Kulturelle Bildung im Kontext einer Ökonomisierung von Bildung
Ein zweiter und am häufigsten diskutierter Aspekt bezüglich der Rahmenbedingungen Kultureller Bildung und speziell von Sommerakademien betrifft das Handeln von Kursleiter/innen unter zunehmend ökonomischen Kriterien. Als dem Segment der Weiterbildung zugehörig, erfahren Sommerakademien in der Regel keine staatliche finanzielle Unterstützung, sodass diese immer häufiger unter den Druck geraten, ihre Angebote unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit konzipieren zu müssen: „Also es muss sich rechnen oder es ist immer die Frage der Effektivität“ (B2: 49). Erfolg würde demnach zunächst anhand der Nachfrage und den konkreten Einnahmen über die Teilnehmerbeiträge gemessen. Nicht gebuchte und damit nicht stattgefundene Kurse werden deshalb als „Verlustgeschäft“ (B1: 6) gewertet, es entstehe daher „natürlich so ein Druck, der sich da aufbaut“ (B5: 45). Dabei thematisieren die Befragten auch die allgemein starke Betroffenheit Kultureller Bildung von den sinkenden staatlichen Zuschüssen. Dies hänge mit einer häufigen Unterbewertung ästhetischer Bedürfnisse und des Drangs nach Selbstverwirklichung über die Auseinandersetzung mit Kulturellen Objekten zusammen: „Natürlich kann man im kulturellen Bereich am einfachsten sparen“, da dieser als „sogenannter weicher Bereich“ eingestuft würde, könne man „morgen jegliche Subvention oder jegliche Förderung auf Null fahren. Ende!“ (B2: 49). Diese Abhängigkeit wird von den Befragten als konkrete Bedrohung für die eigenen Handlungsfelder wahrgenommen. Zwar würde die Sommerakademie Marburg von der Stadt, genauer gesagt durch das städtische Kulturamt, teilfinanziert, dennoch müsse die Finanzierung weitestgehend durch die Einnahmen aus den Teilnahmebeträgen getragen werden: „es ist ja nicht so, dass uns ein reicher Segen überfällt über die Stadt“ (B5: 47). Eine ökonomische Perspektive in Hinblick auf die Angebotsplanung und -durchführung sei deshalb nicht zu umgehen, eine „gewisse Kommerzialität auch im Finanziellen das muss natürlich sein“ (B5: 47). Trotz dass die Befragten diese notwendig einzunehmende Perspektive nachvollziehen können, löst sich für diese nicht die als Widersprüchlichkeit wahrgenommene Idee einer Effektivität von Bildung: „ich weiß nicht, inwiefern man Bildung rechnen kann“ (B2: 55). Insbesondere in der Kulturellen Bildung würden Lernerfolge, die über das Erlernen und Anwenden künstlerischer Techniken hinausgehen, nämlich sogenannte Transfereffekte, die die „geistige Kompetenz, soziale Kompetenz“ (B2: 55) fördern, nicht messbar sein (vgl. B2: 55/B4: 73)
Eine solche Kosten-Nutzen-Kalkulation wiederspreche zudem der Grundidee flächendeckend kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. So wird die Teilnehmerstruktur kultureller Bildungsangebote und speziell von Sommerakademien überwiegend von Teilnehmer/innen geprägt, denen eine gewisse Bildungsaffinität zugeschrieben wird. Die Befragten greifen hier auf die Begriffe „bildungsnah“ (B3: 71) und „Bildungsbürgertum“ (B3: 71/B2: 81) zurück und beschreiben in diesem Zuge einen durchschnittlichen Teilnehmer, der eine akademisch geprägte Berufsbiographie (vgl. B3: 71) und dementsprechend finanziell gesicherte Lebensumstände vorweisen kann (vgl. B5: 13/B3: 53). An vielen Sommerakademien, insbesondere an „kommerziell ausgerichteten freien Akademien“ sei daher ein „sehr eingeengter Teilnehmerkreis“ (B5: 13) vorzufinden. Eine finanzielle Unterstützung durch die Kommune, wie es in Marburg der Fall ist, beuge dieser Selektion ein Stück weit vor, da z.B. durch die Mehrfachnutzung städtischer Liegenschaften die Mietkosten und damit die Teilnahmebeträge gesenkt werden könnten (vgl. B5: 13, 47): „das lässt also einfach auch zu, dass auch andere, dass auch jüngere Teilnehmer zum Beispiel kommen“ (B5: 13). Dennoch könne über die Veranstaltungsform Sommerakademie, die sich hauptsächlich über die Teilnehmerbeiträge finanzieren muss, nicht jede/r Bürger/in erreicht werden: „man würde jetzt bildungsferne Menschen darüber nicht erreichen“ (B3: 71). Gleichzeitig betonen die Befragten aber auch, dass ein solches Ziel, allen Gesellschaftsmitgliedern die Rezeption und Gestaltung von Kultur zu ermöglichen, über eine einzelne Veranstaltungsform gar nicht zu leisten sei, weshalb eine gewisse Vielfalt in den Angebotsformen Kultureller Bildung notwendig sei. In dem Zuge ergebe sich also die „Frage, ob das [Erreichen sogenannter bildungsferner Bürger/innen, C.S.] die Aufgabe der Sommerakademie sei, aber da müsste man andere Sachen, da müsste man Stadtteilprojekte machen“ (B3: 71). Die Befragten stellen also für die Akquise bestimmter Teilnehmergruppen auch Grenzen fest, die durch ökonomisch bedingte Rahmenbedingungen der Veranstaltungsform gesetzt werden.
Auch auf Ebene des Kursleiterhandelns ergeben sich durch diese ökonomische Perspektive auf den Kurserfolg oder -misserfolg Einschränkungen und Abhängigkeiten. So ergibt sich für die Kursleiter/innen die Notwendigkeit, genug Teilnehmende mit ihrem Angebot anzusprechen, „das legitimiert einen natürlich auch für so eine Akademie“ (B5: 45). Der Abschluss eines Lehrvertrags komme auch lediglich bei Erfolg des zuletzt angebotenen Kurses zustande, im anderen Fall würde der Ausschluss als Kursleiter/in drohen: „Ja und dann waren beide Kurse nicht belegt und jetzt bin ich raus geflogen. Ja wenn du einmal sozusagen da nicht richtig ja, wenn da sich zu wenig Leute anmelden, dann (...) waren auch schon ein paar Leute, Kursleiter, die haben dann einfach Pech gehabt“ (B1: 4). Für die Lehre an einer Sommerakademie besteht also eine konkrete Abhängigkeit von der Finanzierbarkeit der Kurse, wobei die Befragten dies nicht nur für Sommerakademien speziell sehen, sondern als Merkmal nicht öffentlich finanzierter Weiterbildung beschreiben: „Und wir waren eigentlich immer auf diese Kursleute angewiesen, dass die kommen und dort bezahlen, ne und wir dann sozusagen Geld dafür bekommen. Also so läuft Kurssystem überhaupt“ (B1: 62). In diesem Zusammenhang betonen die Befragten die Notwendigkeit, die Teilnehmenden in den Prozess der Angebotsplanung und - durchführung einzubeziehen [1], um eine bedürfnisgerechte Kursgestaltung und
damit ihren eigenen Erfolg gewährleisten zu können.
- [1] Vgl. die Unterkategorie „Der Teilnehmer als freiwilliger Partizipant und aktiver Mitgestalter des Kursgeschehens“