Wie erlebte Hitler das Ende des Krieges?

In der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober 1918 wurde Hitler an der Front vor Ypern Opfer eines Giftgasangriffs. Er wurde zunächst in einem bayerischen Feldlazarett versorgt und anschließend ins preußische Reservelazarett nach Pasewalk bei Stettin verlegt. Hier traf er am 21. Oktober ein, und hier verbrachte er die Wochen bis zu seiner Entlassung am 19. November. Bis heute konnte nicht geklärt werden, wie ernst Hitlers Verwundung tatsächlich war und wie sie in Pasewalk therapiert wurde. Die Krankenakte gilt als verschollen. Einigermaßen gesichert scheint zu sein, dass er durch die Gasvergiftung eine schwere Bindehaut- und Augenliderentzündung erlitt und vorübergehend kaum sehen konnte. Er selbst hat in einem Brief vom November 1921 berichtet, dass seine «Erblindung» in Pasewalk «in verhältnismäßig kurzer Zeit wich, und das Augenlicht allmählich wieder zurückkehrte». Demgegenüber erscheint die Vermutung, es habe sich bei seiner Erkrankung gar nicht um eine Gasverletzung, sondern um eine hysterische Reaktion aufgrund einer außerordentlichen psychischen Belastung gehandelt, wenig plausibel.

Im Pasewalker Lazarett erhielt Hitler die Nachricht vom Beginn der Novemberrevolution und vom Sturz der Hohenzollernmonarchie. Wie er die Nachricht aufgenommen hat, wissen wir nicht. In dem sechs Jahre später geschriebenen ersten Band von «Mein Kampf» hat er sich bemüht, den Schock über die Niederlage zu seinem eigentlichen politischen Erweckungserlebnis zu stilisieren: «Nun war also alles umsonst gewesen. Umsonst all die Opfer und Entbehrungen, umsonst der Hunger und Durst von manchmal endlosen Monaten, vergeblich die Stunden, in denen wir, von Todesangst umkrallt, dennoch unsere Pflicht taten, und vergeblich der Tod von zwei Millionen, die dabei starben. Mußten sich nicht die Gräber all der Hunderttausende öffnen, die im Glauben an das Vaterland einst hinausgezogen waren, um niemals wiederzukehren? Mußten sie sich nicht öffnen und die stummen, schlämm- und blutbedeckten Helden als Rachegeister in die Heimat senden, die sie um das höchste Opfer, das auf dieser Welt der Mann seinem Volke zu bringen vermag, so hohnvoll betrogen hatte? (...) Geschah dies alles dafür, daß nun ein Haufen elender Verbrecher die Hand an das Vaterland zu legen vermochte? (...) In diesen Nächten wuchs mir der Haß, der Haß gegen die Urheber dieser Tat.»

Die Passage endet mit dem immer wieder zitierten Satz: «Ich aber beschloß, Politiker zu werden.» Doch von einem plötzlichen Entschluss kann keine Rede sein. Vielmehr reifte Hitlers Entscheidung, seinen Ambitionen als Künstler und Architekturzeichner zu entsagen und sich ganz der politischen Arbeit zu widmen, erst im Laufe des Jahres 1919 heran.

 
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