Welche Maßstäbe gelten bei Vertragsstrafenregelungen, die nicht den Fall der Nichteinhaltung von Kündigungsfristen oder des Nichtantritts der Arbeit bei Vertragsbeginn betreffen?
Neben den genannten Fallgruppen gibt es andere Bereiche, in denen Vertragsstrafenvereinbarungen nach wie vor zulässig bleiben („Bestrafung“ von Verstößen gegen ein Wettbewerbsverbot, gegen die Geheimhaltungsverpflichtung und von anderen Vertragspflichtverletzungen). Diese Regelungen werden mit gleichen Maßstäben gemessen wie auch andere vertragliche Regelungen, dh sie dürfen insbesondere nicht gegen zwingende Gesetze verstoßen. Verstoßen sie gegen zwingende Gesetze, so sind sie unwirksam und nicht verbindlich. Das ist u. a. der Fall, wenn die Vertragsstrafenregelung zu einem Verhalten verpflichten oder eine Leistung sichern soll, die vom Gesetz verboten ist.
Arbeit über die Höchstarbeitszeit hinaus. Der Arbeitnehmer wird im Arbeitsvertrag verpflichtet, Arbeit auch über die nach dem Arbeitszeitgesetz zulässige Höchstarbeitszeit hinaus zu leisten. Zur Sicherung dieser Verpflichtung wird eine Vertragsstrafe vereinbart.
Eine solche Vereinbarung ist nichtig, da die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes über einzuhaltende Höchstarbeitszeiten zwingend sind, eine darüber hinausgehende Arbeitsleistung also verboten ist.
Schließlich können Vertragsstrafenabreden - wie bereits oben ausgeführt - unwirksam sein, weil bzw. wenn sie zu unbestimmt gehalten sind. Beispiel einer solchen Vereinbarung:
„Für den Fall, dass der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber nicht oder nicht genügend erfüllt, ist ungeachtet des tatsächlich entstandenen Schadens eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe von 500 Euro vereinbart.“
Wie Sie sehen, kann eine Vertragsstrafe auch unter anderen Begriffen (hier: „Ausgleichszahlung“) auftauchen. Wesentlich ist, dass eine Zahlungsverpflichtung unabhängig von der Entstehung bzw. dem 244Nachweis eines Schadens lediglich bei Vorliegen einer Vertragsverletzung entstehen soll.
Zurück zur Unbestimmtheit der Vereinbarung. Die - der Praxis entnommene - beispielhaft wiedergegebene Regelung lässt nicht erkennen, welche vertraglichen Pflichten in besonderer Weise gesichert werden sollen. Eine solche Vertragsstrafenvereinbarung mit „Gießkannenwirkung“ für nicht näher bezeichnete bedeutende und unbedeutende Vertragsverstöße ist unwirksam. Das in § 307 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches enthaltene Transparenzgebot gebietet, dass sowohl die vereinbarte Strafe wie auch der Tatbestand, der sie auslösen soll, klar und deutlich bezeichnet sein müssen, damit sich der andere Teil - in unserem Fall also der Arbeitnehmer - in seinem Verhalten darauf einstellen kann. § 307 Absatz Ides Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmt nämlich:
„unangemessene Benachteiligung". „Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist."
Was ist, wenn die vereinbarte Vertragsstrafe empfindlich hoch ist?
Haben Sie Ihrem Arbeitgeber im Arbeitsvertrag die Möglichkeit gegeben, eine „saftige“ Vertragsstrafe zu verhängen, so wurde die Vereinbarung vor Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes im allgemeinen noch nicht deswegen als unwirksam angesehen, weil die vorgesehene Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch war. Die Interessen des von der Vertragsstrafe betroffenen Arbeitnehmers wurden allerdings dadurch berücksichtigt, dass das Gericht die Vertragsstrafe auf einen angemessenen Betrag herabsetzen konnte.
Nunmehr, dh seit Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in das Bürgerliche Gesetzbuch muss - wie vorstehend bereits für die vertragswidrige vorzeitige Lösung vom Vertrag dargestellt -zumindest bei vom Arbeitgeber vorformulierten Verträgen zunächst 245festgestellt werden, ob die Vereinbarung der Vertragsstrafe im Hinblick auf die festgesetzte Höhe überhaupt wirksam ist. Der zuvor wörtlich zitierte § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB verbietet nämlich eine „unangemessene Benachteiligung“ des Vertragspartners des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Das kann dazu führen, dass eine Vertragsstrafenvereinbarung bereits von vornherein wegen unangemessener Höhe als unwirksam angesehen wird, ohne dass sich noch die Frage der Herabsetzung stellt. Aber auch wenn die Vertragsstrafenregelung im Einzelfall nicht als insgesamt unwirksam angesehen wird, muss das Gericht die Angemessenheit der Höhe überprüfen und kann unter Berücksichtigung aller Umstände eine Herabsetzung vornehmen.
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