Sind die Chinesen musikalisch?

Wie die griechische, so maß auch die alte chinesische Philosophie der Musik eine überaus große Bedeutung bei. Nur ein Herrscher, der die richtige Musik spielte, konnte nach dieser Vorstellung für Ordnung in seinem Land sorgen. Umgekehrt war für den von außen kommenden Reisenden der Zustand eines Landes sofort daran zu erkennen, welche Musik dort gespielt wurde. Musiziert wurde im alten China mit Saiten- und mit Blasinstrumenten. Ein Privileg von Herrschern und Adligen waren Bronzeglockenspiele. Mehrere davon hat in den letzten drei Jahrzehnten die chinesische Archäologie aus Gräbern bergen können. Auf diesen bis zu dreißig und mehr Glocken, deren unterschiedliche Klänge durch verschiedene Größen erzeugt wurden, kann man heute ohne Schwierigkeiten europäische Stücke spielen: Die Zwölftonleiter ist bereits in «Frühling und Herbst des Lü Buwei», einem Text des ausgehenden 3. Jahrhunderts v. Chr., beschrieben worden.

Die bekanntesten traditionellen Saiteninstrumente sind die Erhu, die zweisaitige Geige, die, wie ihr Name verrät (das Wort «hu» heißt Ausländer), wahrscheinlich aus Zentralasien stammt, die Pipa, eine Art Laute, deren heutige Form wohl ebenfalls auf zentralasiatische Vorbilder zurückgeht, und die Qin, eine siebensaitige Zither, die zum Spielen quer auf einem Tisch liegt. Konfuzius soll ein großer Meister auf der Qin gewesen sein, und seit frühester Zeit galt sie als Königsinstrument, das jeder Literat erlernte, später auch hochgestellte Frauen. Umgekehrt durfte sie von Angehörigen niederer Stände und Berufe, wie zum Beispiel Singmädchen und Prostituierten, die ihre

Gäste und Kunden gerne mit Musik unterhielten, nicht gespielt werden. Auch chinesische Dramen wurden oft von Musik begleitet. Die Tatsache, dass die heute noch berühmteste traditionelle Theatergattung Pekingoper heißt, ist darauf zurückzuführen, dass der Wohlklang des Gesangs von Arien - der allerdings für das ungeübte Ohr des Europäers nicht leicht nachvollziehbar ist - dabei häufig wichtiger war als die inhaltliche Ausgestaltung der Stücke.

Die traditionelle Musik ist jedoch gegenwärtig, trotz einer Renaissance in bestimmten Kreisen, stark auf dem Rückzug. An ihre Stelle ist als beliebteste Gattung westlich beeinflusster Chinapop getreten. Allerdings ist das Land daneben auch zu einem wichtigen Markt für die westliche klassische Musik geworden. Galten Bach und Beethoven während der Kulturrevolution als Vertreter einer bürgerlichen Musik, deren Verfechter man zu bekämpfen hatte, werden heute nirgendwo auf der Welt mehr Klaviere gebaut als in China, und auch für deutsche Klavierhersteller ist der chinesische Markt hoch interessant.

 
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