Kann man Zwillinge und Drillinge wie andere Geschwister erziehen?
erziehen?
Was in jeder Familie mit mehreren Kindern die größte erzieherische Herausforderung ist, nämlich jedem Kind gerecht zu werden, ist bei Mehrlingen noch ein Stück anspruchsvoller. Individualität und Gleichbehandlung zu sichern, ist oft eine Gratwanderung. Andere Geschwister haben ja, selbst wenn sie altersmäßig sehr nah beieinander liegen, nicht die gleichen entwicklungsbedingten Bedürfnisse.
Trotz oder gerade wegen der großen Nähe müssen Mehrlinge lernen, sich als Einzelpersonen, die in einer Gruppe aufwachsen, zu sehen und Unterschiede zwischen sich und den Geschwistern zu akzeptieren. Dazu kann auch gehören, dass einer beliebter oder sportlicher ist oder besser in der Schule mitkommt. Nicht immer werden alle zwei (oder drei) zum selben Kindergeburtstag eingeladen.
Oft beobachten Mehrlingseltern, dass ihre Kinder nicht ohne einander, aber auch nicht miteinander können. Besonders oft streiten sich Mehrlinge, die ähnliche Interessen, aber unterschiedliche Begabungen haben. Damit sollten Eltern sehr sensibel umgehen. Mehrlinge können positive Effekte aus der besonderen Nähe zueinander ziehen, wenn sie nicht ständig verglichen werden.
Wissenschaftler sprechen bei Zwillingen auch vom so genannten Couple-Effekt: Der sozial Kompetentere macht alle Kontakte, der andere hängt sich immer nur dran. Oder: Ein Zwilling arbeitet in der Schule gut mit und hilft dem weniger aufmerksamen ständig aus der Patsche. Solange sich das aufmerksamere oder sozialere Kind nicht überfordert fühlt, ist das kein Grund, Mehrlinge in getrennten Kindergartengruppen oder Klassen unterzubringen - es sei denn, sie äußern von sich aus, dass sie das wollen.
Mehrlinge müssen von Anfang an nicht nur Spielsachen teilen, sondern vor allem die Aufmerksamkeit. Ihre Eltern zerbrechen sich darüber den Kopf, aber für sie ist das völlig normal. Die fehlende Zeit kompensieren sie damit, dass sie sich miteinander beschäftigen. Den meisten Mehrlingen genügt es, wenn sie ab und zu mit einem Elternteil allein sein dürfen.
Zwischen der Zwillings- und der Drillingskonstellation gibt es einen wesentlichen Unterschied. Ein Dreiecksverhältnis ist erfahrungsgemäß komplizierter als eine Zweierbeziehung. Zwillinge müssen sich immer nur auf das eine Geschwister einstellen. Drillinge wachsen damit auf, eine Wahl zu haben, ausgrenzen zu können und selber ausgegrenzt zu werden. Die Dreierbeziehung kann dadurch in den ersten zwei Lebensjahrzehnten etwas explosiver sein. Insgesamt ziehen Kinder jedoch aus dieser besonderen Geschwisterkonstellation großen Nutzen und sind oft besonders sozial, teamfähig und solidarisch.
Wie häufig sind Zwillinge? In Deutschland ist schätzungsweise jede 50. Geburt eine Zwillingsgeburt. Zwei Drittel aller Zwillinge sind zweieiig, ein Drittel eineiig.
Warum sieht man immer mehr Zwillinge? Weil Frauen immer später schwanger werden. Mit zunehmendem Alter nimmt die Funktionalität des Hormons FSH ab; statt einer Eizelle reifen zwei heran, die befruchtet werden können. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zwillingsgeburt steigt auch durch Hormonbehandlungen und künstliche Befruchtung und wenn eine Frau selbst ein Zwilling ist oder es in ihrer Familie Zwillinge gibt. Die väterliche Linie spielt keine Rolle.
Sehen sich alle Zwillinge ähnlich? Nein. Nur die eineiigen, da sie aus einer befruchteten Eizelle stammen und fast ihr ganzes Erbgut teilen. Zweieiige Zwillinge sehen sich genauso ähnlich wie andere Geschwister, eigentlich sind sie ja nur fast gleich alt.
Warum kommt es bei Zwillingen häufig zu Entwicklungsverzögerungen? Weil Zwillinge oft zu früh geboren werden. In der Regel werden diese Entwicklungsverzögerungen im ersten Lebensjahrzehnt vollständig aufgeholt. Auch die Unterschiede in Größe und Gewicht gleichen sich meist bis zum vierten bzw. bis zum achten Lebensjahr aus.