Neue Institutionenökonomik und politische Bildung
Vor dem Hintergrund einer institutionenökonomischen Bildung im Politikunterricht sollte der transaktionskostentheoretischer Fokus vor allem auf den allgemeinen Begriff, die Existenz und die Bedeutung sowohl gesellschaftlicher als auch individueller politischer Transaktionskosten gelegt werden.
Mit der Definition politischer Transaktionskosten werden Schülerinnen und Schüler für die Kosten zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines politischen Systems sensibilisiert. Sie werden dabei erkennen, dass ein legitimiertes freiheitlich demokratisches System finanziert werden muss, wobei neben den allgemein bekannten Staatsausgaben für öffentliche Güter (innere und äußere Sicherheit, administrative Verwaltung, Straßenbau, Bildung, Justiz, Gesundheitssystem usw.) auch Verfahrenskosten für den demokratischen Prozess zu Buche schlagen. Die Erkenntnis, dass Wahlen, Regierungsbildung, politische Kompromisse, Gesetzgebungsverfahren, Expertisen, Anhörungen, Bürgerbeteiligungen etc. Kosten verursachen, ist hierbei zwingend erforderlich.
Einzelne Positionen derartiger Kosten können folglich am Beispiel näher verdeutlicht werden. Nutzt man in diesem Zusammenhang das Beispiel einer Bundestagswahl werden zunächst die unmittelbaren Wahlkosten (Druck der Wahlformulare, Raumkosten, Kosten für Informationstechnik, Aufwandsentschädigung der Wahlhelfer usw.) sowie die Erstattung der Wahlkampfkosten für die Parteien in den Vordergrund gerückt. Hinzuzuziehen sind jedoch weiterhin die Kosten, die auf die einzelnen politischen Akteure entfallen, zum Beispiel Politiker, Parteien und Interessenverbände (Kosten zur Vorbereitung und Durchführung des Wahlkampfes – neben Kosten für beispielsweise Printmedien, insbesondere Opportunitätskosten der Zeit und Informationsbeschaffungskosten) oder Wähler (Entscheidungskosten als Opportunitätskosten der Zeit und Informationsbeschaffungskosten sowie eigentlicher Aufwand des Wahlganges). Weiterhin sind die Folgekosten nach jeder Wahl zu berücksichtigen, die sich einerseits auf den Staatshaushalt auswirken (Parlamentsumbildung, Neubesetzung der Regierung, Personalumbau in der Ministerialbürokratie, Entstehung neuer Pensionslasten, Begleichung alter Pensionsansprüche), andererseits die Gesellschaft im Rahmen der neuen Politik und deren Auswirkung auf Recht und Gesetz vor weitere Herausforderungen stellen.
Das Wesen der Transaktionskostentheorie ermöglicht es, neben wahrnehmbaren Kosten für öffentliche Güter und Dienstleistungen, weitere Kosten zwischen politischen Transaktionen zu identifizieren, Reibungsverluste zu erkennen und Institutionen in Bezug auf deren effiziente transaktionskostenminimierende Gestaltung zu analysieren. Die Existenz derartiger Kosten gibt Aufschlüsse darüber, warum politische Prozesse, ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten geschuldet, eine ökonomische Eigenlogik verfolgen. Am Beispiel von Informationsbeschaffungskosten als Transaktionskosten ist es somit nachvollziehbar, warum zum Beispiel in Sitzungen eines Gemeinderates die Aufstellung eines Abfallcontainers über mehrere Stunden debattiert wird (jeder ist aufgrund geringer Informationsbeschaffungskosten informiert und kann an diesem Entscheidungsprozess partizipieren), die Beschlussfassung über eine Straßenausbausatzung, deren ökonomische Tragweite vielfach höher zu bemessen ist als die Aufstellung eines Containers, unter Umständen in wenigen Minuten abgehandelt werden kann (hohe Informationsbeschaffungskosten in Bezug auf kognitives Verständnis und Durchdringung).
Die Übertragung der Transaktionskostentheorie auf politische Institutionen ermöglicht ebenfalls die Beurteilung ressourcenschonender Arrangements im politischen System. Hierbei eröffnet sich ein Spektrum, welches sich unter der Berücksichtigung von Transaktionskosten von der administrativen Verwaltung über die Bildung von Verwaltungseinheiten bis hin zum Föderalismus erstreckt und auch supranationale institutionelle Vereinigungen, bzw. internationale Staatsbeziehungen erschließen kann.
