Charakteristika der Veranstaltungsform Sommerakademie

In einem zweiten Themenblock thematisieren die Befragten die Charakteristika der Veranstaltungsform Sommerakademie, die sie als prägend für den Ordnungsrahmen und damit für das eigene Handeln als Kursleiter/innen beschreiben. Dabei wird schwerpunktmäßig das Arbeiten in und mit der Gruppe diskutiert, die in der Sommerakademie als Interaktionsgemeinschaft in Erscheinung tritt. Aber auch der einzelne Teilnehmende bestimmt durch das an ihn geknüpfte Prinzip der Freiwilligkeit das Handeln der Kursleitenden, die den Teilnehmen- den aktiv in die Planung und Durchführung der Veranstaltung einbeziehen, um einem Drop-Out vorzubeugen. Auch klassische strukturierende Rahmenbedingungen wie Zeit und Ort werden als handlungsleitende Momente beschrieben. So wird die intensive Kurszeit von ein bis drei Wochen mit ganztägiger Gestaltung als Besonderheit in der ansonsten angebotsarmen Zeit des Hochsommers festgehalten, wodurch die Sommerakademie von den Teilnehmenden auch als Urlaubsgestaltung und Abgrenzung zum Alltag genutzt würde. Nicht zuletzt thematisieren die Befragten auch die Art und Weise des Lernens, welches sich klar von einer unidirektionalen Lehrer-Schüler-Beziehung abgrenzt und Lernmöglichkeiten in mehrere (auch fachliche) Richtungen eröffnet.

Intensivkurse in der angebotsarmen Zeit des Sommers

Zeit als wichtige strukturierende Rahmenbedingung wird von den Befragten zunächst einmal in Bezug auf die Jahreszeit thematisiert, in der die Kurse angeboten werden. Schon die Begrifflichkeit der Veranstaltungsform Sommerakademie deutet auf deren Stattfinden in der Zeit des Sommers, bzw. Hochsommers hin. Die Befragten kennzeichnen diese Zeit als insgesamt angebotsarme Zeit, in der weniger Bildungsveranstaltungen stattfinden als in den anderen Monaten. In dieser „Saure-Gurken-Zeit“ (B1: 26/B5: 53), in der viele Anbieter aufgrund einer mangelnden Nachfrage ihr Programm zurückfahren, fällt die Sommerakademie in eine Zeit, „wo sonst tote Hose ist überall“ (B1: 44). Dieses Charakteristikum der Veranstaltungsform wird sowohl als Potenzial als auch als Herausforderung wahrgenommen. Im Sommer seien einfach aufgrund der allgemeinen Urlaubsund Ferienzeit weniger potenzielle Teilnehmende und damit Bedarf vorhanden. Dies beträfe vor allem jüngere Zielgruppen: Familien und darin eingeschlossen Schüler/innen, aber auch Studierende und junge Paare seien schlichtweg nicht vor Ort (vgl. B5: 17/B1: 40/B2: 83). Gleichzeitig weisen die Befragten aber auch darauf hin, dass zunehmend Vorstellungen von einer Urlaubsgestaltung aufkommen, die die Produktivität gerade im künstlerischen Bereich wieder in den Fokus rücken und weniger den traditionellen Strandurlaub (vgl. B3: 95). [1] Ein solch verändertes Verständnis trage dazu bei, dass die

Veranstaltungsform Sommerakademie in genau dieser angebotsarmen Zeit ein attraktives Angebot sei, insbesondere auch durch die zeitlich intensive Gestaltung der Kursformate. Zwar würde die Kurszeit von ein bis drei Wochen im Vergleich zu vielen Semesterund Jahresveranstaltungen anderer Bildungssettings recht kurz sein (vgl. B2: 23), durch die zeitliche Intensität in diesen Wochen würde jedoch eine hohe Qualität in kürzester Zeit ermöglicht (vgl. B1: 44/B2: 27/B4: 33/B5: 11). Dieses projektförmige Arbeiten „en bloc“ (B4: 33), was sowohl seitens der Lehrenden als auch Teilnehmenden eine große Bereitschaft zur konstanten aktiven Mitarbeit verlangt (vgl. B4: 23), bewirke eine Kontinuität in der Auseinandersetzung mit den Themen und Materialien, die in anderen Bildungssettings wie denen der Volkshochschule nicht oder nur auf längere Sicht stattfinden könne (vgl. B1: 44/B2: 27/B5: 11), da beispielsweise das Aufarbeiten des zuletzt Behandelten wegfalle. „Qualität entsteht ja durch Intensität“ (B1: 44), womit das Wiederholen und Anwenden des Gelernten gemeint ist, was über diese Veranstaltungsform „unheimlich komprimiert“ (B2: 27) stattfinden könne, weshalb die Sommerakademie bezüglich eines solchen Lernprozesses auch als „ideale Form“ (B5: 55) wahrgenommen wird. Dass diese Art der Gestaltung den Zeitgeist, spezifischer das Bedürfnis der Teilnehmenden treffe, zeige sich in der über die reguläre Kurszeit häufig stattfindende Selbstorganisation der Teilnehmenden, die ihre Arbeiten bis in die späten Abendstunden und an den Wochenenden fortsetzen würden (vgl. B5: 41): „Die nutzen diese Zeit sehr intensiv aus“ (ebd.).

