Rahmenbedingungen von Kultureller Bildung als Spannungsfelder von Sommerakademien

Innerhalb der ersten Oberkategorie „Rahmenbedingungen von Kultureller Bildung als Spannungsfelder für die Sommerakademie“ wurde Kulturelle Bildung im Kontext des demographischen Wandels, im Kontext einer Ökonomisierung von Bildung und im Spannungsfeld zwischen bildungspolitischer Förderung und gleichzeitiger Marginalisierung diskutiert. Dabei zeigt sich, dass sich für die Lehre an Sommerakademien insbesondere durch ökonomische Bedingungen zahlreiche Herausforderungen ergeben.

Kulturelle Bildung im Kontext des demographischen Wandels

Im Zusammenhang mit dem demographischen Wandel in Deutschland beschreiben die Befragten die Auswirkungen der sich verändernden Altersstruktur für Sommerakademien der Kulturellen Bildung. Da der Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung aufgrund einer durchschnittlich höheren Lebenserwartung und einer rückläufigen Geburtenrate zunehmend steigt, sehen sich die Kursleiter/innen mit einer „Überalterung“ der Teilnehmerschaft (B2: 81) [1] konfrontiert: Ein Großteil der Teilnehmer/innen „ist doch sehr älter und wird auch immer älter“ (B1: 24). Viele der Kursbesucher/innen sind daher bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und in den Ruhestand eingetreten. Diese Phase im Leben werde inzwischen immer länger, einige Menschen bestreiten diese noch 20 oder gar 30 Jahre, sodass das Bedürfnis, diese Zeit aktiv zu gestalten, sehr hoch sei (vgl. B1: 42). Insbesondere das Bedürfnis, sich kulturell und spezifisch künstlerisch weiterzubilden, wachse bei vielen älteren Menschen, da dieser Bereich im Alltag oft keinen Platz gefunden hatte: „die (...) sagen, jetzt will ich das machen, was ich mein Leben lang nicht machen konnte“ (B1: 42). Die Kurs-

leiter/innen verspüren bei den Teilnehmer/innen deshalb den „Wunsch sich in unserem Fall mit Bildender Kunst auseinander zu setzen und damit auch sein, die zweite Lebenshälfte zu gestalten“ (B5: 55). In diesem Zusammenhang machen die Befragten auch darauf aufmerksam, dass es DEN älteren Menschen nicht gibt, sondern dass es sich vielmehr trotz einer weitgehend homogenen Altersstruktur um eine heterogene Teilnehmerschaft handelt. Neben unterschiedlichen Vorstellungen und Bedürfnissen bezüglich der Kursgestaltung, finden sich viele verschiedene künstlerische Ausdrucksund Herangehensweisen, die in jedem Teilnehmer individuell angelegt seien (vgl. B4: 51). Hinzu komme, dass viele ältere Teilnehmer/innen sehr hoch qualifizierte und anspruchsvolle Berufe ausgeübt haben, sodass bei Eintritt in die Ruhephase das Gefühl der Unterforderung und die Suche nach neuen Herausforderungen eintreten: „das sind sehr viel ältere Teilnehmer, die (...) sich eigentlich ein neues Feld, die haben vielleicht immer schon mal künstlerisch gearbeitet, aber entdecken“ (B5: 13). In diesem Zusammenhang wird von den Befragten beschrieben, dass Kunst und vor allem Kunstschaffen sowohl geistige als auch körperliche Bedürfnisse einholen und damit eine „Form von Befriedigung“ (B4: 77) schaffen. Das hohe Interesse an Kultureller Bildung bei vielen älteren Menschen wird zudem dadurch begründet, dass dieses „den Menschen mit in die Wiege gelegt worden ist“ (B4: 77), also ein genuin menschliches Bedürfnis darstelle, was in der Zeit nach dem meist funktional ausgerichteten Erwerbsleben verstärkt hervortrete (vgl. B4: 77). Darüber hinaus wird gerade älteren Teilnehmer/innen von den Befragten eine gewisse Finanzkraft zugesprochen, die sich auch aus den genannten beruflichen Hintergründen ergebe: „größten Teils machen es doch noch eher die Leute, die Geld haben (...) und das geht ja eigentlich wirklich so ab 50 erst los“ (B1: 68). Die Teilnehmerbeiträge und die in vielen Fällen dazu kommenden Reise-, Unterkunftsund Verpflegungskosten stellen neben dem hohen Zeitaufwand für viele jüngere potenzielle Teilnehmer/innen oft eine Herausforderung dar, weshalb diese eher marginal in der Teilnehmerstruktur vertreten seien (vgl. B1: 24). Gleichzeitig sehen sich viele ältere Menschen in der Ruhephase mit dem Verlust einer zentralen sozialen Bezugsgruppe, nämlich der Kollegschaft, konfrontiert, wodurch für den „Aspekt der, des Älterwerdens (...) und der, der Aspekt der Vereinzelung der Menschen“ (B4: 87) ein gewisser Zusammenhang gesehen wird. Sommerakademien bieten hier die Möglichkeit wieder in einer Gruppe agieren zu können [2].

