Gene und Erziehung: Der Einfluss der Umwelt auf den Phänotyp

Die Wirkung der Umwelt auf den Phänotyp

Abbildung 14.9: Die Wirkung der Umwelt auf den Phänotyp. Die Bandbreite, mit der sich ein Genotyp ausprägt, stellt seine Reaktionsnorm dar - der Phänotyp wird bestimmt durch den Grad, mit dem sich die Umwelt auf die vom Genotyp vorgegebenen Merkmale auswirkt. So reicht etwa die Farbe der Blüten von Hortensien (Hydrangea) derselben Sorte von blau-violett bis rosa. Der Farbton und die Farbintensität hängen vom Säuregrad des Bodens und dem Gehalt an gelösten Aluminiumionen (AI3*) ab.

Wie wir gerade gesehen haben, weichen Merkmale auch dann von einem einfachen Mendel'schen Erbgang ab, wenn der Phänotyp nicht ausschließlich durch den Genotyp bestimmt wird, sondern auch von der Umwelt abhängt. Ein Baum mit seinem ererbten homogenen Genotyp bildet Blätter aus, die sich in der Größe, der Form und der Färbung unterscheiden können - je nach Wind- und Lichtexposition. Beim Menschen beeinflusst die Ernährung die Körpergröße, die Beanspruchung durch Arbeit und Sport wirkt sich mehr oder weniger begrenzt auf den Körperbau aus, die Sonne führt zu einer Bräunung der Haut und durch Übungen können die Leistungen bei Intelligenztests verbessert werden. Auch eineiige Zwillinge, deren Genome ja identisch sind, unterscheiden sich im Laufe der Zeit als Folge individueller Erfahrungen und Umwelteinflüsse.

Ob Eigenschaften wie Intelligenz und Sozialverhalten bei Mensch und Tier mehr von den Erbanlagen (Genen) oder der Umwelt bestimmt werden, ist eine alte und noch immer hitzig geführte Debatte, die sich nicht endgültig beantworten lässt. Man kann jedoch sagen, dass ein Genotyp im Allgemeinen nicht unausweichlich einen bestimmten Phänotyp hervorruft, sondern vielmehr das genetische Gerüst für die Eigenschaften bildet, die durch die Umwelt angepasst werden. Der Grad der Flexibilität bei dieser Anpassung unterscheidet sich je nach dem betrachteten Merkmal. Die dafür bestehende Bandbreite wird als Reaktionsnorm des Genotyps bezeichnet (=> Abbildung 14.9).

VERSTÄNDNISFRAGEN

  • 1. Unvollständige Dominanz und Epistasie sind Begriffe, die bestimmte genetische Wechselbeziehungen beschreiben. Wie könnte man möglichst allgemein diese beiden Begriffe unterscheiden?
  • 2. Welche ABO-Blutgruppen erwarten Sie für die Kinder eines Paares, wenn der Mann die Blutgruppe AB und die Frau die Blutgruppe 0 hat?
  • 3. Was wäre, wenn? Ein Hahn mit grauem Gefieder paart sich mit einer Henne gleichen Phänotyps. Unter den aus den Eiern schlüpfenden Nachkommen finden sich 15 mit grauem, sechs mit schwarzem und acht mit weißem Gefieder. Was ist die einfachste Erklärung für die Vererbung dieser Gefiederfarben bei den Hühnern? Welche Phänotypen würden Sie bei den Nachkommen einer Kreuzung eines grau gefiederten Hahns mit einer schwarzen Henne erwarten?
 
Quelle
< Zurück   INHALT   Quelle   Weiter >