Institutionenökonomik und politische Institutionen – fachwissenschaftliche Grundlagen und politikdidaktische Anwendung

Im Abschnitt 4.1.1 wurde im Rahmen eines Kurzüberblicks bereits auf das weitgefächerte Theoriefeld der modernen Institutionenökonomik hingewiesen. Vor dem Hintergrund dieses nicht unbeachtlichen Spektrums ist es notwendig, sich auf die Felder zu konzentrieren, deren didaktischer Nutzen für die Lernprozesse im Politikunterricht deutlich herausragt. Ein solcher Nutzen wird besonders im Hinblick auf die Neue Institutionenökonomik und die Neue Politische Ökonomie sowohl für integrierte als auch für separierte politische und ökonomische Bildung zahlreich von Vertretern aus Wirtschaftsund Politikdidaktik hervorgehoben. Eine beispielhafte Auswahl relevanter Verweise sei in Bezug auf die politische Bildung hier veranschaulicht:

ANDERSON spricht von der bereits vollzogenen methodischen Integration der Neuen Politischen Ökonomie in der Politikwissenschaft und verweist auf den Nutzen als Analyseinstrument in den Verschränkungen von Wirtschaftsund Politikwissenschaft als sozialwissenschaftliche Bereiche (Anderson 2006, S. 34f.).

BURKARD lobt ebenfalls die Neue Politische Ökonomie als Analyseinstrument für die „wechselseitigen Beziehungen zwischen Politik und Wirtschaft“ und erkennt die Möglichkeit, den „vielfach geforderten Brückenschlag zwischen Politologie und Volkswirtschaftslehre zu vollziehen“ (Burkhard 2004, S. 40).

„Es leuchtet ein, dass die Neue Institutionenökonomik nicht nur für ökonomische, sondern auch für viele politische und soziale Problemstellungen fruchtbar ist. […] Es ist keine Frage, dass die politische Bildungsarbeit von der Institutionenökonomik profitieren kann. […] Die politische Urteilsfähigkeit kann hierdurch an kognitiver Qualität nur gewinnen.“ (Detjen 2006, S. 75f.)

Die Neue Institutionenökonomik liefert im Rahmen der ökonomischen Bildung wichtige Impulse, die sich auch auf das politische Handeln in einer Wirtschaftsordnung erstrecken (Kaminski 1997, S. 155).

Institutionenökonomische Bildung, welche sich an der Neuen Institutionenökonomik orientiert, „kann einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung von (rationaler) Diskursfähigkeit, gesellschaftlicher Aufklärung und Selbststeuerung leisten“ (Karpe 2008, S. 176).

Institutionenökonomik berücksichtigt Kategorien wie Interesse und Macht – hierdurch erstreckt sich ökonomische Bildung auch auf politische Lernprozesse (Hedtke 2002a, S. 181).

Die Neue Institutionenökonomik und die Neue Politische Ökonomie als wirtschaftswissenschaftliche Forschungsprogramme tragen mit ihrer Berücksichtigung politischer Dimensionen „zu erweiterten Einsichten in Strukturen und Prozesse ökonomischer und politischer Phänomene“ bei (Kaminski 2007, S. 12). „Hier gibt es unausgeschöpfte fachwissenschaftliche Potentiale, die für eine neue Konzeption ‚Politik-Wirtschaft' genutzt werden könnten.“ (ebd.)

Der sichere Umgang mit den Konzepten der Neuen Politischen Ökonomie ermöglicht, „die in der Realität beobachtbaren (wirtschafts-) politischen Prozesse zu durchschauen und in einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung einordnen zu können“ (Behrends 2007, S. 35).

Für eine Anwendung der modernen Institutionenökonomik auf politische Institutionen und deren damit verbundener Nutzen für die politische Bildung eignet sich also, wie auch dieser Zitatauswahl entnommen werden kann, in besonderer Weise die Neue Politische Ökonomie sowie die Neue Institutionenökonomik mit ihren Spezialgebieten Transaktionskostentheorie, Theorie der Verfügungsrechte und Theorie der Vertragsbeziehungen.

