Das Nachleben Karls des Großen

Wie viele Adelsfamilien berufen sich auf Karl den Großen als Vorfahr?

Im Laufe des Mittelalters beanspruchten zahlreiche Adels- und Fürstenfamilien aus ganz Europa, von Karl dem Großen abzustammen. Dieser Anspruch wurde bereits seit dem 10. Jahrhundert in genealogischen Aufzeichnungen erhoben, in denen man versuchte, das Fortleben der Karolinger, die im Mannesstamm mit Herzog Otto von Niederlothringen 1005/06 ausstarben, zu dokumentieren. Nachkommen von unehelichen Söhnen der karolingischen Könige, vor allem aber Nachkommen der Töchter gab es jedoch in großer Zahl, so dass es durchaus berechtigt ist, wenn viele Adelsfamilien den Anspruch erheben, von Karl dem Großen abzustammen. Dies wurde von der Genealogie erwiesen; 1935 hat Erich Brandenburg 13 Generationen von Nachkommen Karls untersucht und konnte dabei zeigen, dass die letzte von ihm untersuchte Generation, deren 984 Mitglieder zwischen der ersten Hälfte des 12. und der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verstorben sind, «fast den gesamten europäischen Hochadel» bilden.

Politisch bedeutsam wurde dieser Anspruch vor allem in Frankreich, wo sich im 13. Jahrhundert die Auffassung durchsetzte, dass die französischen Könige spätestens seit Philipp II. (1180-1223) und seinem Sohn Ludwig VIII. (1223-1226) in mütterlicher Linie von Karl dem Großen abstammten.

Auch die deutschen Herrscher aus den Familien der Salier (1025-1125), der Luxemburger (1308-1313, 1347-1400 und 1411-1437) und der Habsburger (1273-1308, 1438-1740 und 1745-1806) beanspruchten karolingische Abkunft. Wichtige Reichsfürsten wie die Herzöge von Brabant und vor allem die Wittelsbacher beriefen sich auf karolingische Vorfahren. Und dieser Anspruch reichte noch über die Grenzen des ehemaligen Karolingerreiches hinaus, denn auch die polnischen Piasten wiesen im Spätmittelalter auf ihre karolingische

Abkunft hin.

 
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