde entsteht


HADAIKUM ARCHAIKUM vor 4,5 Gigajahren.
Primitives prokaryotisches Leben
lere mit
Erstes komplexeres Weichtiere größeren Knochen eukaryotisches Leben

PROTEROZOIKUM

GEGENWART
Zu noch früheren Zeiten muss die Evolution sehr langsam vor sich gegangen sein. Und sie war wohl eine heikle Angelegenheit. Obwohl die Planeten mit günstigen Umweltbedingungen im Universum ziemlich zahlreich waren, standen die Chancen dafür, dass sich auch nur auf einem einzigen Planeten fortgeschrittenes Leben entwickelt, äußerst schlecht. Das bedeutet: Nur auf einem sehr kleinen Bruchteil von ihnen würde es dazu kommen. Der Planet, auf dem wir uns befinden, muss eine dieser seltenen Ausnahmen gewesen sein. Und trotzdem hätte es leicht schiefgehen können, wie entsprechende Berechnungen von Astrophysikern zeigen. Unsere Sonne wird nämlich nicht unbegrenzt so weiterleuchten, wie sie es jetzt tut, sondern nur so lange, bis in den Kernbrennprozessen, die sie zum Leuchten bringen, all ihre Vorräte an Wasserstoff verbraucht sind. Während der Zeit, die die Evolution auf der
Erde gebraucht hat, um intelligentes Leben hervorzubringen, hat die Sonne bereits einen großen Teil ihrer Wasserstoffreserven aufgebraucht.
Wenn unsere Evolution nur ein kleines bisschen langsamer verlaufen wäre, hätte die Sonne ihren Brennstoff bereits verbraucht gehabt, bevor wir Menschen auf den Plan getreten wären!
Welcher entscheidende evolutionäre Schritt war in der zur Verfügung stehenden Zeit wohl am schwersten zu vollziehen?
Ein schwieriger Schritt auf der Erde wird wohl der Beginn des sogenannten eukaryotischen Lebens gewesen sein. Darunter versteht man alle Organismen, deren Zellen eine komplexe Struktur besitzen, mit Zellkern und sogenannten Ribosomen. Zu den Eukaryoten zählen große vielzellige Wesen wie wir ebenso wie bestimmte Einzeller, etwa die Amöbe. Fossilienfunde belegen, dass die ersten Eukaryoten zu Beginn des Proterozoikums vor etwa zwei Gigajahren auf der Erde auftauchten, als diese erst halb so alt war wie jetzt. Vor dieser Ära waren vermutlich primitivere prokaryotische Lebensformen weitverbreitet, zum Beispiel Bakterien (mit Zellen, die zu klein sind, um einen Kern zu haben). Diesen erdgeschichtlichen Abschnitt nennt man Archaikum. Er begann, als die Erde weniger als eine Milliarde Jahre alt war.
Es gibt Nachweise dafür, dass diese Art von primitivem Leben bereits ganz zu Anfang dieses Zeitalters existiert hat. Der gesamte Prozess, in dessen Verlauf Leben entstanden ist, muss sich also in der Zeit davor abgespielt haben. Dieses früheste Zeitalter in der Geschichte der Erde bezeichnet man als Hadaikum.
arum sollte das ein Problem sein? Na ja, lang genug hat das Hadaif gedauert - fast eine Milliarde Jahre aber zu jener Zeit waren die Bedingungen auf der Erde so höllisch, wie der Name andeutet (Hades ist die altgriechische Version der Hölle). Damals nämlich schlug allerhand Geröll, das von der Bildung des Sonnensystems übrig war, auf dem Mond ein und hinterließ dort Krater. Und die Erde muss - wegen ihrer größeren Masse und Schwerkraft - zu jener Zeit noch schwereren Einschlägen ausgesetzt gewesen sein. Dieses Bombardement führte dazu, dass sich die Umgebung unseres Planeten immer wieder aufheizte. Und es war deshalb unvermeidlich, dass beginnende Lebensformen im Keim erstickt wurden.
Der Mars hat dagegen eine geringere Masse und ist weiter von der Sonne entfernt, sodass kürzlich die Hypothese aufgestellt wurde, das Bombardement könnte dort früher abgeklungen sein als bei der Erde. Vielleicht wurden auch häufig Gesteinsbrocken vom Mars abgeschlagen und stürzten in einigen Fällen anschließend auf die Erde. Das würde bedeuten, dass das Leben möglicherweise auf dem Mars entstanden ist -zu einer Zeit, als es hier auf der Erde noch gar nicht überdauern konnte.
Bei der elektronenmikroskopischen Analyse eines Meteoriten, der vom Mars zur Erde gelangt ist (Meteorit ALH 8400), wurden Strukturen sichtbar, die denen versteinerter Mikroben ähnlich sind. Das zeigt, dass zumindest die Fossilien von Organismen vom Mars auf die Erde gelangt sein können. Doch es wäre noch keine Erklärung dafür, dass Leben auf der Erde aufgetaucht ist, es sei denn, lebende Organismen - und nicht nur Fossilien - hätten den notwendigen Umzug per Meteor überlebt. Ob dies möglich ist, wird derzeit heftig diskutiert.
Noch interessanter ist die Frage, ob die Umgebung auf dem Mars zu jener Zeit (in der ersten Hälfte der noachischen Epoche, die in etwa mit dem Hadaikum auf der Erde zusammenfällt) wirklich für primitive Lebensformen geeignet gewesen wäre.
Heutzutage sind die Bedingungen auf dem Mars eindeutig ungünstig, zumindest auf der Oberfläche: eine kalte, trockene Wüste, fast ohne Atmosphäre, abgesehen von etwas Kohlendioxid. Raumsonden, die auf dem Mars gelandet sind, haben jedoch an den Polen gefrorenes Wasser in beträchtlichen Mengen nachgewiesen. Außerdem gibt es zahlreiche Oberflächenstrukturen, die charakteristisch für die Erosion durch Flüsse oder durch Brandung an einer Meeresküste sind. Demnach muss es irgendwann in der Vergangenheit auf dem Mars große Mengen flüssiges Wasser gegeben haben, also genau das, was nötig ist, damit unsere Art von Leben entstehen kann. Während dieser frühen Phase bildete das Wasser vermutlich einen Ozean. Dieser könnte ursprünglich mehrere Tausend Meter tief gewesen sein und seinen Mittelpunkt in der Nähe des jetzigen Mars-Nordpols gehabt haben. Es ist also denkbar, dass das Leben vor langer, langer Zeit am Rand dieses Ozeans auf dem Mars seinen Anfang genommen hat.
Gegenargumente
Gegen diese Theorie gibt es eine Reihe von Einwänden. Zum einen enthielt die Mars-Atmosphäre vermutlich keinen Sauerstoff.
Allerdings geht man davon aus, dass primitive Lebensformen auf der Erde in der Lage waren, in einer Atmosphäre zu überleben, in der ebenfalls extremer Sauerstoffmangel herrschte, sodass dies möglicherweise keine Rolle spielte. Ein anderer Einwand ist der, dass der einstige Mars-Ozean für an Land vorkommende Lebensformen wohl zu salzig war. Doch vielleicht war das Leben auf dem Mars ursprünglich an diese extrem salzige Umgebung angepasst oder vielleicht entwickelte es sich auch in Frischwasserseen.
Das Leben könnte also durchaus auf dem Mars begonnen haben, am Rand eines riesigen Ozeans, und dann an Bord eines Meteors zur Erde getrampt sein. Unsere allerersten Vorfahren könnten also tatsächlich Marsianer gewesen sein!
(Übersetzt von Irene Rumler)

