Wo wurden die Gläubigen zum ersten Mal als «Christen» bezeichnet?

Nach Lukas, der wohl zu Beginn des 2. Jahrhunderts schrieb, wurden die Gläubigen zuerst in Antiochia «Christianer» genannt (Apostelgeschichte 11,26). Antiochia, heute Antakya in der östlichen Türkei, war in der Antike eine mit Rom und Alexandria vergleichbare Weltstadt. Als es in Jerusalem zu Christenverfolgungen kam, suchten viele Gläubige in Antiochia Zuflucht - und gründeten eine der bedeutendsten frühen Christengemeinden. Bereits um 40 n. Chr. gab es in Antiochia einen Kreis von christlichen Intellektuellen, die eine Theologie entwickelten. Einige Namen werden in der Apostelgeschichte mitgeteilt: Barnabas, Johannes Markus und Saulus; letzterer, von Barnabas nach Antiochia geholt, wurde unter seinem griechischen Namen Paulus berühmt.

Will man Lukas aber keinen Glauben schenken, dann wäre Rom der Ort, an dem das Wort «Christianer» zuerst gebraucht wurde. Es handelt sich um ein griechisches Wort (christös) mit einer lateinischen Endung (-anus). Die Bezeichnung wurde zweifellos von jemandem gebildet, der Griechisch und Latein sprach. Der römische Historiker Tacitus verwendet das Wort um 110/120 in seinem Bericht über den großen Brand, der im Jahr 64 in der Stadt Rom wütete. Damals beschuldigte Kaiser Nero «jene Leute, die das Volk wegen ihrer Schandtaten hasste und mit dem Namen Chrestianer (chrestiani) belegte. Dieser Name stammt von Christus, der unter (Kaiser) Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war» (Tacitus,

Annalen XV, 44).

Im Neuen Testament gibt es keine feste Bezeichnung für die christliche Bewegung. Die Apostelgeschichte sagt «die Gläubigen», «die Jünger», «die Gemeinde», «der Weg», «die Partei (Sekte, Bewegung) der Nazoräer». «Christianer» ist nur dreimal in der Bibel belegt (Apostelgeschichte 11,26; 26,28; 1 Petrus 4,16). Üblich geworden ist die Bezeichnung «die Christianer» - die Christen, wie wir heute sagen - erst im 4. Jahrhundert.

Was bedeutet das Wort «Evangelium»?

Das griechische Wort Evangelium bedeutet «gute Botschaft, gute Nachricht». Es ist zu einem Wort der christlichen Sondersprache geworden. Im Neuen Testament meint es: (1) die von Jesus und seinen Anhängern verbreitete gute Botschaft von der Nähe Gottes und des Gottesreiches; (2) die von Paulus und seinen Anhängern verkündete Botschaft von der Auferweckung Jesu durch Gott; und (3) die Erzählung und schriftliche Darstellung von Leben und Lehre Jesu.

Warum werden Jesuserzählungen als «Evangelien» bezeichnet? Biographische Literatur war in der antiken Welt verbreitet, doch kein Werk trägt den Titel «Evangelium». Die Autobiographie des Juden Flavius Josephus (36-100) ist unter dem Titel Leben des Josephus überliefert, Philon von Alexandrien (20 v. - 50 n. Chr.) schrieb eine Lebensgeschichte des Mose unter dem Titel Über das Leben des Mose. Warum trägt keine der vier neutestamentlichen Biographien Jesu einen vergleichbaren Titel, etwa Über Jesus oder Leben Jesu? Ursprünglich hatte wohl jede der vier Biographien Jesu einen eigenen Titel. Als die vier Bücher zusammengestellt wurden, gab man ihnen eine einheitliche Überschrift: Evangelium - nach Matthäus, nach Markus, nach Lukas, nach Johannes.

 
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