Auch die bereits vorgenommene Anwendung politischer Transaktionskosten auf das Büro als staatliche Organisationseinheit sollte im Unterricht nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, schließlich bildet sie die Grundlage für das ökonomische Verständnis der Existenz politischer Institutionen – politische Transaktionen sind in ihrer Eigenart und Spezifität so geprägt, dass sie hoheitlicher Autorität bedürfen und nicht über Märkte bedient werden können. Hierbei bietet ein Büro als administrative Organisationseinheit ein rationales institutionelles Arrangement, welches als Akteur im politischen Prozess neben politischen Transaktionskosten auch solche Reibungsverluste verursacht, die es unter Effizienzgesichtspunkten zu minimieren gilt. Beispielhaft kann Schülerinnen und Schülern in diesem Zusammenhang verdeutlicht werden, warum Politiker mitunter an ihre Grenzen stoßen, ihren politischen Willen gegenüber einer eventuell behindernden Bürokratie durchzusetzen. Büros sind zwar aufgrund ihres ausgeprägten Fachwissens und ihrer Verfahrenskenntnisse für die administrative Umsetzung zuständig, folgen jedoch damit ihren eigenen institutionenökonomischen Gesetzmäßigkeiten. Somit bedarf es zusätzlicher institutioneller Lösungen, welche wiederum transaktionskostenerhöhend wirken, aber die Instrumentalisierung des Büros als Handlungsgehilfen im politischen Prozess gewährleisten.
Die Einbeziehung von Property Rights im Politikunterricht erfolgt mit der Maßgabe, Schülerinnen und Schüler in ihrer Analysefähigkeit beim Durchdringen politischer Prozesse zu unterstützen. Neben dem Wissen um diese Theorie und die damit verbundene Existenz von Verfügungsrechten ist es erforderlich, ein Denken in den Strukturen von Verfügungsrechten zu forcieren.
Hierzu gilt es zunächst, dass Spektrum der Verfügungsrechte zu eröffnen. Mit Hilfe einer Brücke kann den Schülerinnen und Schülern das Wesen politischer Verfügungsrechte gekennzeichnet werden. In ihrer Alltagswelt sind sie mit dem Umgang von Eigentum als Beispiel eines absoluten Verfügungsrechts vertraut. Eigentum kann man nutzen (Wohnen im eigenen Haus), man kann es verändern (Umbau des Hauses), man kann mit Eigentum Erträge erzielen (Vermietung oder Verpachtung) und man kann es überlassen (Vermietung) bzw. übertragen (Verkauf oder Schenkung).
Die Dimension politischer Verfügungsrechte bezieht sich hierbei auf die Übertragung dieser im Rahmen politischer Transaktionen (Pappenheim 2000,
S. 106). Das heißt, die politische Macht des Volkes wird mittels Wahlen und den damit verbundenen Wahlregeln auf Parteien und deren Politiker übertragen. Deren Macht unterliegt wiederum den Regeln des Gesetzgebungsverfahrens sowie den institutionellen Arrangements zwischen Parlament, Ausschüssen und Bürokratie. In der letzten Stufe wird die Macht, repräsentiert durch Recht und Gesetz, der Bürokratie übertragen, welche gleichsam ihren eigenen institutionellen Strukturen unterliegt.
Insbesondere ergibt sich im innerstaatlichen System ebenfalls eine Verteilung von Verfügungsrechten, wenn man den Staatsaufbau einer vertikalen Betrachtung zuführt. Das heißt, die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Föderalismus, die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf die Landkreise und Kommunen, die Bildung kommunaler Verbände (in Thüringen bspw. Verwaltungsgemeinschaften), die Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen nach Artikel 28 (2) GG oder nicht zuletzt die Verteilung der Steuerhoheiten und Verwaltungsumlagen bilden ein (dem Staatsaufbau geschuldetes) Spektrum weitreichender Verfügungsrechte ab. Erweitert man diesen vertikalen Fokus auf übernationale Institutionen, wie zum Beispiel der EU, kommen diesen ebenfalls Verfügungsrechte zu, die sich in ihrem Feld über die Staaten bis hin zum Bürger auswirken (z.B. gemeinsamer Zolltarif in der EU, Umwandlung von europäischem Recht in nationales Recht, Finanzierung der EU aus nationalen Haushaltsmitteln etc.). Auf sämtlichen Ebenen existieren zugewiesene politische Verfügungsrechte, die jeweils eingebunden sind, in eigene institutionelle Strukturen.
