Studien zur Häufigkeit von Lehrerfragen im Unterricht
Neben den aufgeführten inhaltlichen Begründungen verdeutlicht auch das häufige Vorkommen von Fragen in der Unterrichtspraxis deren praktische Bedeutsamkeit. Fragen werden oft als „die häufigste Einzelaktivität im Unterricht, das häufigste Element des Lehrerhandelns“ (Aschersleben, 1999, S. 97) beschrieben und sind der initiierende Part des grundlegenden unterrichtlichen Interaktionsmusters, das aus Lehrerfrage, Schülerreaktion und Lehrerfeedback besteht (z. B. Bellack, Kliebard, Hyman & Smith, 1974; Mehan, 1979; Sinclair & Coulthard, 1977). Während im Rahmen des klassischen Prozess-Produkt-Paradigmas Fragen noch häufig betrachtet wurden (vgl. Clegg, 1987; Klinzing & Klinzing-Eurich, 1987), beschäftigen sich nur noch wenige aktuelle Studien explizit mit Lehrerfragen, sodass Studien zur Häufigkeit von Fragen im Unterricht meist älter sind. Die Ergebnisse zur Häufigkeit von Lehrerfragen im Unterricht sind zum Teil nur schwer direkt vergleichbar, da die Angaben sich auf verschiedene Unterrichtsfächer, Schularten und Klassenstufen beziehen und zusätzlich die Anzahl von Fragen anhand unterschiedlicher Maße berichten: Einige Studien geben die Anzahl von Fragen pro Minute an, andere die Anzahl pro (Unterrichts-)Stunde oder pro Tag und wiederum anderen schätzen den Prozentanteil an Zeit, der für Fragen verwendet wird oder vergleichen die Häufigkeit von Fragen mit der Häufigkeit anderer Lehreräußerungen. In einer Zusammenfassung des damaligen Forschungsstands beschreiben Klinzing und Klinzing-Eurich (1987), dass in einer 40-minütigen Unterrichtsstunde durchschnittlich 69 Fragen gestellt werden, wobei dies zwischen den einzelnen Studien mit 14 bis 110 Fragen stark variiert. Durchschnittlich werden 15 % der Unterrichtszeit für Fragen verwendet, wobei hier mit einer Spannweite von 13 bis 16 % die Varianz zwischen den einzelnen Studien geringer ausfällt. Nach einer etwas aktuelleren deutschsprachigen Studie von Niegemann und Stadler (2001) anhand von 40 Unterrichtsstunden mit zehn unterschiedlichen Lehrpersonen und Klassen werden durchschnittlich zwei Lehrerfragen pro Minute gestellt, wobei auch hier die Varianz zwischen den Lehrpersonen groß ist. Auf Basis der bisherigen Studien ist davon auszugehen, dass auch im aktuellen Leseunterricht der Grundschule sehr viele Fragen gestellt werden, sodass die Untersuchung ihrer Art und Qualität zur Einschätzung der kognitiven Aktivierung der Schülerinnen und Schüler auch deshalb relevant sein dürfte.