In den folgenden Abschnitten werden diese Gebiete zunächst in ihren Grundzügen aus fachwissenschaftlicher Sicht vorgestellt. Hierzu ist es notwendig, sowohl das theoretische (ökonomische) Konstrukt als auch den Zugriff auf politische Institutionen zu kennzeichnen, bevor im Weiteren die besonderen Perspektiven für die politische Bildung unterrichtspraktisch herausgestellt werden können. Diese Vorgehensweise kann unter anderem dem Integrationstypus der intentionalen Integration (Hedtke 2005, S. 59) zugeschrieben werden, deren Integrationsbemühungen sich an übergeordneten Zielen in Form von Leitbildern und/oder Kompetenzsets ausrichten (ebd.). Das heißt, unter der Verwendung von institutionenökonomischen Theorien und Wissensbeständen soll im Rahmen des institutionenkundlichen Lernens in der politischen Bildung einerseits das Leitbild des mündigen Bürgers gestärkt werden, andererseits gilt es, entscheidende Kompetenzen wie zum Beispiel Denkweisen, Perspektivenübernahme, vor allem aber Analyseund Urteilsfähigkeit, im Politikunterricht zu fördern. In diesem Sinne werden institutionenökonomische Perspektiven für die Lernprozesse im Politikunterricht konzipiert. Darüber hinaus fungiert die moderne Institutionenökonomik als „Gelenkstelle“ zwischen politischer und ökonomischer Bildung, weil im disziplinübergreifenden Paradigma des Institutionalismus ein Integrationsakt par excellence zu identifizieren ist (Hedtke 2005, S. 57f.). [1]

Die institutionenökonomischen Aspekte werden sowohl in einem übergreifenden Verständnis als auch in ihren Einzeldisziplinen in die politikdidaktisch tradierte Institutionenkunde einbezogen. Ein hieraus resultierender Nutzen führt dazu, dass einerseits die Integration institutionenökonomischer Aspekte für die politische Bildung erforderlich wird und der didaktische Nutzen gleichsam als Bereicherung im Rahmen eines erweiterten Perspektiventableaus für den Lernprozess anzusehen ist. Andererseits wird damit ergänzend die Fähigkeit abverlangt, politikwissenschaftliche Gegenstände auch mit Hilfe institutionenökonomischer Instrumentarien analysieren und beurteilen zu können.

Anmerkungen: Die Reihenfolge der folgenden Abhandlungen soll keine Aussagen über Wertigkeiten treffen. Jedoch wird sich zeigen, dass bestehende Abhängigkeiten der Ansätze untereinander von essentieller Bedeutung sind. Des Weiteren erfolgt die Auswahl der dargestellten Theorien vor dem Hintergrund der Zweckdienlichkeit des Arbeitsthemas, das heißt, es steht deren Gehalt für eine Anwendung in der politischen Bildung im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang findet eine Konzentration auf den Wesensgehalt der Theorien statt. Die fokussierte Orientierung an den reduzierten Kernaussagen dient hierbei dem Anliegen der didaktischen Verwertbarkeit und erhebt nicht den Anspruch auf Komplexität in der Wiedergabe ökonomischer bzw. politik-ökonomischer Theorien. Mit dieser Herangehensweise sollen geeignete Perspektiven eröffnet werden, deren unterrichtsrelevante kritische Reflexion an den entsprechenden Stellen in dieser Arbeit selbstverständlich nicht vernachlässigt wird.

  • [1] „Das Sammelparadigma Institutionalismus kann man in seinen Basisideen als disziplinübergreifend verstehen, man kann es aber auch nach einer (vereinfachten) soziologischen und ökonomischen Variante differenzieren, je nachdem, in welchem intentionalen Zusammenhang man damit arbeitet. Für die Verwendung in schulischen Lernzusammenhängen […] verlieren manche der Unterscheidungen an Relevanz, die in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung hochgehalten werden, sodass man sich mit dem gemeinsamen Kerninhalt von Ökonomischer Verhaltenstheorie und Rational Choice Theorie begnügen und beide zusammenfassen und wie ein Paradigma verwenden kann, ohne auf unterschiedliche Richtungen und Differenzierungen eingehen zu müssen.“ (Hedtke 2005, S. 57f.) Diesem Paradigma entsprechend ist ebenfalls die moderne Institutionenökonomik zuzurechnen (siehe Abschnitt 4.1.3). Somit bezeugen ökonomische Verhaltenstheorie, Rational Choice oder moderne Institutionenökonomik beispielhaft, „wie man ökonomische und politische Bildung (auch; Anmerkung des Verfassers) paradigmatisch integrieren kann, indem man diesen Ansatz als ein in allen drei sozialwissenschaftlichen Bezugsdisziplinen prominentes Paradigma anwendet“ (Hedtke 2005, S. 58).
 
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