Was war das Königsgut, und wie wurde es verwaltet? Die
Besitzungen des Frankenkönigs waren über das gesamte Reich verteilt. Aber wo kamen sie her? Als die Franken sich in Gallien niederließen und die Reste des Römischen Reiches eroberten, gingen die ehemals römischen Fiskalgüter, also die Besitzungen der römischen Reichsverwaltung, in den Besitz der fränkischen Könige über. Bei den weiteren Eroberungen der Merowinger im 6. und 7. Jahrhundert wurden die Ländereien der Besiegten zwischen den Frankenkönigen und dem fränkischen Adel aufgeteilt. Im Lauf des 7. und beginnenden 8. Jahrhunderts, als die Macht der Könige immer mehr schwand, ging ein Teil der königlichen Besitzungen in die Hand der mächtigen Adligen über. Vor allem dem Adel im Osten des Frankenreichs gehörten große Landgebiete, die er als sein Hausgut betrachtete und ganz unabhängig vom König verwaltete. Als die karolingische Familie zu Hausmeiern in Austrasien, also im östlichen Teil des Frankenreichs, aufstieg, hatte sie bereits große Besitzungen vor allem im Maas- und Moselgebiet inne. Dazu kamen Klostervogteien, also Schutzherrschaften über Klöster und ihre Güter, im gesamten austrasischen Reich. Diese Besitzungen wurden nach der Beseitigung der merowingischen Dynastie um die verbliebenen Königsgüter erweitert. Damit hatte König Pippin einen beachtlichen Landbesitz, der sich über weite Teile des Reiches erstreckte.
Entscheidend dafür, welche Einkünfte die Könige aus dem Königsgut erzielen konnten, war, wie sie seine Verwaltung organisierten. Aus der Zeit Karls des Großen besitzen wir ein ausführliches Kapitular zu diesem Thema, das sogenannte Capitulare de villis, also die «Rechtsverordnung über die Königsgüter». Aus diesem Text erfahren wir einiges über die Organisation der königlichen Güter und auch über ihre wichtigsten Produkte. Wie es typisch ist für eine mittelalterliche Rechtsverordnung, geht es allerdings weniger um das Selbstverständliche, sondern eher um Besonderheiten und Ausnahmen. Daher werden von den landwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht die Produktion von Getreide behandelt und bei der Viehzucht nicht die Aufzucht und Pflege von Kühen, Schweinen, Schafen und Ziegen, sondern die Herstellung von Wein und die Pferdezucht. Bei der Weinherstellung war es dem König wichtig zu betonen, dass die Trauben nicht mit den Füßen gekeltert werden sollten, «sondern dass alles sauber und reinlich zugeht».
Neben landwirtschaftlichen Produkten wurden aber auch gewerbliche Güter auf den Königshöfen hergestellt, so vor allem eiserne Geräte wie Sensen, Sicheln und Spaten.
Die Leitung einer königlichen villa lag in den Händen eines Meiers (von lateinisch maior, «der Größere, der Obere»), der dem König Rechenschaft über die Erträge und ihre Verwendung sowie über seine Tätigkeit ablegen musste. Im Capitulare de villis heißt es dazu, dass die Meier alle Abgaben und Dienste für die Hofhaltung des Königs in ein Rechnungsbuch eintragen lassen müssen, die Ausgaben in ein anderes; auch der Überschuss musste schriftlich nachgewiesen werden. Am Schluss dieses Kapitulars steht eine lange Liste von Pflanzen, die in den Gärten der Königshöfe gezogen werden sollen; sie reicht von Blumen wie Lilien und Rosen bis zu Zwiebeln, Rettich und Salbei. Zudem werden zahlreiche Arten von Bäumen, die Früchte tragen, und sogar einzelne Apfelsorten aufgeführt.
Um 800 ließ Karl Inventare anlegen, in denen für jeden Königshof der Bestand an Gebäuden, Vieh und Geräten aufgenommen wurde. Einige dieser Inventare haben sich erhalten, so dass wir uns eine Vorstellung von der Größe dieser Höfe machen können, in deren Stall zwar nur ein Pferd, aber 26 Zugochsen standen. Auch die Anzahl von eisernen Werkzeugen war eher gering, die meisten Geräte und Gefäße waren aus Holz gefertigt.
Nicht die gesamte Fläche eines Königshofs wurde unter der Aufsicht des Meiers bearbeitet. Vielmehr waren größere Teile an Freie oder unfreie Bauern ausgegeben, die ihre Hofstelle selbst bearbeiteten und jährliche Abgaben zu erbringen hatten; außerdem mussten sie auf dem zentralen Herrenhof Frondienste leisten, entweder fünf oder sechs Wochen jährlich oder drei Tage in jeder Woche. Diese Form der Grundherrschaft übten auch die adeligen Grundbesitzer aus (siehe Frage 3).