Insbesondere älteren Menschen werden also von den Befragten die für die Teilnahme an der Sommerakademie notwendigen zeitlichen, finanziellen sowie inzwischen auch körperlichen Ressourcen zugesprochen, womit ältere Menschen eine konkrete Zielgruppe darstellen: „das ist ja eigentlich das Publikum, was eine Sommerakademie also gerne haben möchte“ (B1: 68). Die alternde Teilnehmerstruktur als Folge des demographischen Wandels wird in dieser Hinsicht also als Bereicherung für diese Veranstaltungsform empfunden. Gleichzeitig nehmen die Befragten aber auch eine gewisse „Gefahr“ (B2: 81) wahr. So werfen die Kursleiter/innen Fragen auf wie „Was ist, wenn diese Generation weg bleibt?“ (B3: 53). So gelängen die jetzigen Teilnehmer/innen auch irgendwann an ihre natürlichen Grenzen (vgl. B1: 26/B2: 81) und die Akquise von neuen, jüngeren Teilnehmer/innen sei derzeit nur begrenzt erfolgreich: „da wächst nichts nach“ (B2: 81). Wie schon beschrieben liegt dies aus Sicht der Befragten an den fehlenden zeitlichen und finanziellen Ressourcen vieler jüngerer Menschen, die entweder noch nicht im Erwerbsleben stehen oder von diesem stark absorbiert werden. Hinzu komme, dass seit einigen Jahren die Sicherung einer entsprechenden Altersversorgung für einen großen Teil der Bevölkerung ungewiss sei und die Prognose einer steigenden Altersarmut auch die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen gefährde. Dies sei ein „Problem, was den gesamten Kulturbetrieb betrifft“ (B2: 81) und was damit auch die Sommerakademie vor entsprechende Herausforderungen stellt. Für die Veranstaltungsform und die Lehrenden bedeutet das beispielsweise eine existenzielle Abhängigkeit von der Finanzkraft der Teilnehmenden, „weil natürlich alles auch durch Teilnehmende finanziert werden muss“ (B5: 55). Die Akquise von „Nachwuchsteilnehmern“ (B1: 68), die sowohl Schüler/innen, Student/innen als auch Erwerbstätige umfassen sollte (vgl. B5: 13/B1: 24, 68), wird jedoch nicht nur aus finanziellen Gründen angestrebt, sondern wird auch aus einer qualitativ-inhaltlichen Perspektive begründet. So wird auch betont, dass über eine noch stärker heterogene Teilnehmerschaft „eine Option und eine Chance da ist, da wirklich mit diesen Ressourcen, die so eine Akademie bietet, weiter zu arbeiten“ (B5: 13). Denn trotz der zugesprochenen Heterogenität der älteren Teilnehmerschaft, würden durch das Fehlen bestimmter Bevölkerungsgruppen auch Möglichkeiten des Austauschs und der Interaktion begrenzt werden.

So gestalten sich die Auswirkungen des demographischen Wandels als Spannungsfelder für die Sommerakademie, indem die Wahrnehmung und Einordnung der zunehmend alternden Teilnehmerstruktur zwischen Wertschätzung bezüglich ihrer Facetten und Ressourcen und Besorgnis über mögliche Folgen einer wenig stattfindenden Akquise neuer Teilnehmer/innen schwankt.

  • [1] In den nachfolgenden Verweisen werden die Interviewteilnehmer/innen mit „B“ für „Befragte/r“ und einer entsprechenden Nummerierung abgekürzt. Die Zahl hinter dem Doppelpunkt verweist auf den Absatz des dazu gehörigen Transkripts, in welchem das Zitierte oder der Vergleich wiederzufinden sind. Aus Gründen der Anonymisierung können die Transkripte an dieser Stelle jedoch nicht zur Verfügung gestellt werden
  • [2] Vgl. Unterkategorie „Arbeiten in und mit der Gruppe als Interaktionsgemeinschaft“
 
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