Wie kommt ein Elefant an den Hof Karls des Großen?
Im Jahr 797 brachen zwei Franken und der Jude Isaak, wohl ein Fernhändler, im Auftrag Karls zu einer Gesandtschaftsreise ins Kalifat von Bagdad auf. Schon Pippin I. hatte im Jahr 765 eine Gesandtschaft auf die Reise zum Kalifen al-Mansur (754-775) geschickt und drei Jahre später die Heimkehrer zusammen mit den Abgesandten des Kalifen in der Pfalz Selz (im Elsass) empfangen. Erst fünf Jahre später, also 802, kehrte Karls Abgesandter Isaak von seinem Besuch bei Harun-ar-Raschid (786-809), dem Sohn al-Mansurs, zurück, aber ohne seine Gefährten, die unterwegs gestorben waren. Isaak kam aber nicht allein, sondern er brachte als Geschenk des Kalifen einen indischen Elefanten mit, der in Vercelli den Winter 801/02 verbracht hatte, bevor er die lange Reise nach Aachen antrat, wo er künftig lebte.
Welches Aufsehen dieses Tier im Frankenreich erregt haben muss, lässt sich daran ablesen, dass die Fränkischen Reichsannalen öfter über ihn berichten als über alle Ehefrauen und Konkubinen Karls. Sie verraten auch, dass der Name des Dickhäuters Abul Abaz war. Dies wurde als Namensgebung nach dem Kalifen, der die Abbasidendynastie begründete, gedeutet; ein amerikanischer Gelehrter hielt dies allerdings eher für unwahrscheinlich und meinte, der Name bedeute «Vater der Runzeln», was für einen Elefanten ja gut passen würde. Um die guten Beziehungen zwischen dem Frankenreich und dem Kalifat von Bagdad zu unterstreichen, verstieg Einhard sich später sogar zu der Behauptung, der Kalif habe Karl den einzigen Elefanten geschenkt, den er besaß. Die letzte zeitgenössische Nachricht ist die Mitteilung der Reichsannalen, dass Abul Abaz im Jahr 810 plötzlich verstorben sei, und zwar mehrere Tagesreisen von Aachen entfernt in Lippeham bei Wesel, wohin Karl auf seinem Kriegszug gegen die Normannen gekommen war. Daraus kann man schließen, dass Abul Abaz als Kriegselefant eingesetzt werden sollte. In den Reichsannalen wird er in einem Atemzug mit der ältesten Tochter Karls, Rotrud genannt, die ebenfalls 810 starb. Kürzlich ist die These aufgestellt worden, dass der Elefant wohl der Maul- und Klauenseuche zum Opfer gefallen sein könnte, die damals durch die Rinder, die den Kriegstross als Zugtiere begleiteten, äußerst rasch verbreitet wurde und an der viele Tiere starben. Auch in späteren Quellen wird Abul Abaz gelegentlich noch erwähnt, wobei sein Name in einer Quelle mit «Ambulator» (lateinisch: Spaziergänger, Wanderer) angegeben wird, was angesichts der langen Reise, die er im Laufe seines Lebens von Indien über den Orient bis nach Aachen und an den Niederrhein gemacht hat, gar nicht so unpassend erscheint. Ein wissenschaftliches «Nachspiel» hatte Karls Elefant noch im 17. und 18. Jahrhundert, als wiederholt große Knochen aus der Lippe gefischt wurden, die man für die Überreste von Abul Abaz hielt. Es dürfte sich aber dabei um die Knochen eines Mammut gehandelt haben, wie sie noch im Jahr 2000 aus dem Fluss geborgen wurden.



Elefant in der illuminierten Physiologus-Handschrift der Berner Burgerbibliothek 318
Welchen Zweck Karls Gesandtschaft zum Kalifen eigentlich hatte, wissen wir nicht, es blieb aber nicht die einzige, denn 807 traf eine Gegengesandtschaft Harun-ar-Raschids in Aachen ein, die neben kostbaren Gewändern, Duftstoffen und Salben eine Wasseruhr mitbrachte, die in den Quellen ausführlich beschrieben wird. Außerdem wandte sich der Patriarch von Jerusalem in den Jahren 799 und 800 hilfesuchend an Karl als Schutzherrn der Christenheit, denn die christlichen Klöster im Orient wurden immer wieder von Muslimen bedrängt, und nach dem Tod des bedeutenden Kalifen Harun-ar-Raschid im Jahr 809 kam es zu Unruhen im Kalifat, die auch die Christen in Jerusalem betrafen.
Welche Feinde hatte das Frankenreich beim Tod Karls des Großen?
Im Todesjahr Karls des Großen waren die meisten Nachbarn des Frankenreichs ruhiggestellt: Im Norden war mit den Dänen Frieden geschlossen, im Osten waren Abodriten, Wilzen, Sorben, Böhmen und Awaren unterworfen, im Südosten war der Konflikt mit dem Byzantinischen Reich um Venetien und Dalmatien beendet. Im
Südwesten, an der Grenze gegen die Muslime, hatten die Franken eine ganze Reihe von Siegen errungen und größere Gebiete südlich der Pyrenäen in ihr Reich eingegliedert. Gab es also gar keine Feinde mehr?
Die Kämpfe gegen die langobardischen Fürstentümer in Unteritalien waren noch nicht abgeschlossen, und es war auch nicht gelungen, die Bretagne fest ins Reich einzugliedern. Dazu kamen neue Feinde: Seit dem ausgehenden 8. Jahrhundert hatten die Normannen, die aus Norwegen kamen, mit ihren schnellen Schiffen mehrfach die Britischen Inseln überfallen (Plünderung von Lindisfarne 793). 810 waren sie zum ersten Mal im Frankreich, und zwar an der Küste Frieslands aufgetaucht. Mit diesem Gegner sollten die Franken im weiteren Verlauf des 9. Jahrhunderts noch viele Kämpfe ausfechten müssen, bei denen es immer wieder auch zu schweren Niederlagen kam. Ein weiterer gefährlicher Feind waren die Sarazenen, muslimische Seefahrer, die von den Balearen und aus Nordafrika kamen und die schon bald damit begannen, die italienischen Inseln auf Dauer zu besetzen (Sizilien ab 827) und auch Stützpunkte in der Provence (813 Nizza) anzulegen.
Der Grund für die Erfolge der normannischen und muslimischen Seefahrer war das Fehlen einer schlagkräftigen Flotte. Gegen die von der See her angreifenden Feinde wurden zwar Flusssperren errichtet und die Küstenbewohner zu den Waffen gerufen, aber eine Bekämpfung dieser Gegner in ihrem eigenen Element war den Franken nicht möglich.