An diesem Punkt ist zunächst die grundlegende Erkenntnis notwendig, dass die Verteilung der Verfügungsrechte nicht „gottgewollt“ ist, sondern dass sie dem Prozess der staatlichen Willensbildung entstammt. Sie ist im Moment als Fixum anzuerkennen, im Verlauf unterliegt sie jedoch dem politischen Prozess und ist daher variabel. Die Verteilung der Verfügungsrechte ist historisch begründet und unterliegt dem zeitlichen Wandel, der wiederum abhängig ist von politischen Machtverhältnissen und den Wertevorstellungen einer Gesellschaft.
Jede Übertragung politischer Verfügungsrechte unterliegt entscheidenden institutionellen Arrangements, die sich wiederum auf den Gehalt der eigentlichen Verfügungsrechte auswirken – hierzu zählen unter anderen modifizierte Wahlregeln, Abstimmungsregeln im Parlament, das Durchlaufen von Ausschüssen, dem Einfluss der Bürokratie aufgrund ihres Sachverstandes, die Übertragung von politischen Entscheidungen von Gesetzgebungsebene auf Verordnungsbasis oder die Verwaltungsstrukturen in den Ämtern der Bürokratie. Diese durch Recht und Gesetz entstandene Verteilung von Verfügungsrechten sowie deren Regularien zur Ausübung dieser gilt es also anzuerkennen. Unzufriedenheit, Ineffizienz oder Möglichkeiten zum Machtmissbrauch verlangen die Einsicht, in einem demokratisch politischen Prozess, bei den politischen Verfügungsrechten anzusetzen und politische Handlungen vorzunehmen, die das Institutionengefüge hinterfragen und gegebenenfalls verändern. In Wahlen sind somit politische Verfügungsrechte und deren institutionelle Rahmenbedingung zu thematisieren, was Beispiele wie Regularien zum Volksentscheid, Wahlalter, Behördenund Gebietsreformen, Bürokratieabbau usw. auch bestätigen.
Neben den politischen Verfügungsrechten im Hinblick auf demokratische Wahlen, besitzen die Bürger weitere Rechte, politische Macht auszuüben. Unser Grundgesetz kennt hierzu beispielsweise das Recht, seine Meinung zu äußern und zu verbreiten (Art. 5 GG), sich zu versammeln (Art. 5 GG) und zu vereinigen (Art. 9 GG) sowie Widerstand in der Ausnahme nach Artikel 20 (4) GG zu leisten. Im Rahmen dieser politischen Handlungsmöglichkeiten wird es den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen der Gesetze ermöglicht, Missfallen auszudrücken und unhaltbare Zustände mittels Druck auf politische Institutionen anzuprangern.
Die Behandlung politischer Prozesse im Unterricht kann also auch auf die Strukturen politischer Verfügungsrechte reduziert werden. Hierdurch wird das politische System transparenter, was den Analyseprozess für Schülerinnen und Schülern erleichtert.
Abschließend muss in diesem Zusammenhang auf eine weitere Erkenntnis der Lernenden hingearbeitet werden: Über politische Verfügungsrechte werden sämtliche ökonomisch definierten Verfügungsrechte (materielle/immaterielle Rechte sowie individuelle Freiheitsrechte) gesteuert. Sie unterliegen somit ebenfalls dem Prozess der staatlichen Willensbildung. Faktoren wie zum Beispiel die Besteuerung und damit die Verdünnung der materiellen Verfügungsrechte über Einkommen und Vermögen, das Einhalten von Formvorschriften bei Vertragsabschlüssen, gesetzliche Verbote oder Freiheitsrechte werden letztendlich mittels der Übertragung politischer Verfügungsmacht gestaltet und wirken auf jeden einzelnen zurück. Das heißt, auch die Unzufriedenheit auf den Gebieten ökonomischer Verfügungsrechte muss über den demokratischen Prozess im Rahmen politischer Verfügungsrechte ausgetragen werden.
Nachdem bisher in Auszügen versucht wurde, das weitreichende Spektrum politischer Verfügungsrechte zu illustrieren, können die Inhalte der Theorie der Vertragsbeziehung unmittelbar anknüpfen. Die grundlegende Erkenntnis für den Politikunterricht liegt darin, dass jedes Verhältnis, welches sich durch das Wirken von Verfügungsrechten begründet, eine Vertragsbeziehung im Sinne der Agency-Theorie darstellt, bei dem ein Principal einen Agenten „ermächtigt“ ((politische) Macht überträgt), in seinem Interesse zu handeln. Dies bedeutet für die Analyse politischer Prozesse, sich ein solches Spektrum von Vertragsbeziehungen vor Augen zu halten und um die Risiken der Agency-Theorie (hidden informations und hidden actions) zu ergänzen. Eine beispielhafte Illustration sei hierbei dargestellt:
Ÿ Der Wähler ist in Unkenntnis darüber, ob der Politiker seiner Wahl in der Lage ist, sein Amt mit den notwendigen Kompetenzen auszuführen (hidden information) und ob sich der Politiker an seine Versprechen nach der Wahl halten wird (hidden action).
