Sind Benedikts «Werkzeuge der geistlichen Kunst» auch heute noch hilfreich?
Kapitel 4 der «Regel des heiligen Benedikt» behandelt die sogenannten «Werkzeuge der geistlichen Kunst». Als erstes und grundlegendes Werkzeug ist dabei die Liebe zu Gott genannt, gefolgt von der Nächstenliebe: «Vor allem: Gott, den Herrn, heben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Ebenso: Den Nächsten heben wie sich selbst.» (Regel Benedikt, Kap. 4, If.) Es folgt eine umfassende Aufzählung der Dinge, die der Mensch, zumal der monastische, sein Leben lang beherzigen soll: Er soll nicht töten, nicht ehebrechen, nicht stehlen, keine falschen Aussagen machen, keine Völlerei betreiben, das Fasten heben, barmherzig gegenüber Annen und Bedürftigen sein, sich um Kranke und Bedrängte kümmern, Tote begraben und Trauernde trösten, nicht zornig und rachsüchtig sein, immer der Wahrheit treu bleiben, friedfertig und gerecht sein, nicht faul und münisch sein, nicht stolz und egozentrisch sein, das eigene Tun jederzeit hinterfragen, seine Worte mit Bedacht wählen, Gott im Gebet verehren und seinen Weisungen folgen, die Älteren ehren und die Jüngeren lieben.
Die «Werkzeuge der geistlichen Kunst» sind Lebensleitlinien und haben alle menschlichen Schwächen im Blick. Sie zeugen davon, dass der Autor der
Regel große Menschenkenntnis besaß. Ihm war nichts Menschliches fremd. Vorsorglich weist er daher auf alle möglichen negativen Ausprägungen des menschlichen Charakters hin. In diesem Sinne sind dies nicht nur «Werkzeuge» für Ordensleute, sondern für jeden Menschen auch außerhalb der Klostermauem. Sie sind aktuell und gelten weltweit. Die Regel wurde ja im Hinblick darauf formuliert, dass sie über Jahrhunderte und über alle geographischen Grenzen hinweg Bestand haben sollte. Dies wird in diesem Kapitel besonders deutlich.
Passen Anbetungsorden noch in unsere Zeit?
Die Hauptaufgabe der Anbetungsorden geht aus ihrer Bezeichnung hervor. Das «Tagewerk» dieser kontemplativen Orden besteht in der Anbetung der Eucharistie. Sie haben ihr Leben in den Dienst von Glaubensverkündung und Gebet gestellt. 24 Stunden am Tag wechseln sie sich in der Anbetung ab. Nach ihrer Auffassung beten sie auch stellvertretend für alle anderen Menschen, besonders für jene, die ihren Glauben nicht in dieser Form praktizieren können oder wollen. Die ununterbrochene Anbetung ist ein Spezifikum vor allem von Frauengemeinschaften. Die Mitglieder der Anbetungsorden leben in strenger Klausur und verlassen ihr Kloster nur in Ausnahmefällen. Ihren Tag verbringen sie im Schweigen. Auch Besucher werden nur selten empfangen. Ein Beispiel für einen Anbetungsorden sind die Steyler Anbetungsschwestem, die Dienerinnen des Heiligen Geistes von der ewigen Anbetung (Congregatio Servarum Spiritus Sancti de Adorations perpetua = SSpSAp). Der Orden wurde am 8. Dezember 1896 durch Arnold Janssen gegründet. Heute leben rund vierhundert «Rosa Schwestern» - so werden sie wegen der Farbe ihrer Ordenstracht im Volksmund genannt - in zwanzig Konventen in Europa, Amerika und Asien. Ein weiterer Anbetungsorden sind die Franziskanerinnen von der ewigen Anbetung e.V. Olpe.
Die Anbetungsorden haben in den letzten Jahren vor allem neue Mitglieder aus der Dritten Welt bekommen. Mitglieder anderer Orden betonten mir gegenüber immer wieder die Bedeutung der Anbetungsorden für die gesamte Menschheit, nämlich stellvertretend für andere zu beten und dadurch mit Gott in Beziehung zu treten. Dennoch ist ein Leben in solch strenger Klausur für Mitteleuropäer des einundzwanzigsten Jahrhunderts kaum noch vorstellbar.