Beschreibung und Beurteilung von Unterricht durch Videoanalysen
„Der Königsweg zur Beschreibung und Bewertung des Unterrichts ist zweifellos die Beobachtung: Keine andere Methode hat ein solches Potenzial, was die differenzierte Beurteilung der Differenziertheit des Unterrichts anbelangt, kein anderes Verfahren kann den dynamischen Verlaufsaspekt, das heißt die
Abfolge zeitlicher Sequenzen und Muster, berücksichtigen.“
(Helmke, 2009, S. 288)
Auch wenn Videoanalysen in der Unterrichtsforschung zu den aufwändigeren Verfahren gehören, werden sie – insbesondere seit der TIMS-1995-Studie (Stigler, Gonzales, Kawanaka, Knoll & Serrano, 1999) – vermehrt eingesetzt, um Unterrichtsprozesse zu analysieren, da sie eine objektivierte Perspektive auf den Unterricht ermöglichen (z. B. Dalehefte, 2006; Pianta
& Hamre, 2009; Seidel et al., 2006b). Helmke (2009; vgl. auch Böhm-Kasper & Weishaupt, 2008) systematisiert zusammenfassend verschiedene Arten von Unterrichtsbeobachtungen. Zunächst können Beobachtungen unterschiedlich stark vorstrukturiert sein. Während bei der freien Beobachtung „narrative Beschreibungen des Unterrichts, seines Verlaufs und seiner Qualität“ (S. 288) resultieren und die Beobachtungen daher sehr subjektiv sind, werden bei den im wissenschaftlichen Kontext angewandten Beobachtungsmethoden durch Ratingoder Kodierverfahren die Antwortschemata vorgegeben. Weiterhin unterscheiden sich Beobachtungen in ihrer Häufigkeit und Dauer (z. B. einmalige vs. Langzeitbeobachtungen), in der Analyseeinheit (gesamte Unterrichtsstunde oder inhaltlich definierte Abschnitte), in der Rolle der Beobachtenden (teilnehmend oder nicht-teilnehmend), in deren Standort und Sichtbarkeit sowie der Art der Beobachtungssituation (natürlich vs. künstlich).
Bevor die Ziele und die Datengrundlage der vorliegenden Studie genauer vorgestellt werden, werden daher in diesem Kapitel Möglichkeiten der Videoanalyse als Methode zur Analyse von Unterrichtsprozessen skizziert. Dabei wird sowohl auf Vorteile von Videoanalysen im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der Datenerhebung eingegangen als auch auf die einhergehenden methodischen Herausforderungen, bevor daraus ein Fazit für die eigenen Videoanalysen gezogen wird.