In diesem Zusammenhang betonen die Befragten aber auch die Herausforderungen, die mit einer solchen intensiven und komprimierten Auseinandersetzung einhergehen. So fände die Reflexion des Stattgefundenen häufig erst nach der Kurszeit statt, die dann nicht mehr durch die Kursleitenden begleitet werden könne. Im Bereich der Darstellenden Künste trete dieser Punkt noch deutlicher hervor, da kein materielles Erzeugnis am Ende des Kurses stünde, sondern die künstlerische Auseinandersetzung „in der Zeit [spielt]“ (B2: 61). Um dennoch das „BE-Halten“ (B2: 61) des Gelernten zu ermöglichen, müssten neue Lösungen wie das Erstellen von Probentagebüchern gefunden werden (vgl. B2: 61). Zudem wird es bedauert, dass die Sommerakademie nur einmal im Jahr stattfinden könne, denn so seien die Teilnehmenden im Rest des Jahres auf andere, weniger intensive Angebote der Kulturellen Bildung angewiesen, die als „Trostpflaster über das Jahr“ (B1: 44) fungieren. Gleichzeitig wird aber auch darauf verwiesen, dass zum einen die städtischen Liegenschaften (vor allem Schulräume) nur im Sommer verfügbar seien und dass meist auch die Teilnehmenden die zeitlichen Ressourcen nur in dieser Zeit aufbringen könnten. Diese Rahmenbedingungen begrenzen damit auch den gestalterischen Spielraum dieser Veranstaltung: „Also muss man schon bei der Latte bleiben und sagen, okay es geht nur ein Mal im Jahr und das ist im Sommer“ (B1: 40).

Insgesamt würde die zeitliche Rahmung der Sommerakademie jedoch deutlich mehr Potenziale als Herausforderungen bereithalten. Dies führe wiederum dazu, dass die Anzahl von Sommerakademien, die im Bereich der Kulturellen Bildung aufgestellt sind, immer weiter wächst: Viele Anbieter hätten die Chancen des Konzeptes inzwischen erkannt und sehen hier die Möglichkeit, die angebotsarme Zeit des Sommers zu überbrücken. Dabei entstünde jedoch die Gefahr eines Qualitätsverlustes: „Es gibt in jedem Kaff fast eine Sommerakademie, ne also viele springen irgendwie auf dieses Boot auf und sagen wir machen auch hier was mit Kunst (...) jeder Stadtbezirk macht so einen Quatsch jetzt“ (B1: 26). Trotz der hier gesetzten Abgrenzung zur eigenen Einrichtung, deren Qualität auch über ausgesuchte Kursleiter/innen bestimmt wird – „das ist ja kein Gemischtwarenladen“ (B2: 91) – wird auch eine Konkurrenz in dieser „Blüte“ (B1: 26) von Sommerakademien gesehen (vgl. ebd.).

Die Kursleiter/innen sind demnach sowohl mit dem Potenzial, eine Angebotslücke ausfüllen zu können als auch mit einem wachsenden Konkurrenzdruck konfrontiert. In diesem Spannungsverhältnis muss sich eine Sommerakademie positionieren und profilieren, wobei die Kursleiter/innen als professionelle Kunstvermittler/innen eine bedeutende Rolle bei der Profilierung einer Sommerakademie spielen. [2]

  • [1] Vgl. vertiefend dazu Unterkategorie „Die Sommerakademie als Urlaubsgestaltung und Abgrenzung vom Alltag“
  • [2] Vgl. dazu auch Unterkategorie „Der/die Künstler/in als authentische Leitfigur“
 
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