Wie gefährlich war die Kubakrise?

Am 22. Oktober 1962 stand die Welt am Rande ihres Untergangs, ohne dass sich die Verantwortlichen in Washington und Moskau des ganzen Ausmaßes der Gefahr bewusst gewesen wären. An diesem Tag erließ Präsident Kennedy ein Ultimatum an Nikita Chruschtschow. Hätte der sowjetische Regierungschef nicht eingelenkt, wäre es zweifelsohne in einem sich zuspitzenden Konflikt über die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba zur nuklearen Katastrophe gekommen.

Moskau hatte den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro seit 1959 zunächst mit konventionellen Waffen und später mit Nuklearwaffen versorgt. Für Chruschtschow war dies Teil eines gefährlichen Spiels, das er zusammen mit seinem Genossen Castro nicht nur betrieb, weil er einen Einmarsch der Amerikaner in Kuba befürchtete, sondern auch weil er der naiven Überzeug war, er könne die USA durch eine kolossale Drohgebärde zum Einlenken in Westeuropa bewegen. Wer wisse, wie es sich im Angesicht nuklearer Bedrohung lebe, sei womöglich auch zum Rückzug von Truppen und zum Abbau von Waffen bereit. Hätte sich Kennedy, wie mehrere militärische Berater seines Krisenstabes ihm nahelegten, für eine Bombardierung der ihm bekannten Raketenstellungen und für eine Invasion Kubas entschieden, wäre ein atomarer Schlagabtausch mit der Sowjetunion unvermeidlich gewesen. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges lüfteten die Russen das Geheimnis, dass sie zum Zeitpunkt der Kubakrise sowohl über taktische Atombomben als auch über 36 einsatzbereite Atomsprengköpfe für Raketen verfügten, die fast jeden Punkt in den USA hätten erreichen können. Der amerikanischen Aufklärung war dies entgangen. Glücklicherweise plädierte Kennedy 1962 nicht für einen Militärschlag gegen Kuba, sondern für eine als «Quarantäne» bezeichnete Seeblockade Kubas. Auch nachdem die kubanische Luftabwehr ein amerikanisches U 2-Flugzeug aus der Luft geholt hatte und dessen Pilot ums Leben gekommen war, legte der Präsident Besonnenheit an den Tag. In der aufs Äußerste gespannten Lage hielt Kennedy, vor allem über seinen Bruder Robert, die diplomatischen und geheimdienstlichen Kontakte zu den Sowjets konsequent aufrecht. Vertraulich ließ er die Regierung in Moskau wissen, er werde die beanstandeten amerikanischen Mittelstreckenraketen aus der Türkei entfernen: «Wegen wertloser Raketen in der Türkei werde ich nicht in den Krieg ziehen», erklärte er privat. Dies und die Zusicherung, die USA würden in Kuba nicht einmarschieren, wenn die Sowjets sich mit ihren Raketen zurückzögen, verhinderte ein nukleares Desaster. Auf dem Höhepunkt der Krise behielt das US-Luftkommando 52 mit Nuklearwaffen beladene Flugzeuge in der Luft, während sich das sowjetische Kriegsschiff Indigirka - beladen mit dem Äquivalent von 45, 5 Millionen Tonnen TNT (der 20-fachen Menge aller im Zweiten Weltkrieg über Deutschland abgeworfenen Bomben) - in Richtung Kuba bewegte.

 
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