Wirtschaft als integrierter Teil eines Faches Sozialwissenschaften

HEDTKE hat die im vorherigen Unterpunkt in das Feld geführte politikdidaktische Integrationskritik aufgriffen und will mittels des sozialwissenschaftlichen Ansatzes unter anderem belegen, dass die angeführten Nachteile nicht nur abgeschwächt sondern sogar aufgehoben werden können (Hedtke 2005a, S. 61f.). Sein integrativer Ansatz zielt darauf ab, unterschiedliche Lernbereiche, die im Kontext zueinander stehen, „im Lernprozess systematisch aufeinander zu beziehen und zusammenzuführen“ (Hedtke 2006, S. 216). Das heißt, in einem gemeinsamen sozialoder gesellschaftswissenschaftlichen Lernfeld werden die Bereiche Politik, Wirtschaft und Soziologie entsprechend seines früheren Ansatzes, „gemeinsam und unterschieden“ behandelt (Hedtke 2002, S. 5). Die Besonderheit hierbei ist der gegenseitige Respekt vor dem Unterschiedlichen der jeweiligen Bereiche. Daher werden drei Perspektiven gewählt, die sowohl die Integration als auch die Wahrung des Verschiedenen in einem gemeinsamen Lernprozess ermöglichen (Hedtke 2006, S. 216f.): [1]

1. „Das Unterschiedliche des Unterschiedlichen“ soll/kann im direkten Vergleich vorgenommen werden (ebd.).

2. „Das Gemeinsame des Unterschiedlichen“ wird unter anderem über den gemeinsamen Bereich der sozialwissenschaftlichen Methoden repräsentiert (ebd.).

3. „Der Zusammenhang des Unterschiedlichen“ stellt sich durch Wechselwirkungen und Strukturzusammenhänge dar (ebd.).

Diese Art der sozialwissenschaftlichen Integration von politischer und ökonomischer (sowie soziologischer) Bildung liefert entscheidende Synergieeffekte (Hedtke 2005a, S. 64ff.):

Ÿ Sozialwissenschaftliche Arbeitstechniken und Methoden verringern den Unterschied zwischen politischer und ökonomischer Bildung, sie ermöglichen den wechselseitigen Zugriff und bieten damit eine optimierte Lernorganisation, wenn es gelingt, „eine Serie integrierter Methodenmodule der sozialwissenschaftlichen Bildung zu konzipieren und sinnvoll auf die Fächer zu verteilen“ (ebd.).

Ÿ Fachzentrierte Themenstellungen lassen sich besser unter Berücksichtigung der entsprechenden Rahmenbedingungen behandeln. Komplementäre Fächer steuern dabei das entsprechende außerfachliche Wissen bei. Dieser Rückgriff, bzw. die Organisation eines solchen, gelingt in einem Integrationsfach leichter als in separaten eigenständigen Fächern.

Ÿ Inhaltliche Dopplungen können vermieden werden.

Ÿ Die Vermittlung einer sozialwissenschaftlichen Grundbildung kann unter Verwendung der vorhandenen Perspektivenvielfalt erfolgen, indem jene Perspektive gewählt wird, die den Lernzielen am nahesten stehen und die zu bildenden Einsichten am besten fördern.

Ÿ Sowohl der didaktische Rückgriff auf Alltagssituationen als auch der nahezu identische Realitätsbereich Alltag wird in allen Teilbereichen vertreten. In diesem Zusammenhang sind ein gemeinsames Erschließen des Alltags und auch das Entgegenwirken bei Fehlvorstellungen möglich.

Hinsichtlich der aufgezeigten Synergien merkt HEDTKE selbstkritisch an, dass ein empirischer Nachweis noch aussteht. Jedoch sieht er im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Integration von politischer und ökonomischer Bildung ein Überwiegen der Vorteile (Hedtke 2005a, S. 66), die nicht zuletzt in dem Wesen der Sozialwissenschaften begründet sind. Vor dem Hintergrund weiterer zahlreicher offener Fragen zur fachdidaktischen Integrationsproblematik ist es sowohl von Seiten der Politikdidaktik als auch von Seiten der Wirtschaftsdidaktik unumgänglich, den sozialwissenschaftlichen Lernbereich zu stärken und das immer noch vorherrschende „Kooperationsdefizit“ zwischen beiden sowie die wechselseitige Ignoranz ihrer Fachverbände zu überwinden (Hedtke 2005a, S. 66f.).

Neben HEDTKE ist in diesem Zusammenhang REINHARDT zu nennen, die im Rahmen ihrer Arbeit und den damit verbundenen Veröffentlichungen maßgeblich den integrierten sozialwissenschaftlichen Ansatz verfolgt und favorisiert.

