Was heißt Interkulturelle Erziehung?

Kinder wachsen heute in einer Welt auf, die von wachsender Vielfalt geprägt ist. Da ist Mustafa, der keine Schweinswürstchen essen darf, Dimitri, der erstaunlich gut Deutsch spricht, Wang, der Neujahr an einem anderen Tag feiert, und Aron, der von Pessach erzählt. Das ist bereichernd und gleichzeitig eine Herausforderung. Schließlich geht es nicht nur darum, miteinander Feste zu feiern, Musik zu hören und unbekannte Speisen kennenzulernen, sondern darum, Vielfalt wertzuschätzen, Gemeinsamkeiten und Zugehörigkeiten herzustellen, ohne das Eigene zu verleugnen.

Kinder müssen lernen, dass unterschiedliche Sichtweisen nebeneinander Platz haben. Dazu gehört, Unterschiede wahrzunehmen und mit ihnen zu leben, ohne sich angegriffen zu fühlen. Egal, ob die Unterschiede mit Herkunft, Religion, kultureller Prägung, Sprache, Geschlecht oder einem Handicap zu tun haben. «Fremdheitskompetenz» ist der Fachausdruck dafür. Um die zu erwerben, müssen sich Kinder zunächst in ihren eigenen Unsicherheiten oder Ängsten verstanden und angenommen fühlen. Dann können sie ein Bewusstsein vom Zusammenleben verschiedener Kulturen entwickeln, selbst wenn manche nicht ganz verstanden werden. Die Identität eines Kindes lässt sich stärken, wenn man ihm erklärt, dass jeder Mensch seine Persönlichkeit in einem besonderen sozialen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Umfeld entwickelt, dass niemand besser oder schlechter ist, sondern nur anders.

Die meisten Kinder begegnen vor allem im Kindergarten und in der Schule anderen Traditionen und Lebensformen. Hier braucht es Erzieher und Lehrer, die im Bereich Interkulturalität fit sind, entsprechende Fortbildungen besuchen und neben Wissen auch über das notwendige Fingerspitzengefühl verfügen. In den Kindergartenjahren müssen Kinder lernen, sich trotz vielleicht großer Differenzen in andere hineinzuversetzen und zwischen dem, was man empfindet, und dem, was man daraus ableiten darf, zu unterscheiden.

Die beste interkulturelle Erziehung sind Eltern, die Respekt, Aufgeschlossenheit und Neugier für andere Kulturen vorleben, die ein offenes Haus führen, Stadtteilfeste besuchen und auf Reisen mit dem Unbekannten und Fremden vertraut machen oder sogar Gemeinschafts- und Solidaritätsgefühle engagiert leben, zum Beispiel in der Hausaufgabenhilfe für Kinder von Asylbewerbern. Mit älteren Kindern sollten nicht nur Lehrer oder Sporttrainer, sondern auch Eltern soziale, politische und religiöse Fragen diskutieren, um sie für unterschiedliche Formen von Diskriminierung zu sensibilisieren. Diese betreffen rassistische, sexistische oder sonstige abfällige Äußerungen ebenso wie subtilere Formen der Kränkung, zum Beispiel das leider weit verbreitete «Übersehen» von Kindern, die «anders» sind.

 
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