Galileo Galilei (1564-1642)
Galileo war ein italienischer Mathematiker, Physiker und Astronom.
Er wurde nahe Pisa geboren, doch seine Familie kam aus Florenz. Zunächst studierte er Medizin, wechselte dann aber zur Mathematik und Philosophie. Mit 18 Jahren beobachtete er das Schwingen eines Armleuchters in der Kathedrale von Pisa und erkannte, dass jede Schwingung gleich lange dauert, unabhängig davon, wie weit der Leuchter ausgelenkt wurde. Aufgrund dieser Erkenntnis konnte Galileo das Pendel in Pendeluhren verbessern. Es heißt, er soll Steine vom Schiefen Turm von Pisa geworfen haben und dabei entdeckt haben, dass ihre Geschwindigkeit immer gleich war, egal wie groß und schwer der Stein war. Galileo erfand ein frühes Thermometer und verbesserte die niederländische Erfindung des Teleskops, sodass es Objekte 32-fach vergrößern konnte. Damit machte er viele wichtige astronomische Beobachtungen und Entdeckungen.
James Watson (*1928) und
Francis Crick
(1916-2004)
Der US-amerikanische Wissenschaftler James Watson und der britische Wissenschaftler Francis Crick waren Biologen, die zusammen am Cavendish-Labor in Cambridge arbeiteten. Sie interessierten sich für die DNA, einen chemischen Stoff, der die Erbinformation enthält, die in den Zellen von Lebewesen weitergegeben werden. Watson und Crick nutzten bei ihrer Forschung Arbeiten von Maurice Wilkins und Rosalind Franklin und entdeckten, dass die Struktur der DNA eine Doppelhelix ist. Watson, Crick und Wilkins erhielten 1962 gemeinsam den Nobelpreis in Physiologie oder Medizin. Leider war Rosalind Franklin 1958 verstorben und am Nobelpreis nicht beteiligt, obwohl ihre Forschung zur DNA wesentlich war.