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RegierungEine der Errungenschaften der Demokratiebewegung von 1992 war, dass seither der Regierungschef dem gewählten Repräsentantenhaus angehören musste. Wiederum als Reaktion auf die Machtkonzentration unter Thaksin wurde in der Verfassung von 2007 zudem erstmals die Amtszeit des Premierministers auf acht Jahre (konsekutiv) beschränkt (Art. 171, 2007 Verf.). Unter der Militärregierung wurden beide Regelungen aufgehoben. Weder gehört der Regierungschef dem (ernannten) Parlament an, noch ist er diesem verantwortlich. Wie bereits unter der Vorgängerverfassung besteht der Ministerrat (Kabinett) aus dem Premierminister sowie maximal 35 Ministern. Der Regierungschef wird auf Vorschlag der NLA vom König ernannt, kann aber nur nach Aufforderung durch die Militärjunta entlassen werden, so Art. 19 der Interimsverfassung (International Commission of Jurists 2014)[1]. Die Beziehungen von Regierung und Parlament waren in der Periode 1992 bis 2001 gekennzeichnet vom Fehlen stabiler Muster der Regierungsbildung, schwacher Kohäsion der Regierungskoalitionen von fünf und mehr Parteien sowie einer tendenziell geringen Kooperationsfähigkeit von Unterhaus und Regierung. Kleine Parteien spielten für die Regierungsbildung eine vergleichsweise große Rolle. Policy-bezogene Überlegungen oder die ideologische Orientierung der Parteien hatten bei der Koalitionsbildung eine untergeordnete Bedeutung. Gerade die kleinen Parteien orientierten sich bei ihrer Koalitionsentscheidung vorrangig an der prospektiven Postenverteilung zwischen den Koalitionsparteien. Ministerposten wurden zwischen den Parteien im Verhältnis zu ihren Mandatsanteilen und innerhalb der Parteien entsprechend der Größe und dem Einfluss der verschiedenen Machtgruppen verteilt („Faktionen“; vgl. Chambers 2008b). Dies erhöhte die Verhandlungskosten bei der Regierungsbildung und förderte die Sektionalisierung des Kabinetts entlang der Parteilinien. Beides strahlte negativ auf die Regierungstätigkeit aus (Reinecke und Sanders 2000, S. 49 ff.). Mit den Verfassungsänderungen von 1997 verschob sich die Machtbalance zugunsten der Regierung, was für eine größere Beständigkeit der Kabinette sorgte, aber das Kernproblem thailändischer Kabinette – die mangelnde Kohäsion der Mehrparteienregierungen – nicht mildern konnte. Der hohe Grad der Parteienzersplitterung, schwach gefügte Parteibindungen der Parlamentarier und die geringe Fraktionsdisziplin im Unterhaus führten dazu, dass die heterogenen Vielparteienkoalitionen ihre nominellen Parlamentsmehrheiten nicht zur Disziplinierung des Repräsentantenhauses einsetzen konnten. Dies zeigt sich in der im Vergleich zu anderen jungen Demokratien sehr kurzen Lebensdauer der Kabinette in dieser Phase. Bei enger Definition von Regierungswechseln (d. h. ein Kabinett endet mit dem Wechsel des Regierungschefs oder mit einer Neuwahl des Parlaments) lag sie zwischen September 1992 und Februar 2001 bei durchschnittlich 855 Tagen. Wird eine weite Definition zugrunde gelegt, wie sie in der vergleichenden Forschung häufiger Verwendung findet (ein Kabinett endet zusätzlich auch nach jedem Wechsel der Parteienzusammensetzung der Regierung während der Legislaturperiode), sinkt die durchschnittliche Regierungsdauer im gleichen Zeitraum auf 343 Tage (vgl. Tab. 12.2). Die Wahl von Thaksin Shinawatra zum Premierminister im Februar 2001 hatte auch einen tiefgreifenden Wandel in den Beziehungen von Regierung und Parlament zur Folge. Sie war charakterisiert durch die Dominanz der Regierung über das Parlament und Machtkonzentration innerhalb der Regierung (Croissant und Schächter 2010). Bereits im Vorfeld der Unterhauswahlen im Januar 2001 hatte die TRT systematisch kleinere Parteien aufgesogen und Parlamentariergruppen („Faktionen“) von anderen Parteien Tab. 12.2 Thailändische Regierungen (1992–2011)
Tab. 12.2 (Fortsetzung)
Quelle: zusammengestellt nach Angaben in Chambers (2003); Orathai (2002), Prasirtsuk (2009); Secretariat of the Cabinet (2011) abgeworben. Nach dem Regierungsantritt der TRT setzte sich die Arrondierung der Parteienlandschaft fort, indem kleinere Koalitionsparteien mit der TRT fusionierten (Orathai 2002). Nach den Parlamentswahlen im Februar 2005 kam es erstmals zur Mehrheitsregierung einer Partei. Aufgrund der strikten Kontrolle Thaksins über die TRT und begünstigt durch die 1997 eingeführten Regeln zur Disziplinierung des Parlaments stieg die Beständigkeit und Führungsstärke der Regierung in dieser Phase deutlich an (Chambers 2006). Die Zeit nach dem Staatstreich 2006 und der von der Militärjunta eingesetzten Interimsregierung (2006–2008) war wiederum gekennzeichnet durch heterogene Mehrparteienkabinette, eine geringe Konzentration der Exekutivmacht und schwache Kabinettsbeziehungsweise Koalitionsdisziplin sowie eine relativ schwache Regierungsbeständigkeit. Letzteres wurde durch die häufige Intervention des Verfassungsgerichts noch verstärkt, infolge derer zwei Regierungsparteien verboten und drei Regierungschefs (allesamt Thaksin nahestehend) abgesetzt wurden.
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