Werden ausländische Unternehmen durch die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach China reich?

Hauptsächlich zwei Motive treiben ausländische Unternehmen dazu an, Produktionsstätten in China aufzubauen: Einerseits kommen sie, weil sie darauf hoffen, ihre Herstellungskosten senken und von China aus den Weltmarkt günstiger bedienen zu können. Andererseits - und dies ist zumindest für die meisten deutschen Unternehmen der noch wichtigere Grund - haben sie den Markt von mehr als einer Milliarde Menschen im Auge. Während im überwiegenden Rest der Welt die Märkte aufgeteilt und deshalb nur noch geringe Wachstumsraten zu erzielen sind, ist China für die Firmen eine der letzten Regionen, in denen gigantische Umsätze zu winken scheinen.

Manches Unternehmen hat indessen erfahren müssen, dass die Rechnung wesentlich schwieriger ist als erwartet. Das Einkommensgefälle ist riesig. Firmen, die bei der Herstellung ihrer Produkte kompliziertere Prozesse zu bewältigen haben, sind auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen. Da sich aber in der Küstenregion innerhalb sehr kurzer Zeit eine sehr große Anzahl von ausländischen Unternehmen angesiedelt hat, sind solche Mitarbeiter rar und stark umworben. Das treibt die Kosten hoch, zumal Chinesen, wie vielfach beklagt wird, ihren westlichen Arbeitgebern gegenüber weniger loyal sind, als diese es aus anderen Weltregionen gewohnt sind. Auch Mieten sind verhältnismäßig teuer, und bei der Versorgung mit Strom kommt es nicht selten zu unliebsamen Überraschungen.

Zwar wächst auch die Wirtschaft Zentral chinas, doch stellt sich für manchen Unternehmer der Traum vom Milliardenmarkt als Seifenblase heraus, denn der Preis vieler westlicher Produkte liegt außerhalb des Budgets des Durchschnittschinesen. Sinnvoller ist es, den chinesischen Markt in verschiedene Segmente einzuteilen und mit einem Kundenpotential zu kalkulieren, das immer noch beträchtlich ist, aber nur einen Bruchteil der 1,3 Milliarden Chinesen ausmacht. Klagen gibt es schließlich über das undurchsichtige Gestrüpp an Bürokratie, Beziehungswirtschaft und Korruption.

Aufgrund der genannten Probleme ist immer wieder zu hören, dass ausländische Unternehmen in China nur Verluste machen. Diese Auffassung ist sicherlich genauso falsch wie die gegenteilige Annahme. Grundsätzlich gilt, dass sich große Unternehmen mit einem Engagement in China leichter tun als kleine oder mittelständische, weil sie unerwartet auftretende Belastungen, mit denen immer zu rechnen ist, leichter kompensieren können. Der chinesische Staat hat ein genuines Interesse an ausländischem Engagement. Es wäre naiv, anzunehmen, dass er die Gans schlachtet, solange sie goldene Eier legt. Natürlich verbindet er mit Investitionen eigene Interessen, die er befriedigt sehen möchte. Diese bestehen direkt darin, dass Ausländer Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu lösen haben, oder indirekt darin, dass sie Technologietransfer betreiben. Das Ausmaß der Erfüllung dieser Anforderungen bestimmt den Geschäftserfolg maßgeblich mit. Die Bandbreite der Erfahrungen ist beträchtlich.

 
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