Für wen gelten die in den Tarifverträgen festgehaltenen Regeln?
Die Regelungen eines Tarifvertrages gelten zunächst nur für „Tarifgebundene“, das sind Mitglieder der den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft(en) einerseits und zB die Mitgliedsfirmen des jeweiligen Arbeitgeberverbandes andererseits.
Sie sind Mitarbeiter im Rechnungswesen eines großen Bauunternehmens. Im „Tarifvertrag über die Gewährung eines
13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes“ findet sich folgende Bestimmung: „§ 2 - Anspruch: „Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. Nov. des laufenden Kalenderjahres mindestens zwölf Monate ununterbrochen besteht, haben Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe des 93fachen ihres in der Lohntabelle ausgewiesenen Gesamttarifstundenlohns.“
Zusätzliche Vergütung bei Tarifbindung. Ihr zum
Bauindustrieverband (Arbeitgeberverband) gehörender Arbeitgeber zahlt Ihren Kollegen, Herrn G und Herrn W., die beide in der Gewerkschaft Bauen- Agrar-Umwelt organisiert sind, zu Weihnachten jeweils zusätzlich zu ihrem Gehalt das 93fache ihres in der Lohntabelle ausgewiesenen Gesamttarifstundenlohns. Bei der Dezemberabrechnung stellen Sie fest, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen kein 13. Monatsgehalt ausgezahlt hat. - Zu Recht?
Ihr Arbeitgeber hat Ihnen rechtlich einwandfrei die zusätzliche Vergütung verweigert, weil Sie nicht tarifgebunden sind. Es gibt allerdings noch zwei weitere Möglichkeiten, wie die Regeln eines Tarifvertrages auf ein einzelnes Arbeitsverhältnis einwirken können, wie Sie also vielleicht doch noch in den Genuss der Tarifleistung kommen könnten.
Erste Möglichkeit: Allgemeinverbindlichkeit. Das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales oder - soweit im Einzelfall hierzu beauftragt - die oberste Landesbehörde des jeweiligen Bundeslandes können auf Antrag einzelne Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären. Wie das Wort schon sagt, gelten diese Tarifverträge für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber der betreffenden Branche und des im Tarifvertrag genannten geographischen Geltungsbereichs (zB Hessen, Bayern usw.), unabhängig davon, ob sie gewerkschaftlich organisiert bzw. Verbandsmitglied sind oder nicht.
Da der in unserem Beispiel genannte Tarifvertrag nicht allgemeinverbindlich ist, können nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer hieraus keine Rechte herleiten.
Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass der Tarifvertrag einzelvertraglich als anwendbar vereinbart wird. In einem solchen Fall enthält der Arbeitsvertrag etwa folgende Regelung: „Soweit in diesem Arbeitsvertrag nichts anderes bestimmt ist, finden die Tarifverträge für die Bauindustrie in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.“