Primäres Wachstum ist verantwortlich für die
Längenzunahme von Wurzel und Sprossachse
Wie Sie gelernt haben, bedeutet primäres Wachstum ein Längenwachstum, das durch Apikalmeristeme zustande kommt. Das Produkt dieser Wachstumsprozesse wird insgesamt als primärer Pflanzenkörper bezeichnet. Die Apikalmeristeme sind zwar für das Längenwachstum bei Wurzel und Sprossachse verantwortlich, jedoch ist die Anatomie beider Systeme unterschiedlich.
Primäres Wachstum der Wurzel
Die Wurzelspitze ist von einer fingerhutartig geformten Wurzelhaube (Kalyp-tra) bedeckt, die das empfindliche Apikalmeristem vor Verletzungen schützt, während die Wurzel im Zuge des primären Wachstums durch das grobe Erdreich vordringt. Die Wurzelhaube sondert außerdem einen polysaccharidhaltigen Schleim ab, der wie ein Gleitmittel im Bereich der Wurzelspitze wirkt. Das Wachstum und die Differenzierung finden unmittelbar hinter der Wurzelspitze in drei Zellzonen statt (=> Abbildung 35.9).
Die drei Zonen gehen allmählich ineinander über. Zur Zellteilungszone gehören das Wurzel-Apikalmeristem und seine Derivate. In dieser Region entstehen neue Wurzelzellen, auch die Zellen der Wurzelhaube. Außerdem befindet sich in diesem Bereich ein ruhendes Zentrum von sich nicht teilenden Zellen. Normalerweise beginnt etwa einen Millimeter hinter der Wurzeispitze die Streckungszone, wo sich die Wurzelzellen durch Streckungswachstum vergrößern. Währenddessen werden vom Wurzel-Apikalmeristem am jüngeren Ende der Streckungszone ständig weitere Zellen gebildet. Noch bevor das Streckungswachstum abgeschlossen ist, beginnen viele Wurzelzellen bereits, sich in Struktur und Funktion auszudifferenzieren. In der Differenzierungszone (auch als Wurzelhaarzone bezeichnet) haben die Zellen ihre Differenzierung beendet und die unterschiedlichen Zelltypen herausgebildet.
Durch das primäre Wachstum werden die Rhizodermis, das Grundgewebe und das Leitgewebe einer Wurzel gebildet. In Abbildung 35.10 sind die drei
VERSTÄNDNISFRAGEN
- 1. Unterscheiden Sie zwischen primärem Wachstum und sekundärem Dickenwachstum.
- 2. Die Zellen in den unteren Schichten Ihrer Haut teilen sich und ersetzen tote Zellen, die von der Hautoberflache abschilfern. Warum sind derartige Orte der Zellteilung mit Pflanzenmeristemen nicht zu vergleichen?
- 3. Wurzel und Sprossachse wachsen unbegrenzt, Blätter jedoch normalerweise nicht. Warum ist dies für die Pflanze von Vorteil?
- 4. Was wäre, wenn? Stellen Sie sich vor, ein Gärtner erntet ein paar Rettiche und merkt, dass diese noch zu klein sind Da Rettiche zweijährig sind, lasst der Gartner die restlichen Pflanzen im Boden und hofft, dass sie in ihrem zweiten Lebensjahr größer werden. Ist das eine gute Idee? Begründen Sie Ihre Antwort.

Abbildung 35.9: Primäres Wachstum der Wurzel. Die lichtmikroskopische Aufnahme und die Schemazeichnung zeigen anatomische Merkmale der Wurzelspitze einer Küchenzwiebel (Allium cepal-

Abbildung 35.10: Organisation der primären Gewebe in jungen Wurzeln. Die Wurzelquerschnitte von Hahnenfuß (a) beziehungsweise Mais (b) stehen für zwei grundlegende Organisationsmuster der Wurzel (Eudikotyle beziehungsweise Monokotyle), die je nach Pflanzenart zahlreiche Abwandlungen erfahren (alle LM).
primären Gewebesysteme bei einer jungen Eudikotylenwurzel (Ranunculus sp., Hahnenfuß) und einer Monokotylenwurzel (Zea mays, Mais) im Querschnitt dargestellt. Wasser und Mineralstoffe aus dem Boden, müssen durch die Rhizodermis in die Wurzel eintreten. Daher besitzt die Rhizodermis keine Cuticula. Wurzelhaare, die für einen Großteil dieser Resorption verantwortlich sind, verbessern den Aufnahmeprozess, indem sie die Oberfläche der Wurzelspitzenregion stark vergrößern.
Das Leitgewebe bei Wurzeln wird als Zentralzylinder bezeichnet. Er besteht aus einem festen Kern aus Xylem und Phloem (Abbildung 35.10 a). Bei den meisten Eudikotylenwurzeln ist das Xylem sternförmig ausgebildet und das Phloem liegt zwischen den „Xylemstrahlen". Bei vielen Monokotylenwurzeln enthält das Leitgewebe einen zentralen Bereich mit Parenchymzellen und zahlreichen Xylem- und Phloemzellen (Abbildung 35.10 b). Die parenchymatische Zentralregion wird oft als „Mark" bezeichnet, sollte aber nicht mit dem Mark der Sprossachse verwechselt werden.
Das Grundgewebe der Wurzel, das hauptsächlich aus Parenchymzellen besteht, füllt die primäre Rinde, den Bereich zwischen Zentralzylinder und Epidermis aus. Zellen des Grundgewebes speichern Kohlenhydrate und resorbieren mithilfe ihrer stark quellungsfähigen Zellwände Wasser und Mineralstoffe aus dem Boden. Die innerste Zellschicht der primären Rinde, die Endodermis,
MERKE I
Das Leitgewebe bei Wurzeln wird als Zentralzylinder bezeichnet.
besteht aus einem einschichtigen Zellzylinder, der die Grenze zum Zentralzylinder bildet.