Die Hattie-Studie
Die aktuellste und bisher umfangreichste Metaanalyse zu Einflussfaktoren auf die Schülerleistung ist die Studie „Visible Learning“ von Hattie (2009; Hattie et al., 2013). Die Hattie-Studie ist eine Zusammenfassung von über 800 Metaanalysen, die ihrerseits bereits die Ergebnisse von ungefähr 50.000 Einzelstudien beinhalten. Hattie klassifiziert diese ausgewerteten Metaanalysen in einem ersten Schritt nach den sechs übergeordneten Bereichen Lernende, Elternhaus, Schule, Unterricht, Lehrende und Curricula. In einem zweiten Schritt untersucht er 138 Einzelmerkmale, welche sich in ihrer Wirksamkeit auf das Lernen unterscheiden. Hattie fragt dabei nicht nur danach, was wirkt, sondern vor allem danach, was am besten wirkt, indem er die Effektstärken der unterschiedlichen Einflussfaktoren vergleicht.
Ein Hauptergebnis der Studie ist zunächst, dass sich etwa 30 % der Unterschiede in der Schülerleistung auf Merkmale des Unterrichts oder der Lehrperson zurückführen lassen (vgl. 2.2). Dabei erreichen die folgenden Merkmale auf Ebene des Unterrichts und der Lehrperson die höchsten Effektstärken (d > 0.70): die formative Evaluation des Unterrichts (d = 0.90), Interventionen für Lernende mit besonderem Förderbedarf (d = 0.77), die Klarheit der Lehrperson (d = 0.75), reziprokes Lehren (d = 0.74), Feedback (d = 0.73), eine positive Lehrer-Schüler-Beziehung (d = 0.72) sowie rhythmisiertes vs. geballtes Unterrichten (d = 0.71). Mit Effektstärken zwischen d = 0.60 und d = 0.69 zählen auch folgende Aspekte zu den sehr wirksamen Faktoren guten Unterrichts bzw. guter Lehrpersonen: Vermittlung meta-kognitiver Strategien (d = 0.69), die Anregung zu lautem Denken (d = 0.64), Problemlösen (d = 0.61) sowie die Nicht-Etikettierung von Lernenden (d = 0.61) und bestimmte Lehrstrategien (d = 0.60). Weiterhin haben mit Effektstärken zwischen d = 0.40 und d = 0.59 auch noch folgende ausgewählte Merkmale einen bedeutsamen positiven Effekt auf die Schülerleistung: Lerntechniken (d = 0.59) und die Direkte Instruktion (d = 0.59), Mastery-Learning (d = 0.58), Fallbeispiele (d = 0.57), Concept Mapping (d = 0.57), Unterrichtsziele (d = 0.56), Peer-Tutoring (d = 0.55), Klassenführung (d = 0.52), Fragenstellen (d = 0.46), der Einsatz von Advance Organizern (d = 0.41), die Passung von Lernmethoden und Lernstilen (d = 0.41) sowie das kooperative Lernen (d = 0.41).
Bei den einzelnen Merkmalen, die von Hattie einbezogen werden, fällt auf, dass sie einen sehr unterschiedlich hohen Auflösungsgrad besitzen und auf verschiedenen Ebenen liegen. Während der Begriff der Direkten Instruktion ein Konglomerat verschiedener Unterrichtsmerkmale beinhaltet, die in ihrem Zusammenwirken einen positiven Effekt auf die Leistung ausüben, sind andere Merkmale sehr konkret – wie beispielsweise die Vermittlung meta-kognitiver Strategien. Daher liefert die Hattie-Studie keinen Merkmalskatalog guten Unterrichts im engeren Sinn. Merkmale guten Unterrichts, wie das Konzept der drei Basisdimensionen guten Unterrichts, finden sich meist nicht direkt in Hatties Auflistung der lernwirksamen Faktoren wieder. Dennoch lassen sich unter den nach Hattie lernwirksamen Faktoren mehrere Merkmale identifizieren, die sich beispielsweise den Basisdimensionen guten Unterrichts zuordnen lassen, sodass die Hattie-Studie diese Merkmalskataloge um empirische Befunde ergänzen kann.