Konstruktiver Umgang mit Schüleräußerungen durch Feedback
Die Bedeutsamkeit von Feedback für die kognitive Aktivierung der Schülerinnen und Schüler wurde bereits in Abschnitt 6.2.6 beschrieben. Daher wird die Rückmeldepraxis der Lehrpersonen mit Hilfe der folgenden übergeordneten Frage untersucht:
Zur Häufigkeit von Feedback kommen bisherige Studien, die sich allerdings nicht auf den Leseunterricht des ersten Schuljahres beziehen, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während in der Studie von Paetzold und Lißmann (1982) durchschnittlich 86 Feedbacks pro Unterrichtsstunde gegeben wurde, konnte Richert (2005) je nach Unterrichtsfach 86 bis
123 Rückmeldungen identifizieren. Auch in der vorliegenden Studie wird zunächst die Häufigkeit von Feedback betrachtet.
Für den Zeitpunkt des Feedbacks sprechen bisherige Befunde dafür, dass grundsätzlich direkte Rückmeldungen wirksamer sind als verzögerte (vgl. 6.2.6.3.1). Daher wird überprüft, welches Timing die in den Videos vorkommenden Feedbacks aufweisen:
Da in der bisherigen Forschung gezeigt werden konnte, dass Feedback dann lernwirksamer ist, wenn es neben der Information, ob die Lösung richtig oder falsch ist (Knowledge of Result) auch die richtige Lösung explizit benennt, wird auch für die hier identifizierten Rückmeldungen analysiert, inwiefern sie diese Informationen enthalten. In diesem Zusammenhang interessiert auch, inwiefern die Lehrpersonen die Schülerantworten wörtlich/sinngemäß, ergänzend oder korrigierend wiederholen, da auch diese Verhaltensweisen Informationen über die Richtigkeit der Lösung liefern.
Als nächster Bereich wird fokussiert, inwiefern die Rückmeldungen bedeutsame Informationen für die Schülerinnen und Schüler enthalten (vgl. 6.2.6.3.3). Hattie und Timperley (2007) empfehlen Feedback, das sich nicht auf die Person bezieht, sondern auf die Aufgabenlösung, den Prozess der Aufgabenbearbeitung oder die Selbstregulation. Außerdem sollte es Informationen zum Ziel, zum weiteren Vorgehen und zum bisherigen Fortschritt enthalten. Inwiefern die Rückmeldungen diese Anforderungen erfüllen, wird mit Hilfe der folgenden Fragen untersucht:
Richert (2005) untersuchte auch die Häufigkeit des Entgegennehmens von Schülerbeiträgen und deren Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt im Unterricht (Later Interesting Result), das nur in 6 % der Fälle auftrat. Auch in der vorliegenden Studie wird analysiert, wie häufig die Lehrpersonen die Bedeutsamkeit von Schüleräußerungen betonen, da ein solches Verhalten für die besondere Wertschätzung der Schüleräußerung sprechen würde und gleichzeitig zur Steuerung des Unterrichts beiträgt. Eine mögliche Form der Herausstellung der Bedeutsamkeit einer Schülerantwort stellt beispielsweise deren Anschreiben an die Tafel dar.
Unter elaboriertem oder komplexem Feedback im Gegensatz zu einfachem Verifikationsfeedback werden Rückmeldungen gefasst, die weiterführende Informationen, Hinweise, Erklärungen oder Demonstrationen enthalten (vgl. 6.2.6.3.3). Die Wirksamkeit elaborierter Rückmeldungen ist zwar nicht einheitlich belegt, dürfte aber für die kognitive Aktivierung der Schülerinnen und Schüler bedeutsam sein. Die Studie von Kobarg und Seidel (2007) im Rahmen der IPN-Videostudie zeigte die Dominanz von einfachen Rückmeldungen (88 %) gegenüber positiv-unterstützenden (7 %) und sachlich konstruktiven Rückmeldungen (5 %) auf.
Als eine weitere Form von Feedback wurde in der bisherigen Forschung auch das sogenannte Try-Again-Feedback oder Answer Until Correctbzw. Multiple-Try-Feedback betrachtet, das den Lernenden erneute Lösungsversuche ermöglicht. Die Wirksamkeit dieser Form von Feedback konnte belegt werden (vgl. 6.2.6.3.3), weshalb die Häufigkeit des Vorkommens auch hier untersucht werden soll:
Da sich einige Aspekte der Rückmeldepraxis nicht anhand einer niedrig inferenten Beurteilung einzelner Rückmeldungen erfassen lassen, werden übergeordnete Qualitätsaspekte (Spezifität der Reaktionen auf Schülerbeiträge; Exploration der Denkweisen der Schüler; Insistieren auf Erklärung und Begründung; Lehrkraft als Mediator; Sachlich-konstruktiver Umgang mit Schülerfehlern) noch einmal hoch inferent eingeschätzt. Zusätzlich werden Zusammenhänge zu ausgewählten niedrig inferent erfassten Aspekten betrachtet, um zu überprüfen, ob sich anhand der relativen Häufigkeiten bestimmter Verhaltensweisen der Lehrpersonen beim Feedbackgeben Qualitätsaspekte von Feedback abzeichnen.
Vorkommen, Gestaltung und Qualität von Reflexionsphasen
Wie in Abschnitt 6.2.7 beschrieben, stellt die Reflexion des eigenen Lernprozesses eine wichtige Komponente selbstregulierten Lernens dar, die schrittweise angebahnt werden muss. Kognitiv aktivierende Übungsphasen sollten daher die Lernenden zur Reflexion anregen, um metakognitive Prozesse in Gang zu setzen. Folgende Fragen zur Beschreibung der in den Leseübungen vorkommenden Reflexionsphasen werden daher fokussiert:
Bisherige Studien zeigen, dass im Unterricht nur wenig explizite Förderung von Metakognition und wenig spezifische Anregung reflexiver Prozesse stattfinden (vgl. 6.2.7.2). Daher wird auch in der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen, dass Reflexionsphasen eher selten vorkommen und einen nur geringen Anteil der Übungszeit ausmachen.