„Den Sozialwissenschaften (Soziologie, Ökonomie, Politologie) wird [..] die Funktion zugetraut und zugewiesen, dass sie helfen können, soziale Erfahrungen aufzuschließen, Urteile zu prüfen und Entscheidungen vorzubereiten.“ (Reinhardt 1997,

S. 14) Ein integriertes Schulfach ist eine Abkehr von „Spezialisierungen, die zum Zerstückeln in kurzatmiges Lernen führen“ (Reinhardt 2000, S. 421).

Hierfür bedarf es konkreter Lösungsmöglichkeiten, wie die gewünschte Integration erfolgen kann. Während HEDTKE zwischen fünf Integrationstypen unterscheidet (formal, inhaltlich, methodisch, konzeptionell, intentional) und diese ausführlich beschreibt (Hedtke 2005a, Abschnitt 3, S. 45ff.), sollen an dieser Stelle (Abbildung 2) drei Integrationsarten (Additive Verknüpfung, Leitwissenschaftliches Arbeiten und Interdisziplinäre Integration) herausgestellt werden, die bereits in einem vorläufigen Rahmenplan für Politische Bildung in der gymnasialen Oberstufe im Land Brandenburg berücksichtigt wurden (Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg 1994, S. 36ff.): [2]

Abbildung 2: Integrationsarten sozialwissenschaftlicher Disziplinen

Integrationsart

Erläuterungen

1. Additive Verknüpfung:

Der Ausgangspunkt dieser Integrationsart ist die Existenz selbständiger Teildisziplinen, die in den Lernfeldern und in den diesen zugeordneten Themen repräsentiert sind.

Soziologie + Ökonomie + Politologie

2. Leitwissenschaftliches Arbeiten:

Unter Leitwissenschaft wird diejenige Disziplin verstanden, die für das jeweilige Thema dominant ist, aber über „Brücken“, „Aspekte“ oder Dimensionen mit einer anderen Disziplin oder beiden anderen verbunden ist.

� 2. Disziplin

Leitwissenschaft

� 3. Disziplin

3. Interdisziplinäre Integration:

Die Komplexität der Realität erfordert Rahmenthemen, für deren Behandlung der spezielle Beitrag der einzelnen Disziplinen abzurufen und zu verknüpfen ist.

(Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg 1994, S. 39; in Verbindung mit Reinhardt 1997, S. 58) [3]

Diese Formen der Integration und die damit verbundene Möglichkeit zur Differenzierung der einzelnen Teilbereiche spiegeln bei aufeinander geschalteter Abfolge ein idealtypisches Modell der Sequentialität des Lernens in einem strukturierten Lernprozess wider (Reinhardt 1997, S. 57ff.). [4] Ökonomische Aspekte werden hierbei zum integralen Bestandteil des sozialwissenschaftlichen Analysierens, einer „Fähigkeit [..], intendierte und nicht intendierte Handlungsfolgen wahrzunehmen“ (May, M. 2007, S. 216). Sowohl der Bezug auf die sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen als auch der Fokus auf die gesellschaftlichen Teilsysteme dienen der sozialwissenschaftlichen Analyse als notwendige Kompetenz für das politische Urteilen (ebd.).

  • [1] Dem Leser bietet sich die Möglichkeit, bei Verfolgung der Literaturangabe, die Perspektiven anhand prägnanter Beispiele über den Kontext hinaus, nachzuvollziehen
  • [2] Auf den Bezug zu einer vierten Integrationsart (politische Bildung mit festen Anteilen Geschichte) wird mit Blick auf die vorliegende Thematik verzichtet. Diese dient der Herstellung des historischen Kontextes mit Gegenwartsbezug unter Berücksichtigung der drei sozialwissenschaftlichen Disziplinen (Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg 1994, S. 40).
  • [3] Die dargestellte Abbildung wurde in graphisch leicht abgeänderter Form inhaltlich identisch übernommen und findet sich in den angegebenen Quellen unter dem Titel „Sequentialität des Faches Politische Bildung als Integrationsfach“ wieder.
  • [4] „In der Realität des Unterrichts werden Elemente aus allen drei Integrationsarten immer wieder vorkommen; aber übers Ganze gesehen, kann bzw. wird der Unterricht im Fach ‚Sozialwissenschaften' je nach Lernpunkt der Gruppe in einem frühen Stadium eher additiv verfahren, später eher leitwissenschaftlich, schließlich zunehmend auch interdisziplinär.“ (Reinhardt 1997, S. 59)
 
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