Wie findet man heraus, was nicht in Ordnung ist?
Wie geht der Kardiologe bei einem ihm bislang unbekannten Patienten vor? Er gibt dem Patienten zu verstehen, dass er willkommen ist. Er nimmt sich für ihn Zeit. Er hört ihm zu. Er stellt gezielte Fragen nach Vorerkrankungen und Erkrankungen in der Familie. Er untersucht ihn körperlich und bespricht mit ihm das weitere diagnostische Vorgehen. Die Fragen des Patienten sollte er mit Geduld beantworten.
Wenn der Kardiologe sich für den Patienten Zeit nimmt, wenn er genügend Erfahrung hat und über die notwendigen diagnostischen Methoden verfügt, findet er bei nahezu jedem Patienten heraus, was nicht in Ordnung ist.
Manchmal verletzen Ärzte die Prinzipien eines vernünftigen diagnostischen Vorgehens. Erstes Prinzip ist es, mit möglichst geringem diagnostischen Aufwand herauszufinden, was nicht in Ordnung ist. Ein weiteres, die diagnostischen Verfahren einzusetzen, die den Patienten möglichst wenig belasten. Ein drittes Prinzip, einem diagnostischen Stufenprogramm zu folgen und sich nicht von vornherein auf eine umfangreiche Diagnostik festzulegen. Auf jeder Stufe der Diagnostik muss hinterfragt werden, ob die bisherigen Verfahren nicht schon gezeigt haben, was nicht in Ordnung ist.
Ein letztes, wichtiges Prinzip ist es, dem Patienten die Ergebnisse der jeweiligen diagnostischen Verfahren in verständlichen Worten zu erklären. Ebenso ist zu beachten, dass diagnostische Verfahren nur dann durchgeführt werden sollten, wenn sich aus ihren Ergebnissen zumindest potentiell auch therapeutische Konsequenzen ergeben.
In der täglichen kardiologischen Praxis hat sich folgendes Vorgehen bewährt: Nach Gespräch, Untersuchung und EKG wird eine Verdachtsdiagnose gestellt. Gleichzeitig werden weitere Differentialdiagnosen mit einer Reihung ihrer Wahrscheinlichkeit in Erwägung gezogen. Zunächst werden die Untersuchungsverfahren durchgeführt, mit denen die Vermutungsdiagnose gesichert werden kann. So bei Verdacht auf das Vorliegen einer koronaren Herzitrankheit mit bedeutsamen Einengungen der Herzkranzgefäße das Belastungs-EKG und die Ultraschalluntersuchung des Herzens. Wird durch die Ergebnisse dieser Untersuchungen die Diagnose nicht gesichert, müssen weitere Verfahren zur Anwendung kommen, wie die Stress-Echokardiographie. Wird aufgrund der Ergebnisse dieser Untersuchungen die zunächst gestellte Vermutungsdiagnose nicht bestätigt, muss analog zum bisherigen Schema die am nächsten wahrscheinliche Differentialdiagnose überprüft werden.
Ein erfahrener Kardiologe findet aufgrund des Beschwerdebildes und der Vorgeschichte häufig den Weg zur Diagnose: «Hör dem Patienten zu und er sagt dir die Diagnose» (William Osler).