Gegenstand und Kontexte der Kulturellen Bildung

Begriffliche und theoretische Grundlagen

Begriffsklärung

Bildung und Kultur stellen in der deutschen Sprache zwei höchst komplexe Begriffe mit zahlreichen Bedeutungszuschreibungen dar, die in der begrifflichen Zusammensetzung „Kulturelle Bildung“ nicht weniger vielfältig und interpretationsbedürftig bleiben. Kulturelle Bildung fungiert daher vielmehr als ein Sammelbegriff für verschiedene Prozesse und Aktivitäten in unterschiedlichen Kunstsparten wie den klassischen Kunstgattungen Musik, Theater, Bildende Kunst und Literatur, aber auch Comics, Filme oder Performances als moderne künstlerische Ausdruckformen werden inzwischen dazu gezählt. Dies verweist auf die Offenheit des Begriffes gegenüber aufkommenden neuen Formen und Ausgestaltungen der bisherigen Bereiche (vgl. Fuchs 2007: 10). So kann der Begriff der Kulturellen Bildung sowohl als Oberkategorie für verschiedene pädagogische Praxen oder spezifisch künstlerische Arbeitsformen dienen, als auch als ein Grundbegriff diverser bildungstheoretischer Diskurse verstanden werden, in denen es um Fragen der Persönlichkeitsund Identitätsentwicklung, um Transfereffekte und gesellschaftliche Anknüpfungspunkte geht (vgl. Stang 2010: 176).

Um trotz der großen Begriffsvielfalt und deren Ausdeutungen einen Zugang zu dem Begriff Kulturelle Bildung zu erhalten, soll im Folgenden eine anthropologisch begründete Annäherung erfolgen. Dies liegt schon deshalb nahe, weil es bei der Kulturellen Bildung nach Definition von Stang um das Subjekt selbst und seine Identitätsbildung im Kontext der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt und den durch diese hervorgebrachten ästhetisch-kulturellen Objekten geht (vgl. Stang 2010: 176f.). So kann der Mensch als „kulturell verfasstes Wesen“ (Fuchs 2007: 10) verstanden werden, das durch die Fähigkeit gekennzeichnet ist, sich selbst zum Gegenstand seiner Reflektionen zu machen. Hier liegt bereits ein wesentliches Element des Bildungsbegriffs zu Grunde: Bildung als eigenaktiver und eigenbestimmter Selbstbildungsprozess meint, um auf das Humboldtsche Bildungsideal zu rekurrieren, die Kräftebildung, Selbstentfaltung, Persönlichkeits und Identitätsentwicklung durch Weltaneignung.

Diese Selbstbildung ist jedoch nicht als ein in Isolation ablaufender Prozess zu verstehen, vielmehr zeigt sich die Abhängigkeit des Menschen von sozialer Einbettung und Kollektivität. Menschliche Beziehungen organisieren und steuern die Gesellschaft und ihre Entwicklung, mit der das Subjekt in ständiger Auseinandersetzung steht (vgl. Liebau 2012: 32). Als Mittel der Weltaneignung schuf sich der Mensch schließlich verschiedene Zugänge, z.B. Sprache, Religion, Technik, Wissenschaft oder auch Kunst, die in ihrer Summe mit dem Begriff

„Kultur“ zusammengefasst werden können. Die Welt des Menschen ist damit eine durch diesen konstruierte und durch diesen wieder erfassbare Welt (vgl. Fuchs 2007: 10). Mit dem Begriffskonglomerat „Kulturelle Bildung“ werden darüber hinaus auch Prinzipien wie Teilhabe und Partizipation verbunden. Kulturelle Bildung hat somit die kulturelle Anschlussfähigkeit jedes einzelnen Gesellschaftsmitgliedes zum Ziel und dessen Befähigung zur Weiterentwicklung kulturellen Wissens, Fertigund Fähigkeiten (vgl. Dietrich; Krinninger; Schubert 2012: 122). So wird die Ermöglichung von Kultureller Bildung als konstitutiver Teil der allgemeinen Bildung auch in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gefordert, Art. 27 (1):

„Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.“

Das Konzept Kultureller Bildung weist also auch aktuell noch immer starke Bezüge zu einem traditionell humanistisch ausgelegten Bildungskonzept auf. Fuchs betont in diesem Kontext sogar, dass die neuhumanistischen Lehren Schillers zur ästhetischen Erziehung als „kulturelle Bildung im heutigen Sinne“ (Fuchs 2009: 16) betrachtet werden können. Im Folgenden soll deshalb ein Überblick über wichtige wegweisende historische Konzepte wie dem Schillerschen und der Entwicklungsgeschichte der Kulturellen Bildung gegeben werden, bevor der gegenwärtige Diskurs beleuchtet wird.

 
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