Anregungen zum Einsatz von Lesestrategien

Lernstrategien werden sehr unterschiedlich definiert, sodass es sich um „kein einheitliches wissenschaftliches Konstrukt“ (Beddies, 2006, S. 8) handelt, sondern eher um ein „fuzzy concept“ (Leopold, 2009, S. 11; vgl. auch Baumert & Köller, 1996; Pressley & Harris, 2009). Auch wenn der Strategiebegriff von den einzelnen Autoren verschieden breit definiert wird (Artelt, 2000; Beddies, 2006; Artelt, Naumann & Schneider, 2010), sind Merkmale von Strategien im Allgemeinen, dass sie zielorientiert und intentional – oder zumindest potenziell bewusstseinsfähig – eingesetzt werden, dass sie wirksam sind und bereichsspezifisch flexibel angewendet werden können (z. B. Artelt, 2000; Bjorklund & Coyle, 1995; Friedrich, 1995; Garner, 1990; Hellmich & Wernke, 2009; Lehmann & Hasselhorn, 2009; Mandl & Friedrich, 2006; Pressley, Forrest-Pressley, Elliott-Faust & Miller, 1985). Eine Lernstrategie ist „eine Sequenz oder Bündelung einzelner Lerntechniken, die zur Erreichung eines bestimmten Zieles eingesetzt werden“ (Bund, 2004, S. 9; vgl. auch Friedrich & Mandl, 1992; Klauer, 1988). Lernstrategien lassen sich somit zwischen Lerntechniken (konkreten Aktivitäten, z. B. das Unterstreichen von Textstellen) und Lernstilen (generalisierten Präferenzen für bestimmte Lernstrategien) einordnen (Friedrich, 1995; Friedrich & Mandl, 1992; Kirby, 1988; Krapp, 1993; Leopold, 2009; Schmeck, 1988). Allerdings wird diese Unterscheidung von Lerntechniken und Lernstrategien selten so explizit vorgenommen (Artelt, 2000; Friedrich, 1995; Leopold, 2009).

Die am häufigsten zu findende Klassifikation von Lernstrategien unterteilt kognitive Primärstrategien sowie metakognitive und ressourcenorientierte Stützstrategien (Artelt, 2006; Beddies, 2006; Danserau, 1978, 1985; Friedrich & Mandl, 1992, 2006; Hellmich & Wernke, 2009; Weinstein & Mayer, 1986; Wild, 2006, 2010). Während kognitive Primärstrategien „direkt auf die zu erwerbende bzw. zu verarbeitende Information so einwirken, (dass) diese besser verstanden, behalten, wieder abgerufen und transferiert werden kann und dadurch zur Veränderung kognitiver Strukturen und Prozessen führen“ (Friedrich & Mandl, 1992, S. 8), zielen Stützstrategien „auf die Beeinflussung jener motivationalen und exekutiven Funktionen, die auf den (Prozess) der Informationsverarbeitung indirekt einwirken, indem sie ihn in Gang setzen, aufrechterhalten und steuern“ (S. 8).

In Anlehnung an Leisen (2006) beschreibt Eikenbusch (2007) Lesestrategien als „bewusst oder intuitiv angewendete ‚Handlungspläne' […], um Informationen oder Aussagen eines Textes zu entschlüsseln und gut zu verstehen“ (S. 6; vgl. auch Graesser, 2007; Kölbl, BillmannMahecha & Tiedemann, 2009; Wachwitz, 2004). Bezogen auf das Lesen lassen sich für kognitive Strategien folgende Beispiele nennen (Bremerich-Vos, Granzer, Behrens & Köller, 2009; Höfer, 2005): Eine Wiederholungsstrategie ist beispielsweise das mehrfache Lesen einer Textstelle zum besseren Verständnis. Eine Organisationsstrategie ist das Unterstreichen wichtiger Textstellen oder das Zusammenfassen des Textes, während die Verknüpfung der Textinformation mit dem Vorwissen und das Stellen kritischer Fragen zu den Elaborationsstrategien zählen. Metakognitive Strategien wenden Leser an, indem sie das Lesen gezielt planen, ihr Verstehen fortlaufend überprüfen und den Leseprozess – z. B. die Geschwindigkeit – fortwährend regulieren und schließlich ihr Ergebnis bewerten (vgl. auch Christmann & Groeben, 1999; Pintrich, 1999). Eine Stützstrategie ist das Schaffen einer ruhigen Arbeitsatmosphäre. Speziell bei Lesestrategien wird oft noch eine weitere Systematik der Klassifikation verwendet, indem Strategien vor dem Lesen, während des Lesens und nach dem Lesen unterschieden werden (z. B. Badel, 2009; Frey & Fisher, 2007; Klingner et al., 2007; Kruse, 2007; Leubner, 2005). Kruse (2007) nennt als Strategien vor dem Lesen die Vorentlastung (Vermutungen zum Inhalt, Aktivierung von Vorwissen etc.) und die Textsichtung (Leseprobe, Erstellen eines Leseplans). Während des Lesens geht es vor allem um den Umgang mit Verstehensproblemen (z. B. unbekannte Wörter nachschlagen) und die Texterarbeitung (Einteilung in Sinnabschnitte, Formulierung von Kernaussagen etc.). Nach dem Lesen beschreibt er Zusammenfassung und Reflexion als wichtige Schritte. Es finden sich natürlich noch zahlreiche weitere Klassifikationen von Lesestrategien sowie Aufzählungen einzelner Lesetechniken, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann, aus denen aber Beispiele für einzelne Strategien zur Entwicklung des Kategoriensystems verwendet wurden (z. B. Abraham, 2003; Afflerbach & Cho, 2009; Altenburg, 2010; Badel & Valtin, 2003; Ballstädt, 2006; Carnine, Silbert, Kameenui & Tarver, 2010; Christmann & Groeben, 1999; Duke & Pearson, 2002; Höfer, 2005; Eikenbusch, 2007; Kollenrott, Kölbl, Billmann-Mahecha & Tiedemann, 2007; Krause & Stark, 2006; Meiers, 2005; Moers, 2008; Moreillon, 2007; Rasinski & Padak, 2008; Wedel-Wolff, 1997).

 
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