Ÿ Die Vorstände einer Partei sind in Unkenntnis darüber, ob ihre Kandidaten (Liste oder direkt) die notwendigen Kompetenzen für ein Amt verkörpern (hidden information) und ob sie sich nach einer Wahl parteiloyal verhalten werden (hidden action).
Ÿ Ein Politiker ist in Unkenntnis darüber, ob Bürokraten ihm mit den richtigen Fakten für das Treffen einer politischen Entscheidung versorgen oder ob sie kompetent genug sind Gesetze auszuarbeiten, die einer rechtlichen Inhaltskontrolle standhalten (hidden informations). Er weiß auch nicht, ob Bürokraten ihre Budgets sorgfältig einsetzen, die Verwendung von Steuermitteln ordnungsgemäß prüfen und mit Steuergeldern tatsächlich sparsam umgehen (hidden actions).
Ÿ Ein Chefbürokrat ist faktisch in Unkenntnis über die tatsächliche Loyalität, Kompetenz (hidden informations) und die Arbeitsmoral (hidden action) seiner Untergebenen.
Ÿ Das Land, vertreten durch die Beamten der Finanzämter, ist in Unkenntnis darüber, ob Bürger ihre Einkünfte korrekt erklären (hidden information). Die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen wissen nicht, ob ein Arbeitsloser tatsächlich alles unternimmt, um wieder in Arbeit zu kommen (hidden action).
Ÿ Die Kommunalvertreter sind in Unkenntnis darüber, ob die Verwaltungsumlage an den Landkreis unter dem Gebot der sparsamen Mittelverwendung benötigt (hidden information) und sparsam verwendet wird (hidden action).
Ÿ Die Bediensteten der EU sind in Unkenntnis darüber, ob die Mitgliedstaaten ihr wahres Bruttoinlandsprodukt zur Finanzierung der Gemeinschaft offenlegen (hidden information), sie wissen auch nicht, ob die Mitgliedsstaaten Fondmittel aus der EU projektbezogen und sparsam einsetzen (hidden action).
Ein solcher Beispielkatalog lässt sich beliebig fortführen und auf ausgewählte, zu analysierende politische Probleme im Unterricht anwenden. Gegebene Institutionen können in einem zweiten Schritt im Rahmen der illustrierten Strategien signaling oder self-selection hinterfragt werden, bzw. weitere zielführende Möglichkeiten zur Lösung einer Agency-Problematik sind für institutionelle Arrangements herauszufinden. Dieses Vorgehen bedarf jedoch des expliziten Rückgriffs auf die dabei entstehenden Agency-Kosten und der damit verbundenen Beurteilung einer Kosten-Nutzen-Relation. Zum Beispiel:
Ÿ Der Wähler kann sich vor der Wahl ausgiebig über den Politiker informieren.
Ÿ Der Politiker signalisiert seinen Sachverstand und seine Glaubwürdigkeit, indem er sich den Fragen seiner Wähler stellt.
Ÿ Der Politiker kann sich in Bezug auf politische Entscheidungen sachkundig machen und sich dem politischen Diskurs stellen.
Ÿ Die Höhe des Budgets sowie deren Verwendung in einem Büro muss hinterfragt und geprüft werden.
Ÿ Die Bediensteten der Finanzämter sowie der Leistungsstellen der Sozialversicherungsträger führen Kontrollen durch.
Ÿ Die EU überwacht die Antragsund Vergabeverfahren für EU-Mittel und entsendet Rechnungsprüfer in die Fördermittelvergabestellen der Mitgliedstaaten.
Die Betrachtung politischer Prozesse unter der Perspektive der Theorie der Vertragsbeziehungen verlangt von den Schülerinnen und Schülern zunächst, diese Denkstrukturen aufzunehmen. Sie werden erkennen, dass die Gestaltung institutioneller Arrangements unter der Berücksichtigung von hidden informations und hidden actions im politischen Prozess äußerst komplex und kostspielig sein kann. Jedoch müssen Schülerinnen und Schüler, aufgrund sich daraus möglich ergebender Gefahren für das politische System, erkennen, dass auch kostenintensive bürokratische Strukturen unumgänglich sein können. Gleichsam bedeutet dies jedoch auch, gegebene Prozesse kritisch zu hinterfragen und über den demokratischen Prozess, Einfluss zur Optimierung von strukturellen Prozessen zu nehmen.