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95. Seit wann gibt es Seide?

Aussagen der chinesischen tradition, dass die Seidenherstellung bis mindestens ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurückreiche, sind zwar legendärer Natur -unter anderem wird mythischen Kaisern zugeschrieben, ein Musikinstrument mit seidenen Saiten hergestellt zu haben -, doch konnte die Archäologie mittlerweile den Mythos mit wissenschaftlichen Daten unterfüttern. Bei den Römern war China für seine Seide berühmt. Die lange Zeit geheimgehaltene Technologie soll der Legende nach von zwei byzantinischen Mönchen im

6. Jahrhundert an den byzantinischen Kaiserhof geschmuggelt worden sein. Dadurch sei das weltweite Seidenmonopol der Chinesen gebrochen worden. Allerdings sieht es heute danach aus, als sei diese Kunst schon um 300 n. Chr. nach Indien gelangt. Reiche Profite erwirtschafteten die Chinesen mit dem Seidenhandel jedoch auch später noch. An der Seidenstraße galt Seide lange Zeit als eine Art Zahlungsmittel. Als sich die Chinesen ab dem 9. Jahrhundert immer wieder Friedensverträge mit den nomadischen Völkern an ihren Nordgrenzen erkaufen mussten, wurde dieser Zwang kaschiert, indem man behauptete, die Barbaren brächten Tribute in Gestalt von Pferden nach China. In Wahrheit hatten diese Tribute häufig eher symbolischen Wert, während die chinesische Gegenleistung in Form von Seidenballen tatsächlich teuer war.

Allerdings ist Seide nur in besonders feinen Varianten ein Luxusgut gewesen. Angefangen mit dem «Buch der Riten» werden chinesische Texte nämlich nicht müde, zu betonen, dass es die vornehmste Aufgabe einer jeden Frau sei, im Maulbeerhain zu arbeiten, um Seide herzustellen, während ihr Mann auf dem Feld schufte. Jedes Jahr hatte der Kaiser höchstpersönlich zu Frühlingsanfang eine zeremonielle Furche im Feld zu ziehen, um den Startschuss für den Beginn der Ackerbausaison zu geben. Seine Hauptfrau dagegen vollzog eine ähnliche Symbolhandlung im kaiserlichen Maulbeerhain. Zahllose Gedichte zeugen davon, dass in der Tat Frauen im ganzen Land in der Seidenherstellung beschäftigt gewesen sein müssen, so dass es überall ein gutes Angebot dieses Stoffes gegeben haben muss.

 
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