Welche Bedeutung hatte die Wagner-Passion des jungen Hitler für seinen weiteren Lebensweg?

Bereits in seinen Linzer Jahren entwickelte Hitler, wie viele seiner Zeitgenossen, eine ausgesprochene Leidenschaft für das musikdramatische Werk Richard Wagners. «Die jugendliche Begeisterung für den Bayreuther Meister kannte keine Grenzen», erinnerte er sich in «Mein Kampf». Entzündet worden war die Begeisterung durch den Besuch der Opern «Lohengrin» und «Rienzi», die im Januar 1905 in das Repertoire des Linzer Landestheaters aufgenommen worden waren. Bei seinem ersten Besuch in Wien im Mai 1906 erlebte der Siebzehnjährige in der Wiener Hofoper Aufführungen des «Tristan» und des «Fliegenden Holländers» in der Interpretation des berühmten Operndirektors Gustav Mahler und seines Bühnenausstatters Alfred Roller. Auch als Hitler im Februar 1908 in die österreichische Metropole umgezogen war, besuchte er, wann immer es ihm möglich war, die Hofoper. Wie viele der insgesamt 426 Wagner-Aufführungen er sich angesehen hat, die dort bis zum Ende seines Aufenthalts 1913 gegeben wurden, lässt sich nicht mehr ermitteln. Aber sicher ist, dass er sich in den Wiener Jahren genaue Kenntnisse der Wagner’schen Werke angeeignet hat, mit denen er später selbst ausgewiesene Experten verblüffen konnte.

Für die Karriere des Politikers Hitler war die Wagner-Passion seiner frühen Jahre von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Sie prägte seine Vorstellungen von der bühnenreifen Inszenierung öffentlicher Auftritte und der überwältigenden Choreographie der Massenveranstaltungen. Ohne das «kulturelle Marschgepäck» (Wolfram Pyta), das Hitler aus der Wiener Zeit mitbrachte, hätte er die politische Arena Münchens nach 1918 kaum so erfolgreich betreten können. Und noch in späteren Jahren liebte es der versierte Schauspieler, sich in Rollen aus Wagners Opernrepertoire, etwa in die des Volkstribunen Rienzi oder des Gralsritters Lohengrin, hineinzuversetzen. Auch Hitlers Codename «Wolf», den er zum ersten Mal 1923 gebrauchte, war, wie Hans Rudolf Vaget plausibel dargelegt hat («. Richard Wagner in Deutschland», 2017), Wagners «Ring»-Mythologie entlehnt.

 
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